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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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sich die Pforten des Schlosses, und der König trat heraus; und
da er seine Veteranen so demüthig da liegen sah, und ihren Freu-
deruf und ihr erneuetes Jammern hörte, da vermochte er nicht
länger seinen Thränen zu wehren; dann trat er näher, um zu ih-
nen zu sprechen, sie aber drängten sich um ihn und hörten nicht
auf mit Flehen, gleich als fürchteten sie das erste Wort ihres viel-
leicht noch nicht erweichten Königs. Und ein alter, braver Haupt-
mann aus der Ritterschaft, mit Namen Kallines, sprach also: "o
König, was uns Macedonier vor Allem schmerzt, ist, daß du Per-
ser zu deinen Verwandten gemacht hast, daß Perser sich nun Alex-
anders Verwandte nennen und dich küssen dürfen, und von uns
Macedoniern ist nie einer dieser Ehre theilhaftig worden!" Da
rief der König: "euch Alle mache ich zu meinen Verwandten
und nenne euch also von Stund an!" er ging auf Kallines zu,
ihn zu küssen; und es küßte ihn von den Macedoniern, wer es
wollte; sie nahmen ihre Waffen auf und jubelten laut und sangen
Freudenlieder und zogen jauchzend in [...]ihr Lager zurück. Alexan-
der aber gebot, zur Feier der Versöhnung ein großes Opfer zu
bereiten, und opferte den Göttern, denen er pflegte. Dann wurde
ein großes Mahl gehalten, an dem fast das gesammte Heer Theil
nahm, in der Mitte der König, ihm zunächst die Macedonier,
nach diesen die Perser, und weiter Viele von den übrigen Völker-
schaften Asiens; und der König trank aus denselben Mischkrügen
mit seinen Truppen und spendete mit ihnen die gleichen Spenden,
und es versahen dazu die Hellenischen Seher und die Persischen
Magier die heiligen Gebräuche. Der König selbst aber betete zu
den Göttern, sie möchten ihm und seinem Heer alles Gute verleihen,
vor Allem aber Eintracht und Gemeinschaft des Reiches den Ma-
cedoniern und Persern. Es soll die Zahl derer, die an diesem Mahle
Theil nahmen, neuntausend gewesen sein, und diese Alle spendeten
zu gleicher Zeit den Unsterblichen und sangen zugleich den Lobge-
sang dazu 53).

So der Ausgang dieser gefährlichen und in jeder Hinsicht
entscheidenden Krisis; es war der letzte Kampf zwischen dem Al-

53) Arrian. VII. 11., Plutarch. Alex. 71., Justin. XII. 12.

ſich die Pforten des Schloſſes, und der Koͤnig trat heraus; und
da er ſeine Veteranen ſo demuͤthig da liegen ſah, und ihren Freu-
deruf und ihr erneuetes Jammern hoͤrte, da vermochte er nicht
laͤnger ſeinen Thraͤnen zu wehren; dann trat er naͤher, um zu ih-
nen zu ſprechen, ſie aber draͤngten ſich um ihn und hoͤrten nicht
auf mit Flehen, gleich als fuͤrchteten ſie das erſte Wort ihres viel-
leicht noch nicht erweichten Koͤnigs. Und ein alter, braver Haupt-
mann aus der Ritterſchaft, mit Namen Kallines, ſprach alſo: „o
Koͤnig, was uns Macedonier vor Allem ſchmerzt, iſt, daß du Per-
ſer zu deinen Verwandten gemacht haſt, daß Perſer ſich nun Alex-
anders Verwandte nennen und dich kuͤſſen duͤrfen, und von uns
Macedoniern iſt nie einer dieſer Ehre theilhaftig worden!“ Da
rief der Koͤnig: „euch Alle mache ich zu meinen Verwandten
und nenne euch alſo von Stund an!“ er ging auf Kallines zu,
ihn zu kuͤſſen; und es kuͤßte ihn von den Macedoniern, wer es
wollte; ſie nahmen ihre Waffen auf und jubelten laut und ſangen
Freudenlieder und zogen jauchzend in […]ihr Lager zuruͤck. Alexan-
der aber gebot, zur Feier der Verſoͤhnung ein großes Opfer zu
bereiten, und opferte den Goͤttern, denen er pflegte. Dann wurde
ein großes Mahl gehalten, an dem faſt das geſammte Heer Theil
nahm, in der Mitte der Koͤnig, ihm zunaͤchſt die Macedonier,
nach dieſen die Perſer, und weiter Viele von den uͤbrigen Voͤlker-
ſchaften Aſiens; und der Koͤnig trank aus denſelben Miſchkruͤgen
mit ſeinen Truppen und ſpendete mit ihnen die gleichen Spenden,
und es verſahen dazu die Helleniſchen Seher und die Perſiſchen
Magier die heiligen Gebraͤuche. Der Koͤnig ſelbſt aber betete zu
den Goͤttern, ſie moͤchten ihm und ſeinem Heer alles Gute verleihen,
vor Allem aber Eintracht und Gemeinſchaft des Reiches den Ma-
cedoniern und Perſern. Es ſoll die Zahl derer, die an dieſem Mahle
Theil nahmen, neuntauſend geweſen ſein, und dieſe Alle ſpendeten
zu gleicher Zeit den Unſterblichen und ſangen zugleich den Lobge-
ſang dazu 53).

