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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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21. Antarktische Inseln.
georgien überein. Der Verwandtschaft nach gehört auch
diese Flora entschieden zu der neuseeländisch-antarkti-
schen, besitzt aber in der Umbellifere Azorella Selago
eine mit Kerguelen und gleichzeitig dem Feuerlande ge-
meinsame, der Neuseelandgruppe sonst fehlende Cha-
rakterart. --

In dem Meridian dieser antarktischen Inseln liegt
zwischen 70° und 80° S. das ferne Viktoria-Land,
aber es erscheint als eine vegetationslose Eiswüste, trotz
der berühmten feuerspeienden Berge und der durch sie
in weitem Umkreis erzeugten Wärme. Doch daran ist
wohl kaum zu zweifeln, dass bei einer künftigen Landung
wenigstens Flechten und wohl ebenso wahrscheinlich Moose
aufzufinden sein werden, selbst wenn die Meinung der
ersten Entdecker in Bezug auf das gänzliche Fehlen der
Blütenpflanzen zu Recht bestehen bleiben wird.

3. Gruppe. Die Insel Neu-Amsterdam unter
38° S. zählt unter 16 Blütenpflanzen 4 endemische Arten,
die Insel St. Paul unter 39° S. von 10 Blütenpflanzen
3 endemische Arten (stets nach Abzug eingeführter euro-
päischer Unkräuter). Amsterdam aber besitzt allein einen
Buschwald, gebildet von Phylica arborea, einer von Tristan
d'Acunha durch die Meeresströmungen herübergetragenen,
sonst auf dieser südafrikanischen Insel endemischen Rham-
nacee aus einer südafrikanischen Gattung. Das Problem
dieser Einwanderung von einer um fast genau 90 Längen-
grade entfernten ozeanischen Insel hat die Pflanzengeographie
nach Hookers Veröffentlichung 1874 lange beschäftigt und
ist wegen seiner auf die einheitliche Artentstehung und
Wanderungsmöglichkeit bezüglichen Bedeutung sehr wert-
voll. Denn auch eine zweite häufige Formationsart,
Spartina arundinacea, ist auf Tristan d'Acunha einheimisch.
Dieses Gras ist auch nach St. Paul gelangt, wo es mit
Poa Novarae und Scirpus nodosus die Rasenformationen
bildet; 4 Farne und 1 Lycopodium vervollständigen die
geringe Zahl der 15 Gefässpflanzen.

Nach diesen Anführungen gehört die Flora dieser beiden
Inseln nicht zum Charakter des antarktischen Florenreichs, und
sie sind auch nur wegen ihrer geographischen Lage in diesem

21. Antarktische Inseln.
georgien überein. Der Verwandtschaft nach gehört auch
diese Flora entschieden zu der neuseeländisch-antarkti-
schen, besitzt aber in der Umbellifere Azorella Selago
eine mit Kerguelen und gleichzeitig dem Feuerlande ge-
meinsame, der Neuseelandgruppe sonst fehlende Cha-
rakterart. —

In dem Meridian dieser antarktischen Inseln liegt
zwischen 70° und 80° S. das ferne Viktoria-Land,
aber es erscheint als eine vegetationslose Eiswüste, trotz
der berühmten feuerspeienden Berge und der durch sie
in weitem Umkreis erzeugten Wärme. Doch daran ist
wohl kaum zu zweifeln, dass bei einer künftigen Landung
wenigstens Flechten und wohl ebenso wahrscheinlich Moose
aufzufinden sein werden, selbst wenn die Meinung der
ersten Entdecker in Bezug auf das gänzliche Fehlen der
Blütenpflanzen zu Recht bestehen bleiben wird.

