mit Attalus zu versöhnen und das vorausgesandte Heer an sich zu ziehen, die Griechen gewähren zu lassen, bis der erste Rausch vorüber sei, die Barbaren durch Geschenke zu gewinnen, die Abtrünnigen durch Gnade zu entwaffnen. So hätte sich freilich Alexander in Macedonien recht fest setzen und ein glücklicher König seines Landes werden mögen, er hätte vielleicht einst denselben Einfluß über Grie- chenland und dieselbe Macht über die Barbaren, die sein Vater gehabt hatte, gewinnen, ja endlich wohl auch an einen Zug nach Asien denken können. Aber Alexanders Heldensinn verschmähte zu zögern und zu erschleichen, wo er handeln und entscheiden konnte; er wollte nicht wie sein Vater die Kraft der Jugend in kleinlichen Kämpfen vergeuden; es drängte ihn nach Osten. -- Das Gewirr der Gefahren ordnete sich in drei Massen, der Norden, Asien, Grie- chenland. Zog er gegen die Völker im Norden, so gewann Atta- lus Zeit, seine Macht zu verstärken und vielleicht nach Europa zu führen; das Bündniß der Griechischen Städte erstarkte und zwang den König, das als Treubruch und offene Empörung der Staaten bekämpfen zu müssen, was jetzt noch als Partheisache und als Einflüsterungen verbrecherischer und von Persischem Golde bestochener Demagogen bestraft werden konnte. Zog er gegen Grie- chenland, so konnte auch eine geringe Macht den Marsch durch die Pässe sperren und lange aufhalten, während Attalus durch nichts gehindert war, in seinem Rücken zu operiren und sich mit den auf- rührerischen Thraciern zu vereinen. Das Unstatthafteste war, gegen Attalus selbst zu ziehen; Griechenland wäre zu lange sich selbst überlassen gewesen, Macedonier gegen Macedonier zum Bürgerkriege geführt, in dem vielleicht Persische Satrapen den Ausschlag ge- geben hätten, endlich Attalus, der nur als Verbrecher angesehen werden mußte, als eine Macht behandelt worden, gegen die zu kämpfen den König in den Augen der Griechen und Perser er- niedrigt hätte. Demnach wurde Attalus als des Hochverrathes schuldig zum Tode verurtheilt; einer der Getreuen, Hekatäus, er- hielt den Befehl, an der Spitze eines ansehnlichen Corps nach Asien überzusetzen, sich mit den treuen Truppen Parmenions zu vereinigen, und Attalus lebend oder todt nach Macedonien einzu- bringen. Der König selbst beschloß, da von den Feinden im Nor- den schlimmsten Falls nicht mehr, als verwüstende Einfälle zu fürch-
mit Attalus zu verſöhnen und das vorausgeſandte Heer an ſich zu ziehen, die Griechen gewähren zu laſſen, bis der erſte Rauſch vorüber ſei, die Barbaren durch Geſchenke zu gewinnen, die Abtrünnigen durch Gnade zu entwaffnen. So hätte ſich freilich Alexander in Macedonien recht feſt ſetzen und ein glücklicher König ſeines Landes werden mögen, er hätte vielleicht einſt denſelben Einfluß über Grie- chenland und dieſelbe Macht über die Barbaren, die ſein Vater gehabt hatte, gewinnen, ja endlich wohl auch an einen Zug nach Aſien denken können. Aber Alexanders Heldenſinn verſchmähte zu zögern und zu erſchleichen, wo er handeln und entſcheiden konnte; er wollte nicht wie ſein Vater die Kraft der Jugend in kleinlichen Kämpfen vergeuden; es drängte ihn nach Oſten. — Das Gewirr der Gefahren ordnete ſich in drei Maſſen, der Norden, Aſien, Grie- chenland. Zog er gegen die Völker im Norden, ſo gewann Atta- lus Zeit, ſeine Macht zu verſtärken und vielleicht nach Europa zu führen; das Bündniß der Griechiſchen Städte erſtarkte und zwang den König, das als Treubruch und offene Empörung der Staaten bekämpfen zu müſſen, was jetzt noch als Partheiſache und als Einflüſterungen verbrecheriſcher und von Perſiſchem Golde beſtochener Demagogen beſtraft werden konnte. Zog er gegen