dem Purpur und Diadem, setzte sich an des Königs Stelle und blickte stier vor sich hin; die Eunuchen aber zerrissen ihre Klei- der, sie schlugen sich Brust und Stirn und wehklagten über das furchtbare Zeichen. Gerade jetzt kam der König zurück, er sah mit Entsetzen den Menschen im Königsschmuck auf dem Thron; er befahl den Unglücklichen zu fragen, wer er sei, was er wolle? Der blieb regungslos sitzen, sah stier vor sich hin; endlich sprach er: "Ich heiße Dionysius und bin von Messene; ich bin verklagt und in Ketten vom Strand hierher ge- bracht; jetzt hat der Gott Serapis mich erlös't und mir ge- boten, Purpur und Diadem zu nehmen und still hier zu sitzen." Er ward auf die Folter gebracht, er sollte bekennen, ob er ver- brecherische Absichten hege, ob er Genossenhabe; er aber blieb da- bei, es sei ihm von dem Gott geheißen. Man erkannte, des Men- schen Verstand war gestört; die Wahrsager forderten seinen Tod38).
Es mochte im Mai des Jahres 323 sein, die Stadt Ba- bylon war voll kriegerischen Lebens, die Taufende der neuen Truppen, voll Begier nach dem Feldzuge, in dem sie ihre erste Waffenprobe machen sollten, übten sich, in der neuen Ordnung zu fechten; die Flotte die bereits unter Tau und Segel war, lief fast täglich, unter ungeheurem Zulauf von Zuschauern aus der Residenz, von ihrer Station aus, um sich im Steuern und Rudern zu üben; der König selbst war meist zugegen und vertheilte an die Sieger im Steuern Lob und goldene Kränze.39) Man wußte, daß dem- nächst der Feldzug eröffnet werden würde; man glaubte, daß sich an die Leichenfeier für Hephästion die üblichen Opfer und Gast- mähler anschließen würden, bei denen der König den Beginn der neuen Kriegsoperationen zu verkünden pflegte.
Unzählige Fremde waren zu der Feier herbeigeströmt, unter diesen namentlich viele Gesandtschaften aus Griechenland, die in Folge der Beschlüsse, dem Könige göttliche Ehre zu erweisen,
38)Arrian VII. 24 nach Aristobul, Diodor. XVII. 116. Plutarch. 74 mit einzelnen Abweichungen; diese Geschichte begab sich wenige Tage vor den Opfern, die das Ende des Mai ausfüllten.
39)Arrian VII. 23. 7.
dem Purpur und Diadem, ſetzte ſich an des Koͤnigs Stelle und blickte ſtier vor ſich hin; die Eunuchen aber zerriſſen ihre Klei- der, ſie ſchlugen ſich Bruſt und Stirn und wehklagten uͤber das furchtbare Zeichen. Gerade jetzt kam der Koͤnig zuruͤck, er ſah mit Entſetzen den Menſchen im Koͤnigsſchmuck auf dem Thron; er befahl den Ungluͤcklichen zu fragen, wer er ſei, was er wolle? Der blieb regungslos ſitzen, ſah ſtier vor ſich hin; endlich ſprach er: „Ich heiße Dionyſius und bin von Meſſene; ich bin verklagt und in Ketten vom Strand hierher ge- bracht; jetzt hat der Gott Serapis mich erloͤſ’t und mir ge- boten, Purpur und Diadem zu nehmen und ſtill hier zu ſitzen.“ Er ward auf die Folter gebracht, er ſollte bekennen, ob er ver- brecheriſche Abſichten hege, ob er Genoſſenhabe; er aber blieb da- bei, es ſei ihm von dem Gott geheißen. Man erkannte, des Men- ſchen Verſtand war geſtoͤrt; die Wahrſager forderten ſeinen Tod38).
