der ihn die Götter vergebens gewarnt hatten; und dennoch nöthig- ten ihn manche Geschäfte, hier noch zu weilen 26).
Es waren neue Gesandtschaften aus den Hellenischen Ländern eingetroffen, auch mehrere Macedonier, so wie Missionen der Thra- cier, Illyrier und anderer abhängiger Völker waren gen Babylon gekommen, um über den Reichsverweser Antipater bei dem Könige Klage zu führen; 27) Antipater selbst hatte seinen Sohn Kassan- der gesandt, der ihn vor Alexander rechtfertigen sollte; vielleicht wünschte er zugleich, dem Könige, bei dem sich bereits sein Sohn Jollas als Mundschenk befand, in seinem ältesten Sohn ein neues Unterpfand seiner Treue zu geben, und durch dessen Bemühung das gestörte Verhältniß zu Alexander, bevor er selbst seinem Befehle gemäß bei Hofe eintraf, wieder herzustellen. Er hatte nicht glück- lich gewählt; Kassander, der sich in Macedonien des ersten Man- nes Sohn gefühlt haben mochte, verstand es nicht, sein hochfah- rendes und heftiges Wesen so zu zügeln, wie es die Nähe des Herrschers forderte; schon bei der ersten Audienz, da er Asiaten an den Stufen des Thrones das Knie beugen und den Boden mit der Stirn berühren sah, und darüber in ein lautes Hohnlachen ausbrach, erregte er den gerechten Unwillen Alexanders, der ihn mit eigener Hand und auf eindringliche Weise über sein unge- bührliches Benehmen zurecht stellte. Als dann die verschiedenen Beschwerden über Antipater vorgebracht wurden, und Kassander den Vater zu vertheidigen anhub, indem er die Klagenden Ver- läumder nannte, so fiel ihm der König ins Wort: "was sprichst du, so weite Wege sollten die Männer, ohne Unrecht erlitten zu ha- ben, und nur um zu verläumden, hergekommen sein?" Und als Kas- sander ihm antwortete, das eben sei ein Zeichen der Verläumdung daß sie so weit hierher, wo jede Nachforschung unmöglich sei, gekommen wären, so lachte Alexander und sprach: "das sind die Sophistereien des Aristoteles, mit denen sich gleich gut das Für und Wider beweisen läßt; aber wehe euch, wenn ihr den Leu- ten Unrecht gethan habt." Das Nähere über jene Beschwerden
26)Pluf. Alex. 73. Arrian. VII. 18.
27) Dieß ist aus der Erwähnung bei Diod. XVII. 113. klar.
der ihn die Goͤtter vergebens gewarnt hatten; und dennoch noͤthig- ten ihn manche Geſchaͤfte, hier noch zu weilen 26).
Es waren neue Geſandtſchaften aus den Helleniſchen Laͤndern eingetroffen, auch mehrere Macedonier, ſo wie Miſſionen der Thra- cier, Illyrier und anderer abhaͤngiger Voͤlker waren gen Babylon gekommen, um uͤber den Reichsverweſer Antipater bei dem Koͤnige Klage zu fuͤhren; 27) Antipater ſelbſt hatte ſeinen Sohn Kaſſan- der geſandt, der ihn vor Alexander rechtfertigen ſollte; vielleicht wuͤnſchte er zugleich, dem Koͤnige, bei dem ſich bereits ſein Sohn Jollas als Mundſchenk befand, in ſeinem aͤlteſten Sohn ein neues Unterpfand ſeiner Treue zu geben, und durch deſſen Bemuͤhung das geſtoͤrte Verhaͤltniß zu Alexander, bevor er ſelbſt ſeinem Befehle gemaͤß bei Hofe eintraf, wieder herzuſtellen. Er hatte nicht gluͤck- lich gewaͤhlt; Kaſſander, der ſich in Macedonien des erſten Man- nes Sohn gefuͤhlt haben mochte, verſtand es nicht, ſein hochfah- rendes und heftiges Weſen ſo zu zuͤgeln, wie es die Naͤhe des Herrſchers forderte; ſchon bei der erſten Audienz, da er Aſiaten an den Stufen des Thrones das Knie beugen und den Boden mit der Stirn beruͤhren ſah, und daruͤber in ein lautes Hohnlachen ausbrach, erregte er den gerechten Unwillen Alexanders, der ihn mit eigener Hand und auf eindringliche Weiſe uͤber ſein unge- buͤhrliches Benehmen zurecht ſtellte. Als dann die verſchiedenen Beſchwerden uͤber Antipater vorgebracht wurden, und Kaſſander den Vater zu vertheidigen anhub, indem er die Klagenden Ver- laͤumder nannte, ſo fiel ihm der Koͤnig ins Wort: „was ſprichſt du, ſo weite Wege ſollten die Maͤnner, ohne Unrecht erlitten zu ha- ben, und nur um zu verlaͤumden, hergekommen ſein?“ Und als Kaſ- ſander ihm antwortete, das eben ſei ein Zeichen der Verlaͤumdung daß ſie ſo weit hierher, wo jede Nachforſchung unmoͤglich ſei, gekommen waͤren, ſo lachte Alexander und ſprach: „das ſind die Sophiſtereien des Ariſtoteles, mit denen ſich gleich gut das Fuͤr und Wider beweiſen laͤßt; aber wehe euch, wenn ihr den Leu- ten Unrecht gethan habt.“ Das Naͤhere uͤber jene Beſchwerden
26)Pluf. Alex. 73. Arrian. VII. 18.
