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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Gemischte Zusammensetzung des Regenwaldes.
rum braucht nach Swinburn-Ward zum Reifen ihrer
"Doppelcocosnüsse", der grössten Baumfrucht der Welt,
10 Jahre; von vielen anderen Arten sind noch nie sichere
Beobachtungen über diesen interessanten biologischen
Charakter gewonnen. Hinsichtlich der Fruchtgrösse selbst
braucht nur an den Kakaobaum, an die wie Kanonen-
kugeln aus grosser Höhe herabsausenden Behälter der
Paranüsse (Bertholletia excelsa), an Lecythis ollaria, an
die Klappenfrüchte der Bignoniaceen, an andere grosse
Palmen etc. erinnert zu werden.

Hinsichtlich der Blütenstellung ist noch eine besondere, über
die tropischen Regenwälder nur wenig hinaus verbreitete, seltner
vorkommende Eigentümlichkeit die, dass manche Arten am Stamme
selbst oder am alten Holz der Zweige Blütentriebe entwickeln,
welche sonst an den jungen, beblätterten Trieben hervorzubrechen
pflegen. Der Kakaobaum liefert dafür in seinen vielfältig ver-
breiteten Abbildungen das beste Beispiel, aber nicht wenige Sa-
potaceen, Myrtaceen, Urticaceen, Melastomaceen, Ficus 1) etc. zeigen
dieselbe Eigenschaft. Sie ist von Esser in den Verhandl. des
naturh. Vereins der Rheinlande und Westfalen, Jahrg. 44, S. 69,
zum Gegenstande einer botanischen Studie gemacht, wofür das
tropische Material nur spärlich vorlag.

Hinsichtlich der systematisch-floristischen Zusammen-
setzung ist die ausserordentliche Mannigfaltigkeit schon
als erster gemeinsamer Charakter der Tropenwaldungen
hervorgehoben; diese erschwert die Uebersichtlichkeit so
sehr, dass man wohl Listen aller Baumarten, welche
überhaupt zum tropischen Regenwalde in diesem oder
jenem Lande zusammentreten, besitzt, dass aber eine
Wertabschätzung nach Häufigkeit der Individuen einer
Art oder Gattung kaum gemacht ist. "Wenn der Reisende
eine bestimmte Art sich merkt und mehr Exemplare von
ihr zu sehen wünscht," gibt Wallace an, "so mag er
oft vergeblich danach Umschau halten; Bäume der
verschiedensten Grösse, Gestalt und Färbung umgeben
ihn, aber er sieht selten einen Gegenstand sich wieder-

1) Ein wundervolles, frappierendes Bild dieser Gattung mit
dicht über der Erde in riesigen Klumpen gehäuften Fruchtständen
veröffentlicht jüngst Dr. King aus dem botanischen Garten zu Cal-
cutta von Ficus Roxburghii.

Gemischte Zusammensetzung des Regenwaldes.
rum braucht nach Swinburn-Ward zum Reifen ihrer
„Doppelcocosnüsse“, der grössten Baumfrucht der Welt,
10 Jahre; von vielen anderen Arten sind noch nie sichere
Beobachtungen über diesen interessanten biologischen
Charakter gewonnen. Hinsichtlich der Fruchtgrösse selbst
braucht nur an den Kakaobaum, an die wie Kanonen-
kugeln aus grosser Höhe herabsausenden Behälter der
Paranüsse (Bertholletia excelsa), an Lecythis ollaria, an
die Klappenfrüchte der Bignoniaceen, an andere grosse
Palmen etc. erinnert zu werden.

Hinsichtlich der Blütenstellung ist noch eine besondere, über
die tropischen Regenwälder nur wenig hinaus verbreitete, seltner
vorkommende Eigentümlichkeit die, dass manche Arten am Stamme
selbst oder am alten Holz der Zweige Blütentriebe entwickeln,
welche sonst an den jungen, beblätterten Trieben hervorzubrechen
pflegen. Der Kakaobaum liefert dafür in seinen vielfältig ver-
breiteten Abbildungen das beste Beispiel, aber nicht wenige Sa-
potaceen, Myrtaceen, Urticaceen, Melastomaceen, Ficus 1) etc. zeigen
dieselbe Eigenschaft. Sie ist von Esser in den Verhandl. des
naturh. Vereins der Rheinlande und Westfalen, Jahrg. 44, S. 69,
zum Gegenstande einer botanischen Studie gemacht, wofür das
tropische Material nur spärlich vorlag.

