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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Zusammenwirkende Ursachen.
zeit vorschnell damit beginnenden Bäumen in Dekhan
u. s. w. Während wir auf die charakteristischen Einzel-
erscheinungen selbst unter den einzelnen Ländern (s. Ab-
teilung 6) einzugehen haben werden, ist hier die theo-
retische Betrachtung der Grundlagen der Phänologie,
des Zusammenhanges dieser Beobachtungen mit dem
Klima, am rechten Ort, um so mehr, als die Klimato-
logie selbst daran reges Interesse nimmt (siehe Hann,
Klimatologie S. 52--54).

Es hat von jeher nicht an Versuchen gefehlt, die
Beziehungen zwischen phänologischen Erscheinungen und
Klima auf Gesetzmässigkeiten in letzterem zurückzuführen,
welche ja in irgend einer Form versteckt liegen müssen.
Thatsache ist, dass man zu bestimmten Zeiten in jedem
Lande auf eine bestimmte Physiognomie der Vegetations-
decke rechnen kann, und zu denselben Zeiten ebenso auf
ein bestimmtes Klima. Nun kennt man die Beziehungen
der Vegetation zur Temperatur im allgemeinen seit lange,
und da lag es nahe, einen parallelen Gang beider für
möglich zu halten. Zuvor sei aber von neuem hervor-
gehoben, dass Licht, Wärme und Feuchtigkeit zu-
sammen
das Pflanzenleben in seiner Vegetationsperiode
bestimmen, dass wir aber kaum im stande sind, die Kraft
dieser Faktoren einzeln gegenseitig abzuwägen. Wir
nehmen an, dass die Temperaturerhöhung im Frühjahr
unsere Bäume zum Austreiben bringt, und physiologisch
scheint gegen diese Annahme nichts vorzuliegen; aber
das hat man schon längst in Erfahrung gebracht, dass
es nicht die Temperaturen allein bewirken, sondern eine
inhärente Rhythmik der Bäume, welche sich mit dem durch-
schnittlichen Klima in Ausgleich gesetzt hat. Ist aber
erst einmal der erste Schritt gethan, sind die ersten Blatt-
knospen entfaltet, so sind mindestens von dem Augen-
blick an gleichzeitig die innigsten Beziehungen zwischen
Baumleben und Lichtwirkung, Feuchtigkeit, neben den
früheren der Wärme vorhanden. Schon Alphons de Can-
dolle spricht in dieser Hinsicht die Meinung aus (Geogr.
bot.
S. 45), dass der Anfangspunkt der wiederbeginnen-
den Vegetation (in unserem Klima) gleichsam der Null-

Zusammenwirkende Ursachen.
zeit vorschnell damit beginnenden Bäumen in Dekhan
u. s. w. Während wir auf die charakteristischen Einzel-
erscheinungen selbst unter den einzelnen Ländern (s. Ab-
teilung 6) einzugehen haben werden, ist hier die theo-
retische Betrachtung der Grundlagen der Phänologie,
des Zusammenhanges dieser Beobachtungen mit dem
Klima, am rechten Ort, um so mehr, als die Klimato-
logie selbst daran reges Interesse nimmt (siehe Hann,
Klimatologie S. 52—54).