Grie- chenland, ſo konnte auch eine geringe Macht den Marſch durch die Päſſe ſperren und lange aufhalten, während Attalus durch nichts gehindert war, in ſeinem Rücken zu operiren und ſich mit den auf- rühreriſchen Thraciern zu vereinen. Das Unſtatthafteſte war, gegen Attalus ſelbſt zu ziehen; Griechenland wäre zu lange ſich ſelbſt überlaſſen geweſen, Macedonier gegen Macedonier zum Bürgerkriege geführt, in dem vielleicht Perſiſche Satrapen den Ausſchlag ge- geben hätten, endlich Attalus, der nur als Verbrecher angeſehen werden mußte, als eine Macht behandelt worden, gegen die zu kämpfen den König in den Augen der Griechen und Perſer er- niedrigt hätte. Demnach wurde Attalus als des Hochverrathes ſchuldig zum Tode verurtheilt; einer der Getreuen, Hekatäus, er- hielt den Befehl, an der Spitze eines anſehnlichen Corps nach Aſien überzuſetzen, ſich mit den treuen Truppen Parmenions zu vereinigen, und Attalus lebend oder todt nach Macedonien einzu- bringen. Der König ſelbſt beſchloß, da von den Feinden im Nor- den ſchlimmſten Falls nicht mehr, als verwüſtende Einfälle zu fürch-
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[57/0071]
mit Attalus zu verſöhnen und das vorausgeſandte Heer an ſich zu
ziehen, die Griechen gewähren zu laſſen, bis der erſte Rauſch vorüber
ſei, die Barbaren durch Geſchenke zu gewinnen, die Abtrünnigen
durch Gnade zu entwaffnen. So hätte ſich freilich Alexander in
Macedonien recht feſt ſetzen und ein glücklicher König ſeines Landes
werden mögen, er hätte vielleicht einſt denſelben Einfluß über Grie-
chenland und dieſelbe Macht über die Barbaren, die ſein Vater
gehabt hatte, gewinnen, ja endlich wohl auch an einen Zug nach
Aſien denken können. Aber Alexanders Heldenſinn verſchmähte zu
zögern und zu erſchleichen, wo er handeln und entſcheiden konnte;
er wollte nicht wie ſein Vater die Kraft der Jugend in kleinlichen
Kämpfen vergeuden; es drängte ihn nach Oſten. — Das Gewirr
der Gefahren ordnete ſich in drei Maſſen, der Norden, Aſien, Grie-
chenland. Zog er gegen die Völker im Norden, ſo gewann Atta-
lus Zeit, ſeine Macht zu verſtärken und vielleicht nach Europa
zu führen; das Bündniß der Griechiſchen Städte erſtarkte und
zwang den König, das als Treubruch und offene Empörung der
Staaten bekämpfen zu müſſen, was jetzt noch als Partheiſache
und als Einflüſterungen verbrecheriſcher und von Perſiſchem Golde
beſtochener Demagogen beſtraft werden konnte. Zog er gegen Grie-
chenland, ſo konnte auch eine geringe Macht den Marſch durch die
Päſſe ſperren und lange aufhalten, während Attalus durch nichts
gehindert war, in ſeinem Rücken zu operiren und ſich mit den auf-
rühreriſchen Thraciern zu vereinen. Das Unſtatthafteſte war, gegen
Attalus ſelbſt zu ziehen; Griechenland wäre zu lange ſich ſelbſt
überlaſſen geweſen, Macedonier gegen Macedonier zum Bürgerkriege
geführt, in dem vielleicht Perſiſche Satrapen den Ausſchlag ge-
geben hätten, endlich Attalus, der nur als Verbrecher angeſehen
werden mußte, als eine Macht behandelt worden, gegen die zu
kämpfen den König in den Augen der Griechen und Perſer er-
niedrigt hätte. Demnach wurde Attalus als des Hochverrathes
ſchuldig zum Tode verurtheilt; einer der Getreuen, Hekatäus, er-
hielt den Befehl, an der Spitze eines anſehnlichen Corps nach
Aſien überzuſetzen, ſich mit den treuen Truppen Parmenions zu
vereinigen, und Attalus lebend oder todt nach Macedonien einzu-
bringen. Der König ſelbſt beſchloß, da von den Feinden im Nor-
den ſchlimmſten Falls nicht mehr, als verwüſtende Einfälle zu fürch-
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/71>, abgerufen am 23.11.2024.
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