So der Ausgang dieſer gefaͤhrlichen und in jeder Hinſicht
entſcheidenden Kriſis; es war der letzte Kampf zwiſchen dem Al-

53) Arrian. VII. 11., Plutarch. Alex. 71., Justin. XII. 12.
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[516/0530] ſich die Pforten des Schloſſes, und der Koͤnig trat heraus; und da er ſeine Veteranen ſo demuͤthig da liegen ſah, und ihren Freu- deruf und ihr erneuetes Jammern hoͤrte, da vermochte er nicht laͤnger ſeinen Thraͤnen zu wehren; dann trat er naͤher, um zu ih- nen zu ſprechen, ſie aber draͤngten ſich um ihn und hoͤrten nicht auf mit Flehen, gleich als fuͤrchteten ſie das erſte Wort ihres viel- leicht noch nicht erweichten Koͤnigs. Und ein alter, braver Haupt- mann aus der Ritterſchaft, mit Namen Kallines, ſprach alſo: „o Koͤnig, was uns Macedonier vor Allem ſchmerzt, iſt, daß du Per- ſer zu deinen Verwandten gemacht haſt, daß Perſer ſich nun Alex- anders Verwandte nennen und dich kuͤſſen duͤrfen, und von uns Macedoniern iſt nie einer dieſer Ehre theilhaftig worden!“ Da rief der Koͤnig: „euch Alle mache ich zu meinen Verwandten und nenne euch alſo von Stund an!“ er ging auf Kallines zu, ihn zu kuͤſſen; und es kuͤßte ihn von den Macedoniern, wer es wollte; ſie nahmen ihre Waffen auf und jubelten laut und ſangen Freudenlieder und zogen jauchzend in ihr Lager zuruͤck. Alexan- der aber gebot, zur Feier der Verſoͤhnung ein großes Opfer zu bereiten, und opferte den Goͤttern, denen er pflegte. Dann wurde ein großes Mahl gehalten, an dem faſt das geſammte Heer Theil nahm, in der Mitte der Koͤnig, ihm zunaͤchſt die Macedonier, nach dieſen die Perſer, und weiter Viele von den uͤbrigen Voͤlker- ſchaften Aſiens; und der Koͤnig trank aus denſelben Miſchkruͤgen mit ſeinen Truppen und ſpendete mit ihnen die gleichen Spenden, und es verſahen dazu die Helleniſchen Seher und die Perſiſchen Magier die heiligen Gebraͤuche. Der Koͤnig ſelbſt aber betete zu den Goͤttern, ſie moͤchten ihm und ſeinem Heer alles Gute verleihen, vor Allem aber Eintracht und Gemeinſchaft des Reiches den Ma- cedoniern und Perſern. Es ſoll die Zahl derer, die an dieſem Mahle Theil nahmen, neuntauſend geweſen ſein, und dieſe Alle ſpendeten zu gleicher Zeit den Unſterblichen und ſangen zugleich den Lobge- ſang dazu 53). So der Ausgang dieſer gefaͤhrlichen und in jeder Hinſicht entſcheidenden Kriſis; es war der letzte Kampf zwiſchen dem Al- 53) Arrian. VII. 11., Plutarch. Alex. 71., Justin. XII. 12.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/530>, abgerufen am 22.11.2024.