Es mochte im Mai des Jahres 323 ſein, die Stadt Ba- bylon war voll kriegeriſchen Lebens, die Taufende der neuen Truppen, voll Begier nach dem Feldzuge, in dem ſie ihre erſte Waffenprobe machen ſollten, uͤbten ſich, in der neuen Ordnung zu fechten; die Flotte die bereits unter Tau und Segel war, lief faſt taͤglich, unter ungeheurem Zulauf von Zuſchauern aus der Reſidenz, von ihrer Station aus, um ſich im Steuern und Rudern zu uͤben; der Koͤnig ſelbſt war meiſt zugegen und vertheilte an die Sieger im Steuern Lob und goldene Kraͤnze.39) Man wußte, daß dem- naͤchſt der Feldzug eroͤffnet werden wuͤrde; man glaubte, daß ſich an die Leichenfeier fuͤr Hephaͤſtion die uͤblichen Opfer und Gaſt- maͤhler anſchließen wuͤrden, bei denen der Koͤnig den Beginn der neuen Kriegsoperationen zu verkuͤnden pflegte.
Unzaͤhlige Fremde waren zu der Feier herbeigeſtroͤmt, unter dieſen namentlich viele Geſandtſchaften aus Griechenland, die in Folge der Beſchluͤſſe, dem Koͤnige goͤttliche Ehre zu erweiſen,
38)Arrian VII. 24 nach Ariſtobul, Diodor. XVII. 116. Plutarch. 74 mit einzelnen Abweichungen; dieſe Geſchichte begab ſich wenige Tage vor den Opfern, die das Ende des Mai ausfuͤllten.
39)Arrian VII. 23. 7.
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[579/0593]
dem Purpur und Diadem, ſetzte ſich an des Koͤnigs Stelle und
blickte ſtier vor ſich hin; die Eunuchen aber zerriſſen ihre Klei-
der, ſie ſchlugen ſich Bruſt und Stirn und wehklagten uͤber
das furchtbare Zeichen. Gerade jetzt kam der Koͤnig zuruͤck, er
ſah mit Entſetzen den Menſchen im Koͤnigsſchmuck auf dem
Thron; er befahl den Ungluͤcklichen zu fragen, wer er ſei, was
er wolle? Der blieb regungslos ſitzen, ſah ſtier vor ſich hin;
endlich ſprach er: „Ich heiße Dionyſius und bin von Meſſene;
ich bin verklagt und in Ketten vom Strand hierher ge-
bracht; jetzt hat der Gott Serapis mich erloͤſ’t und mir ge-
boten, Purpur und Diadem zu nehmen und ſtill hier zu ſitzen.“
Er ward auf die Folter gebracht, er ſollte bekennen, ob er ver-
brecheriſche Abſichten hege, ob er Genoſſenhabe; er aber blieb da-
bei, es ſei ihm von dem Gott geheißen. Man erkannte, des Men-
ſchen Verſtand war geſtoͤrt; die Wahrſager forderten ſeinen Tod 38).
Es mochte im Mai des Jahres 323 ſein, die Stadt Ba-
bylon war voll kriegeriſchen Lebens, die Taufende der neuen
Truppen, voll Begier nach dem Feldzuge, in dem ſie ihre erſte
Waffenprobe machen ſollten, uͤbten ſich, in der neuen Ordnung
zu fechten; die Flotte die bereits unter Tau und Segel war, lief faſt
taͤglich, unter ungeheurem Zulauf von Zuſchauern aus der Reſidenz,
von ihrer Station aus, um ſich im Steuern und Rudern zu uͤben;
der Koͤnig ſelbſt war meiſt zugegen und vertheilte an die Sieger
im Steuern Lob und goldene Kraͤnze. 39) Man wußte, daß dem-
naͤchſt der Feldzug eroͤffnet werden wuͤrde; man glaubte, daß ſich
an die Leichenfeier fuͤr Hephaͤſtion die uͤblichen Opfer und Gaſt-
maͤhler anſchließen wuͤrden, bei denen der Koͤnig den Beginn
der neuen Kriegsoperationen zu verkuͤnden pflegte.
Unzaͤhlige Fremde waren zu der Feier herbeigeſtroͤmt, unter
dieſen namentlich viele Geſandtſchaften aus Griechenland, die
in Folge der Beſchluͤſſe, dem Koͤnige goͤttliche Ehre zu erweiſen,
38) Arrian VII. 24 nach Ariſtobul, Diodor. XVII. 116. Plutarch.
74 mit einzelnen Abweichungen; dieſe Geſchichte begab ſich wenige
Tage vor den Opfern, die das Ende des Mai ausfuͤllten.
39) Arrian VII. 23. 7.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/593>, abgerufen am 22.11.2024.
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