Hinsichtlich der systematisch-floristischen Zusammen-
setzung ist die ausserordentliche Mannigfaltigkeit schon
als erster gemeinsamer Charakter der Tropenwaldungen
hervorgehoben; diese erschwert die Uebersichtlichkeit so
sehr, dass man wohl Listen aller Baumarten, welche
überhaupt zum tropischen Regenwalde in diesem oder
jenem Lande zusammentreten, besitzt, dass aber eine
Wertabschätzung nach Häufigkeit der Individuen einer
Art oder Gattung kaum gemacht ist. „Wenn der Reisende
eine bestimmte Art sich merkt und mehr Exemplare von
ihr zu sehen wünscht,“ gibt Wallace an, „so mag er
oft vergeblich danach Umschau halten; Bäume der
verschiedensten Grösse, Gestalt und Färbung umgeben
ihn, aber er sieht selten einen Gegenstand sich wieder-

1) Ein wundervolles, frappierendes Bild dieser Gattung mit
dicht über der Erde in riesigen Klumpen gehäuften Fruchtständen
veröffentlicht jüngst Dr. King aus dem botanischen Garten zu Cal-
cutta von Ficus Roxburghii.
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[247/0277] Gemischte Zusammensetzung des Regenwaldes. rum braucht nach Swinburn-Ward zum Reifen ihrer „Doppelcocosnüsse“, der grössten Baumfrucht der Welt, 10 Jahre; von vielen anderen Arten sind noch nie sichere Beobachtungen über diesen interessanten biologischen Charakter gewonnen. Hinsichtlich der Fruchtgrösse selbst braucht nur an den Kakaobaum, an die wie Kanonen- kugeln aus grosser Höhe herabsausenden Behälter der Paranüsse (Bertholletia excelsa), an Lecythis ollaria, an die Klappenfrüchte der Bignoniaceen, an andere grosse Palmen etc. erinnert zu werden. Hinsichtlich der Blütenstellung ist noch eine besondere, über die tropischen Regenwälder nur wenig hinaus verbreitete, seltner vorkommende Eigentümlichkeit die, dass manche Arten am Stamme selbst oder am alten Holz der Zweige Blütentriebe entwickeln, welche sonst an den jungen, beblätterten Trieben hervorzubrechen pflegen. Der Kakaobaum liefert dafür in seinen vielfältig ver- breiteten Abbildungen das beste Beispiel, aber nicht wenige Sa- potaceen, Myrtaceen, Urticaceen, Melastomaceen, Ficus 1) etc. zeigen dieselbe Eigenschaft. Sie ist von Esser in den Verhandl. des naturh. Vereins der Rheinlande und Westfalen, Jahrg. 44, S. 69, zum Gegenstande einer botanischen Studie gemacht, wofür das tropische Material nur spärlich vorlag. Hinsichtlich der systematisch-floristischen Zusammen- setzung ist die ausserordentliche Mannigfaltigkeit schon als erster gemeinsamer Charakter der Tropenwaldungen hervorgehoben; diese erschwert die Uebersichtlichkeit so sehr, dass man wohl Listen aller Baumarten, welche überhaupt zum tropischen Regenwalde in diesem oder jenem Lande zusammentreten, besitzt, dass aber eine Wertabschätzung nach Häufigkeit der Individuen einer Art oder Gattung kaum gemacht ist. „Wenn der Reisende eine bestimmte Art sich merkt und mehr Exemplare von ihr zu sehen wünscht,“ gibt Wallace an, „so mag er oft vergeblich danach Umschau halten; Bäume der verschiedensten Grösse, Gestalt und Färbung umgeben ihn, aber er sieht selten einen Gegenstand sich wieder- 1) Ein wundervolles, frappierendes Bild dieser Gattung mit dicht über der Erde in riesigen Klumpen gehäuften Fruchtständen veröffentlicht jüngst Dr. King aus dem botanischen Garten zu Cal- cutta von Ficus Roxburghii.

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/277>, abgerufen am 22.11.2024.