3. Gruppe. Die Insel Neu-Amsterdam unter
38° S. zählt unter 16 Blütenpflanzen 4 endemische Arten,
die Insel St. Paul unter 39° S. von 10 Blütenpflanzen
3 endemische Arten (stets nach Abzug eingeführter euro-
päischer Unkräuter). Amsterdam aber besitzt allein einen
Buschwald, gebildet von Phylica arborea, einer von Tristan
d’Acunha durch die Meeresströmungen herübergetragenen,
sonst auf dieser südafrikanischen Insel endemischen Rham-
nacee aus einer südafrikanischen Gattung. Das Problem
dieser Einwanderung von einer um fast genau 90 Längen-
grade entfernten ozeanischen Insel hat die Pflanzengeographie
nach Hookers Veröffentlichung 1874 lange beschäftigt und
ist wegen seiner auf die einheitliche Artentstehung und
Wanderungsmöglichkeit bezüglichen Bedeutung sehr wert-
voll. Denn auch eine zweite häufige Formationsart,
Spartina arundinacea, ist auf Tristan d’Acunha einheimisch.
Dieses Gras ist auch nach St. Paul gelangt, wo es mit
Poa Novarae und Scirpus nodosus die Rasenformationen
bildet; 4 Farne und 1 Lycopodium vervollständigen die
geringe Zahl der 15 Gefässpflanzen.

Nach diesen Anführungen gehört die Flora dieser beiden
Inseln nicht zum Charakter des antarktischen Florenreichs, und
sie sind auch nur wegen ihrer geographischen Lage in diesem

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[544/0576] 21. Antarktische Inseln. georgien überein. Der Verwandtschaft nach gehört auch diese Flora entschieden zu der neuseeländisch-antarkti- schen, besitzt aber in der Umbellifere Azorella Selago eine mit Kerguelen und gleichzeitig dem Feuerlande ge- meinsame, der Neuseelandgruppe sonst fehlende Cha- rakterart. — In dem Meridian dieser antarktischen Inseln liegt zwischen 70° und 80° S. das ferne Viktoria-Land, aber es erscheint als eine vegetationslose Eiswüste, trotz der berühmten feuerspeienden Berge und der durch sie in weitem Umkreis erzeugten Wärme. Doch daran ist wohl kaum zu zweifeln, dass bei einer künftigen Landung wenigstens Flechten und wohl ebenso wahrscheinlich Moose aufzufinden sein werden, selbst wenn die Meinung der ersten Entdecker in Bezug auf das gänzliche Fehlen der Blütenpflanzen zu Recht bestehen bleiben wird. 3. Gruppe. Die Insel Neu-Amsterdam unter 38° S. zählt unter 16 Blütenpflanzen 4 endemische Arten, die Insel St. Paul unter 39° S. von 10 Blütenpflanzen 3 endemische Arten (stets nach Abzug eingeführter euro- päischer Unkräuter). Amsterdam aber besitzt allein einen Buschwald, gebildet von Phylica arborea, einer von Tristan d’Acunha durch die Meeresströmungen herübergetragenen, sonst auf dieser südafrikanischen Insel endemischen Rham- nacee aus einer südafrikanischen Gattung. Das Problem dieser Einwanderung von einer um fast genau 90 Längen- grade entfernten ozeanischen Insel hat die Pflanzengeographie nach Hookers Veröffentlichung 1874 lange beschäftigt und ist wegen seiner auf die einheitliche Artentstehung und Wanderungsmöglichkeit bezüglichen Bedeutung sehr wert- voll. Denn auch eine zweite häufige Formationsart, Spartina arundinacea, ist auf Tristan d’Acunha einheimisch. Dieses Gras ist auch nach St. Paul gelangt, wo es mit Poa Novarae und Scirpus nodosus die Rasenformationen bildet; 4 Farne und 1 Lycopodium vervollständigen die geringe Zahl der 15 Gefässpflanzen. Nach diesen Anführungen gehört die Flora dieser beiden Inseln nicht zum Charakter des antarktischen Florenreichs, und sie sind auch nur wegen ihrer geographischen Lage in diesem

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/576>, abgerufen am 24.11.2024.