Während auf diese Weise Festlichkeiten der mannigfachsten Art in dem Lager von Susa einander folgten und die Truppen beschäftigten, hatte Alexander eine Veränderung des Heerwesens vorbereitet, die jetzt ins Leben treten und noch entscheidender als die eben gefeierten Vermählungen eine vollkommene Anerkenntniß der morgenländischen Völker und deren Gleichstellung mit den Macedoniern bezeichnen sollte. Allerdings waren schon seit meh- reren Jahren Asiatische Truppen mit zum Heere gezogen worden, aber einer Seits hatten sie in den Waffen und in der Weise ihres Landes gekämpft, anderer Seits waren sie stets nur als unterge- ordnete Hülfscorps angesehen und von dem Stolz der Macedoni- schen Krieger trotz ihrer trefflichen Mitwirkung in den Indischen Feldzügen als Besiegte und Barbaren verachtet worden; je weiter sich in allen übrigen Verhältnissen die Annäherung der verschiede- nen Nationalitäten entwickelte, desto nothwendiger wurde es, auch in dem Heerwesen die Unterschiede von Siegern und Besiegten zu vertilgen. Das wirksamste Mittel war natürlich, Asiaten in die Reihen der Macedonischen Truppen mit gleichen Waffen und gleicher militairischer Ehre aufzunehmen, und der König hatte schon vor Jahren die dazu nöthigen Vorbereitungen getroffen, namentlich in allen Satrapien des Reichs junge Leute ausheben und in Macedonischer Weise bewaffnen und einüben lassen. Auch für die Hellenisirung der Völker konnte durch nichts schneller und sicherer gewirkt werden, als wenn die Jugend an Hellenische Be- waffnung und Heerdienste gewöhnt, in das Reichsheer aufgenom- men und in den militairischen Geist, der zunächst noch die Stelle einer durchherrschenden Nationalität in dem ungeheueren Reiche vertreten mußte, unmittelbar hineingezogen wurden. Viele Rück- sichten vereinigten sich, ihre Einberufung gerade jetzt nothwendig zu machen. Vor Allem war die Zahl sämmtlicher im aktiven
Todtenfeier gehalten sein, und das scheint auch die Meinung Ar- rians zu sein. Dieser beschreibt erst des Kalanus Tod, dann die Rückkehr des Atropates gen Medien und darauf die Hochzeit, ohne die Chronologie streng berücksichtigen zu wollen; wahrscheinlich blieb doch Atropates bei dem Vermählungsfeste seiner Tochter und der übrigen Fürstinnen noch in Susa.
Waͤhrend auf dieſe Weiſe Feſtlichkeiten der mannigfachſten Art in dem Lager von Suſa einander folgten und die Truppen beſchaͤftigten, hatte Alexander eine Veraͤnderung des Heerweſens vorbereitet, die jetzt ins Leben treten und noch entſcheidender als die eben gefeierten Vermaͤhlungen eine vollkommene Anerkenntniß der morgenlaͤndiſchen Voͤlker und deren Gleichſtellung mit den Macedoniern bezeichnen ſollte. Allerdings waren ſchon ſeit meh- reren Jahren Aſiatiſche Truppen mit zum Heere gezogen worden, aber einer Seits hatten ſie in den Waffen und in der Weiſe ihres Landes gekaͤmpft, anderer Seits waren ſie ſtets nur als unterge- ordnete Huͤlfscorps angeſehen und von dem Stolz der Macedoni- ſchen Krieger trotz ihrer trefflichen Mitwirkung in den Indiſchen Feldzuͤgen als Beſiegte und Barbaren verachtet worden; je weiter ſich in allen uͤbrigen Verhaͤltniſſen die Annaͤherung der verſchiede- nen Nationalitaͤten entwickelte, deſto nothwendiger wurde es, auch in dem Heerweſen die Unterſchiede von Siegern und Beſiegten zu vertilgen. Das wirkſamſte Mittel war natuͤrlich, Aſiaten in die Reihen der Macedoniſchen Truppen mit gleichen Waffen und gleicher militairiſcher Ehre aufzunehmen, und der Koͤnig hatte ſchon vor Jahren die dazu noͤthigen Vorbereitungen getroffen, namentlich in allen Satrapien des Reichs junge Leute ausheben und in Macedoniſcher Weiſe bewaffnen und einuͤben laſſen. Auch fuͤr die Helleniſirung der Voͤlker konnte durch nichts ſchneller und ſicherer gewirkt werden, als wenn die Jugend an Helleniſche Be- waffnung und Heerdienſte gewoͤhnt, in das Reichsheer aufgenom- men und in den militairiſchen Geiſt, der zunaͤchſt noch die Stelle einer durchherrſchenden Nationalitaͤt in dem ungeheueren Reiche vertreten mußte, unmittelbar hineingezogen wurden. Viele Ruͤck- ſichten vereinigten ſich, ihre Einberufung gerade jetzt nothwendig zu machen. Vor Allem war die Zahl ſaͤmmtlicher im aktiven
Todtenfeier gehalten ſein, und das ſcheint auch die Meinung Ar- rians zu ſein. Dieſer beſchreibt erſt des Kalanus Tod, dann die Ruͤckkehr des Atropates gen Medien und darauf die Hochzeit, ohne die Chronologie ſtreng beruͤckſichtigen zu wollen; wahrſcheinlich blieb doch Atropates bei dem Vermaͤhlungsfeſte ſeiner Tochter und der uͤbrigen Fuͤrſtinnen noch in Suſa.