27) Dieß iſt aus der Erwaͤhnung bei Diod. XVII. 113. klar.
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der ihn die Goͤtter vergebens gewarnt hatten; und dennoch noͤthig-
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Es waren neue Geſandtſchaften aus den Helleniſchen Laͤndern
eingetroffen, auch mehrere Macedonier, ſo wie Miſſionen der Thra-
cier, Illyrier und anderer abhaͤngiger Voͤlker waren gen Babylon
gekommen, um uͤber den Reichsverweſer Antipater bei dem Koͤnige
Klage zu fuͤhren; 27) Antipater ſelbſt hatte ſeinen Sohn Kaſſan-
der geſandt, der ihn vor Alexander rechtfertigen ſollte; vielleicht
wuͤnſchte er zugleich, dem Koͤnige, bei dem ſich bereits ſein Sohn
Jollas als Mundſchenk befand, in ſeinem aͤlteſten Sohn ein neues
Unterpfand ſeiner Treue zu geben, und durch deſſen Bemuͤhung
das geſtoͤrte Verhaͤltniß zu Alexander, bevor er ſelbſt ſeinem Befehle
gemaͤß bei Hofe eintraf, wieder herzuſtellen. Er hatte nicht gluͤck-
lich gewaͤhlt; Kaſſander, der ſich in Macedonien des erſten Man-
nes Sohn gefuͤhlt haben mochte, verſtand es nicht, ſein hochfah-
rendes und heftiges Weſen ſo zu zuͤgeln, wie es die Naͤhe des
Herrſchers forderte; ſchon bei der erſten Audienz, da er Aſiaten an
den Stufen des Thrones das Knie beugen und den Boden mit
der Stirn beruͤhren ſah, und daruͤber in ein lautes Hohnlachen
ausbrach, erregte er den gerechten Unwillen Alexanders, der ihn
mit eigener Hand und auf eindringliche Weiſe uͤber ſein unge-
buͤhrliches Benehmen zurecht ſtellte. Als dann die verſchiedenen
Beſchwerden uͤber Antipater vorgebracht wurden, und Kaſſander
den Vater zu vertheidigen anhub, indem er die Klagenden Ver-
laͤumder nannte, ſo fiel ihm der Koͤnig ins Wort: „was ſprichſt
du, ſo weite Wege ſollten die Maͤnner, ohne Unrecht erlitten zu ha-
ben, und nur um zu verlaͤumden, hergekommen ſein?“ Und als Kaſ-
ſander ihm antwortete, das eben ſei ein Zeichen der Verlaͤumdung
daß ſie ſo weit hierher, wo jede Nachforſchung unmoͤglich ſei,
gekommen waͤren, ſo lachte Alexander und ſprach: „das ſind die
Sophiſtereien des Ariſtoteles, mit denen ſich gleich gut das Fuͤr
und Wider beweiſen laͤßt; aber wehe euch, wenn ihr den Leu-
ten Unrecht gethan habt.“ Das Naͤhere uͤber jene Beſchwerden
26) Pluf. Alex. 73. Arrian. VII. 18.
27) Dieß iſt aus der
Erwaͤhnung bei Diod. XVII. 113. klar.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/584>, abgerufen am 22.11.2024.
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