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Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868.

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§. 39.

a) Die pragmatische Interpretation fasst den kritischen
Thatbestand, d. h. die in der Kritik festgestellten und geordneten
Reste und Auffassungen des einst wirklichen Sachverhaltes auf, um
nach dem in der Natur der Sache liegenden Causalnexus das äussere
Bild des einst wirklichen Sachverhaltes zu reconstruiren.

Bei reichlichem Material genügt das einfache demonstrative
Verfahren
.

Bei mangelhaftem Material führt die uns aus ähnlichen Fällen be-
kannte Natur der Sache zur Analogie, d. h. zu einer Gleichung zwi-
schen dem Bekannten und diesem x.

Die Analogie zwischen zwei x, so weit sie sich gegenseitig er-
gänzen, wird zum comparativen Verfahren.

Die Voraussetzung eines Zusammenhanges, in dem das fragmen-
tarisch Vorliegende sich als in die Curve dieses Zusammenhanges pas-
send zeigt und so durch Evidenz bestätigt, ist die Hypothese.

§. 40.

b) Die Interpretation der Bedingungen gründet sich darauf,
dass die Bedingungen ideell in dem einst wirklichen Sachverhalt,
der durch sie möglich wurde und so wurde, enthalten waren, und,
wie fragmentarisch immer, in dessen Resten und Auffassungen noch
sein werden.

(Wie z. E. die an sich unschöne Stellung des Borghesischen
Fechters die Raumbedingungen, für welche die Statue bestimmt war,
erkennen lässt.)

Die Bedingungen des Raumes erläutern sich aus der Geographie
(des Kriegstheaters, des Schlachtfeldes, der Thalbildungen Griechenlands,
der Marschen Norddeutschlands u. s. w.).

Die Bedingungen der Zeit zerlegen sich in den gewordenen
Zustand, in den die Thatsache eintrat, und in die Gleichzeitig-
keiten
, die mehr oder minder maassgebend mit einwirkten.

Eine dritte Reihe von Bedingungen sind die Mittel, materielle wie
moralische, mit denen der Sachverlauf ermöglicht und verwirklicht wurde.

In dem Bereich der materiellen Mittel liegt die Mannigfaltigkeit

§. 39.

a) Die pragmatische Interpretation fasst den kritischen
Thatbestand, d. h. die in der Kritik festgestellten und geordneten
Reste und Auffassungen des einst wirklichen Sachverhaltes auf, um
nach dem in der Natur der Sache liegenden Causalnexus das äussere
Bild des einst wirklichen Sachverhaltes zu reconstruiren.

Bei reichlichem Material genügt das einfache demonstrative
Verfahren
.

Bei mangelhaftem Material führt die uns aus ähnlichen Fällen be-
kannte Natur der Sache zur Analogie, d. h. zu einer Gleichung zwi-
schen dem Bekannten und diesem x.

Die Analogie zwischen zwei x, so weit sie sich gegenseitig er-
gänzen, wird zum comparativen Verfahren.

Die Voraussetzung eines Zusammenhanges, in dem das fragmen-
tarisch Vorliegende sich als in die Curve dieses Zusammenhanges pas-
send zeigt und so durch Evidenz bestätigt, ist die Hypothese.

§. 40.

b) Die Interpretation der Bedingungen gründet sich darauf,
dass die Bedingungen ideell in dem einst wirklichen Sachverhalt,
der durch sie möglich wurde und so wurde, enthalten waren, und,
wie fragmentarisch immer, in dessen Resten und Auffassungen noch
sein werden.

(Wie z. E. die an sich unschöne Stellung des Borghesischen
Fechters die Raumbedingungen, für welche die Statue bestimmt war,
erkennen lässt.)

Die Bedingungen des Raumes erläutern sich aus der Geographie
(des Kriegstheaters, des Schlachtfeldes, der Thalbildungen Griechenlands,
der Marschen Norddeutschlands u. s. w.).

Die Bedingungen der Zeit zerlegen sich in den gewordenen
Zustand, in den die Thatsache eintrat, und in die Gleichzeitig-
keiten
, die mehr oder minder maassgebend mit einwirkten.

Eine dritte Reihe von Bedingungen sind die Mittel, materielle wie
moralische, mit denen der Sachverlauf ermöglicht und verwirklicht wurde.

In dem Bereich der materiellen Mittel liegt die Mannigfaltigkeit

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[20/0029] §. 39. a) Die pragmatische Interpretation fasst den kritischen Thatbestand, d. h. die in der Kritik festgestellten und geordneten Reste und Auffassungen des einst wirklichen Sachverhaltes auf, um nach dem in der Natur der Sache liegenden Causalnexus das äussere Bild des einst wirklichen Sachverhaltes zu reconstruiren. Bei reichlichem Material genügt das einfache demonstrative Verfahren. Bei mangelhaftem Material führt die uns aus ähnlichen Fällen be- kannte Natur der Sache zur Analogie, d. h. zu einer Gleichung zwi- schen dem Bekannten und diesem x. Die Analogie zwischen zwei x, so weit sie sich gegenseitig er- gänzen, wird zum comparativen Verfahren. Die Voraussetzung eines Zusammenhanges, in dem das fragmen- tarisch Vorliegende sich als in die Curve dieses Zusammenhanges pas- send zeigt und so durch Evidenz bestätigt, ist die Hypothese. §. 40. b) Die Interpretation der Bedingungen gründet sich darauf, dass die Bedingungen ideell in dem einst wirklichen Sachverhalt, der durch sie möglich wurde und so wurde, enthalten waren, und, wie fragmentarisch immer, in dessen Resten und Auffassungen noch sein werden. (Wie z. E. die an sich unschöne Stellung des Borghesischen Fechters die Raumbedingungen, für welche die Statue bestimmt war, erkennen lässt.) Die Bedingungen des Raumes erläutern sich aus der Geographie (des Kriegstheaters, des Schlachtfeldes, der Thalbildungen Griechenlands, der Marschen Norddeutschlands u. s. w.). Die Bedingungen der Zeit zerlegen sich in den gewordenen Zustand, in den die Thatsache eintrat, und in die Gleichzeitig- keiten, die mehr oder minder maassgebend mit einwirkten. Eine dritte Reihe von Bedingungen sind die Mittel, materielle wie moralische, mit denen der Sachverlauf ermöglicht und verwirklicht wurde. In dem Bereich der materiellen Mittel liegt die Mannigfaltigkeit

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_historik_1868/29>, abgerufen am 24.11.2024.