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Waͤhrend auf dieſe Weiſe Feſtlichkeiten der mannigfachſten
Art in dem Lager von Suſa einander folgten und die Truppen
beſchaͤftigten, hatte Alexander eine Veraͤnderung des Heerweſens
vorbereitet, die jetzt ins Leben treten und noch entſcheidender als
die eben gefeierten Vermaͤhlungen eine vollkommene Anerkenntniß
der morgenlaͤndiſchen Voͤlker und deren Gleichſtellung mit den
Macedoniern bezeichnen ſollte. Allerdings waren ſchon ſeit meh-
reren Jahren Aſiatiſche Truppen mit zum Heere gezogen worden,
aber einer Seits hatten ſie in den Waffen und in der Weiſe ihres
Landes gekaͤmpft, anderer Seits waren ſie ſtets nur als unterge-
ordnete Huͤlfscorps angeſehen und von dem Stolz der Macedoni-
ſchen Krieger trotz ihrer trefflichen Mitwirkung in den Indiſchen
Feldzuͤgen als Beſiegte und Barbaren verachtet worden; je weiter
ſich in allen uͤbrigen Verhaͤltniſſen die Annaͤherung der verſchiede-
nen Nationalitaͤten entwickelte, deſto nothwendiger wurde es, auch
in dem Heerweſen die Unterſchiede von Siegern und Beſiegten
zu vertilgen. Das wirkſamſte Mittel war natuͤrlich, Aſiaten in
die Reihen der Macedoniſchen Truppen mit gleichen Waffen und
gleicher militairiſcher Ehre aufzunehmen, und der Koͤnig hatte
ſchon vor Jahren die dazu noͤthigen Vorbereitungen getroffen,
namentlich in allen Satrapien des Reichs junge Leute ausheben
und in Macedoniſcher Weiſe bewaffnen und einuͤben laſſen. Auch
fuͤr die Helleniſirung der Voͤlker konnte durch nichts ſchneller und
ſicherer gewirkt werden, als wenn die Jugend an Helleniſche Be-
waffnung und Heerdienſte gewoͤhnt, in das Reichsheer aufgenom-
men und in den militairiſchen Geiſt, der zunaͤchſt noch die Stelle
einer durchherrſchenden Nationalitaͤt in dem ungeheueren Reiche
vertreten mußte, unmittelbar hineingezogen wurden. Viele Ruͤck-
ſichten vereinigten ſich, ihre Einberufung gerade jetzt nothwendig
zu machen. Vor Allem war die Zahl ſaͤmmtlicher im aktiven
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42) Todtenfeier gehalten ſein, und das ſcheint auch die Meinung Ar-
rians zu ſein. Dieſer beſchreibt erſt des Kalanus Tod, dann die
Ruͤckkehr des Atropates gen Medien und darauf die Hochzeit, ohne
die Chronologie ſtreng beruͤckſichtigen zu wollen; wahrſcheinlich
blieb doch Atropates bei dem Vermaͤhlungsfeſte ſeiner Tochter und
der uͤbrigen Fuͤrſtinnen noch in Suſa.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/518>, abgerufen am 22.11.2024.
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