Es hat von jeher nicht an Versuchen gefehlt, die
Beziehungen zwischen phänologischen Erscheinungen und
Klima auf Gesetzmässigkeiten in letzterem zurückzuführen,
welche ja in irgend einer Form versteckt liegen müssen.
Thatsache ist, dass man zu bestimmten Zeiten in jedem
Lande auf eine bestimmte Physiognomie der Vegetations-
decke rechnen kann, und zu denselben Zeiten ebenso auf
ein bestimmtes Klima. Nun kennt man die Beziehungen
der Vegetation zur Temperatur im allgemeinen seit lange,
und da lag es nahe, einen parallelen Gang beider für
möglich zu halten. Zuvor sei aber von neuem hervor-
gehoben, dass Licht, Wärme und Feuchtigkeit zu-
sammen
das Pflanzenleben in seiner Vegetationsperiode
bestimmen, dass wir aber kaum im stande sind, die Kraft
dieser Faktoren einzeln gegenseitig abzuwägen. Wir
nehmen an, dass die Temperaturerhöhung im Frühjahr
unsere Bäume zum Austreiben bringt, und physiologisch
scheint gegen diese Annahme nichts vorzuliegen; aber
das hat man schon längst in Erfahrung gebracht, dass
es nicht die Temperaturen allein bewirken, sondern eine
inhärente Rhythmik der Bäume, welche sich mit dem durch-
schnittlichen Klima in Ausgleich gesetzt hat. Ist aber
erst einmal der erste Schritt gethan, sind die ersten Blatt-
knospen entfaltet, so sind mindestens von dem Augen-
blick an gleichzeitig die innigsten Beziehungen zwischen
Baumleben und Lichtwirkung, Feuchtigkeit, neben den
früheren der Wärme vorhanden. Schon Alphons de Can-
dolle spricht in dieser Hinsicht die Meinung aus (Géogr.
bot.
S. 45), dass der Anfangspunkt der wiederbeginnen-
den Vegetation (in unserem Klima) gleichsam der Null-

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[37/0059] Zusammenwirkende Ursachen. zeit vorschnell damit beginnenden Bäumen in Dekhan u. s. w. Während wir auf die charakteristischen Einzel- erscheinungen selbst unter den einzelnen Ländern (s. Ab- teilung 6) einzugehen haben werden, ist hier die theo- retische Betrachtung der Grundlagen der Phänologie, des Zusammenhanges dieser Beobachtungen mit dem Klima, am rechten Ort, um so mehr, als die Klimato- logie selbst daran reges Interesse nimmt (siehe Hann, Klimatologie S. 52—54). Es hat von jeher nicht an Versuchen gefehlt, die Beziehungen zwischen phänologischen Erscheinungen und Klima auf Gesetzmässigkeiten in letzterem zurückzuführen, welche ja in irgend einer Form versteckt liegen müssen. Thatsache ist, dass man zu bestimmten Zeiten in jedem Lande auf eine bestimmte Physiognomie der Vegetations- decke rechnen kann, und zu denselben Zeiten ebenso auf ein bestimmtes Klima. Nun kennt man die Beziehungen der Vegetation zur Temperatur im allgemeinen seit lange, und da lag es nahe, einen parallelen Gang beider für möglich zu halten. Zuvor sei aber von neuem hervor- gehoben, dass Licht, Wärme und Feuchtigkeit zu- sammen das Pflanzenleben in seiner Vegetationsperiode bestimmen, dass wir aber kaum im stande sind, die Kraft dieser Faktoren einzeln gegenseitig abzuwägen. Wir nehmen an, dass die Temperaturerhöhung im Frühjahr unsere Bäume zum Austreiben bringt, und physiologisch scheint gegen diese Annahme nichts vorzuliegen; aber das hat man schon längst in Erfahrung gebracht, dass es nicht die Temperaturen allein bewirken, sondern eine inhärente Rhythmik der Bäume, welche sich mit dem durch- schnittlichen Klima in Ausgleich gesetzt hat. Ist aber erst einmal der erste Schritt gethan, sind die ersten Blatt- knospen entfaltet, so sind mindestens von dem Augen- blick an gleichzeitig die innigsten Beziehungen zwischen Baumleben und Lichtwirkung, Feuchtigkeit, neben den früheren der Wärme vorhanden. Schon Alphons de Can- dolle spricht in dieser Hinsicht die Meinung aus (Géogr. bot. S. 45), dass der Anfangspunkt der wiederbeginnen- den Vegetation (in unserem Klima) gleichsam der Null-

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/59>, abgerufen am 21.11.2024.