Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.stehen bleiben, und nur der hat im Grunde ein volles Recht Wie wird dies Höhere und Vollkommenere aber beschaffen Jn den Augen der Meisten dürfte in unserer -- im Gegen die erstere Bemerkung, daß es nämlich jedem Gebil- ſtehen bleiben, und nur der hat im Grunde ein volles Recht Wie wird dies Höhere und Vollkommenere aber beſchaffen Jn den Augen der Meiſten dürfte in unſerer — im Gegen die erſtere Bemerkung, daß es nämlich jedem Gebil- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0011" n="2"/> ſtehen bleiben, und nur der hat im Grunde ein volles Recht<lb/> Freigeiſt zu ſein, der, nachdem er den Aberglauben abge-<lb/> ſtreift, nach einem neuen und zuverläſſigeren Gegenſtand<lb/> ſeines höchſten Vertrauens und Strebens ſucht, der Gemüth<lb/> und Verſtand in gleichem Maße befriedigt. Es muß ein<lb/> Höheres und Vollkommeneres an Stelle der Religion treten.</p><lb/> <p>Wie wird dies Höhere und Vollkommenere aber beſchaffen<lb/> ſein müſſen? Wird es da verſchiedene Erſatzmittel geben<lb/> oder nur ein einziges, welches dieſe Bezeichnung voll ver-<lb/> dient? Und wenn es nur ein einziges geben ſollte, wird<lb/> daſſelbe im Stande ſein, zunächſt bei den vorgeſchrittenſten<lb/> Nationen eine Alle umſpannende und verbindende Macht<lb/> gleich der Religion zu werden, wird es Volk und Gebildete<lb/> mit einander vereinen können?</p><lb/> <p>Jn den Augen der Meiſten dürfte in unſerer — im<lb/> üblen Sinne des Wortes — atheiſtiſchen Zeit wohl nichts<lb/> überflüſſiger und unzeitgemäßer ſein, als derartige Fragen<lb/> aufzuwerfen und ihnen ſein Nachdenken zu widmen. Die<lb/> Mehrzahl derjenigen aber, welche dieſe Angelegenheit nicht<lb/> für abſolut bedeutungslos halten, wird die oben geſtellten<lb/> Fragen gewiß in der Weiſe beantworten, daß der Gebildete<lb/> immerhin eines Religionserſatzes bedürfen mag, daß es aber<lb/> jedem ſelbſt überlaſſen werden muß, ſich einen ſolchen<lb/> zu wählen oder zu ſchaffen. Was aber die Menge, bei den<lb/> erſten Culturvölkern ſelbſt, betrifft, ſo hält man dieſelbe wohl<lb/> eher für fähig, einem neuen Aberglauben zum Opfer zu<lb/> fallen, als eine auf einer mit den Thatſachen übereinſtim-<lb/> menden Weltanſchauung begründete Lehre in Fleiſch und Blut<lb/> zu verwandeln.</p><lb/> <p>Gegen die erſtere Bemerkung, daß es nämlich jedem Gebil-<lb/> deten ſelbſt überlaſſen bleiben ſollte, ſich einen Religionserſatz zu<lb/> wählen oder zu ſchaffen, läßt ſich einwenden: die Religion<lb/> bringt in ihren höchſten Manifeſtationen Jdeen zum Ausdruck,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [2/0011]
ſtehen bleiben, und nur der hat im Grunde ein volles Recht
Freigeiſt zu ſein, der, nachdem er den Aberglauben abge-
ſtreift, nach einem neuen und zuverläſſigeren Gegenſtand
ſeines höchſten Vertrauens und Strebens ſucht, der Gemüth
und Verſtand in gleichem Maße befriedigt. Es muß ein
Höheres und Vollkommeneres an Stelle der Religion treten.
Wie wird dies Höhere und Vollkommenere aber beſchaffen
ſein müſſen? Wird es da verſchiedene Erſatzmittel geben
oder nur ein einziges, welches dieſe Bezeichnung voll ver-
dient? Und wenn es nur ein einziges geben ſollte, wird
daſſelbe im Stande ſein, zunächſt bei den vorgeſchrittenſten
Nationen eine Alle umſpannende und verbindende Macht
gleich der Religion zu werden, wird es Volk und Gebildete
mit einander vereinen können?
Jn den Augen der Meiſten dürfte in unſerer — im
üblen Sinne des Wortes — atheiſtiſchen Zeit wohl nichts
überflüſſiger und unzeitgemäßer ſein, als derartige Fragen
aufzuwerfen und ihnen ſein Nachdenken zu widmen. Die
Mehrzahl derjenigen aber, welche dieſe Angelegenheit nicht
für abſolut bedeutungslos halten, wird die oben geſtellten
Fragen gewiß in der Weiſe beantworten, daß der Gebildete
immerhin eines Religionserſatzes bedürfen mag, daß es aber
jedem ſelbſt überlaſſen werden muß, ſich einen ſolchen
zu wählen oder zu ſchaffen. Was aber die Menge, bei den
erſten Culturvölkern ſelbſt, betrifft, ſo hält man dieſelbe wohl
eher für fähig, einem neuen Aberglauben zum Opfer zu
fallen, als eine auf einer mit den Thatſachen übereinſtim-
menden Weltanſchauung begründete Lehre in Fleiſch und Blut
zu verwandeln.
Gegen die erſtere Bemerkung, daß es nämlich jedem Gebil-
deten ſelbſt überlaſſen bleiben ſollte, ſich einen Religionserſatz zu
wählen oder zu ſchaffen, läßt ſich einwenden: die Religion
bringt in ihren höchſten Manifeſtationen Jdeen zum Ausdruck,
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