Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.und Gesellschaft vollkommen schief faßt, ja den eigentlichen Als Nietzsche die Schrift über Schopenhauer fchrieb, Bald darauf vollzog sich in ihm eine völlige Ablösung *)
Man bringe folgende Stellen in Zusammenhang: p. 92: "Ein und Geſellſchaft vollkommen ſchief faßt, ja den eigentlichen Als Nietzſche die Schrift über Schopenhauer fchrieb, Bald darauf vollzog ſich in ihm eine völlige Ablöſung *)
Man bringe folgende Stellen in Zuſammenhang: p. 92: „Ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0059" n="50"/> und Geſellſchaft vollkommen ſchief faßt, ja den eigentlichen<lb/> Sachverhalt völlig umkehrt. Wie ſich Nietzſche endlich die<lb/> Förderung der Wiedergeburt des Genius durch die Geſell-<lb/> ſchaft vorſtellt, iſt uns ganz unerfindlich. An dem Gedanken,<lb/> daß es der Natur nur auf den „heroiſchen Menſchen“ an-<lb/> komme, hat Nietzſche bis jetzt immer feſtgehalten.</p><lb/> <p>Als Nietzſche die Schrift über Schopenhauer fchrieb,<lb/> hielt er ſich ſelbſt noch für keinen Philoſophen, noch glaubte<lb/> er jemals einer zu werden, wie er ganz offen felbſt einge-<lb/> ſtand<note place="foot" n="*)"><cit><quote>Man bringe folgende Stellen in Zuſammenhang: <hi rendition="#aq">p.</hi> 92: „Ein<lb/> Gelehrter kann nie ein Philoſoph werden“ und <hi rendition="#aq">p.</hi> 97: „Aber ſchon<lb/> Kant war, wie wir Gelehrte zu ſein pflegen, rückſichtsvoll und unter-<lb/> würfig.“</quote></cit></note>; er war damals nur ein enthuſiaſtiſcher Anhänger<lb/> Schopenhauer’s.</p><lb/> <p>Bald darauf vollzog ſich in ihm eine völlige Ablöſung<lb/> von ſeinem alten Meiſter. Nietzſche war des unbedingten<lb/> Anbetens müde geworden, ſein Selbſtgefühl war gewachſen<lb/> und es iſt kein Zweifel, daß er in „Menſchliches Allzu-<lb/> menſchliches“ einen bedeutungsſchweren, ſelbſtändigen Ge-<lb/> danken ausgeſprochen zu haben meinte. Nietzſche war näm-<lb/> lich zur ſchmerzlichen Ueberzeugung gelangt, daß wir in all<lb/> unſeren Handlungen durch Motive determinirt ſeien und er<lb/> zog, wie dies gewöhnlich der Fall iſt, daraus den grund-<lb/> falſchen Schluß, daß es keinen Unterſchied zwiſchen gut und<lb/> böſe, daß es alſo weder moraliſche noch unmoraliſche Handlungen<lb/> gebe, daß die Tugend keine Bewunderung verdiene, daß es ein<lb/> logiſcher Jrrthum ſei, ſich über das Laſter zu erzürnen und den<lb/> Verbrecher zu beſtrafen. Bei dieſer Erkenntniß konnte Nietzſche<lb/> ſich jedoch nicht beruhigen, bis ein tröſtlicher Gedanke ihm zu Hülfe<lb/> kam. „Dafür aber gibt es einen Troſt“, leſen wir zum<lb/> Schluſſe des Kapitels „Zur Geſchichte der moraliſchen Em-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [50/0059]
und Geſellſchaft vollkommen ſchief faßt, ja den eigentlichen
Sachverhalt völlig umkehrt. Wie ſich Nietzſche endlich die
Förderung der Wiedergeburt des Genius durch die Geſell-
ſchaft vorſtellt, iſt uns ganz unerfindlich. An dem Gedanken,
daß es der Natur nur auf den „heroiſchen Menſchen“ an-
komme, hat Nietzſche bis jetzt immer feſtgehalten.
Als Nietzſche die Schrift über Schopenhauer fchrieb,
hielt er ſich ſelbſt noch für keinen Philoſophen, noch glaubte
er jemals einer zu werden, wie er ganz offen felbſt einge-
ſtand *); er war damals nur ein enthuſiaſtiſcher Anhänger
Schopenhauer’s.
Bald darauf vollzog ſich in ihm eine völlige Ablöſung
von ſeinem alten Meiſter. Nietzſche war des unbedingten
Anbetens müde geworden, ſein Selbſtgefühl war gewachſen
und es iſt kein Zweifel, daß er in „Menſchliches Allzu-
menſchliches“ einen bedeutungsſchweren, ſelbſtändigen Ge-
danken ausgeſprochen zu haben meinte. Nietzſche war näm-
lich zur ſchmerzlichen Ueberzeugung gelangt, daß wir in all
unſeren Handlungen durch Motive determinirt ſeien und er
zog, wie dies gewöhnlich der Fall iſt, daraus den grund-
falſchen Schluß, daß es keinen Unterſchied zwiſchen gut und
böſe, daß es alſo weder moraliſche noch unmoraliſche Handlungen
gebe, daß die Tugend keine Bewunderung verdiene, daß es ein
logiſcher Jrrthum ſei, ſich über das Laſter zu erzürnen und den
Verbrecher zu beſtrafen. Bei dieſer Erkenntniß konnte Nietzſche
ſich jedoch nicht beruhigen, bis ein tröſtlicher Gedanke ihm zu Hülfe
kam. „Dafür aber gibt es einen Troſt“, leſen wir zum
Schluſſe des Kapitels „Zur Geſchichte der moraliſchen Em-
*) Man bringe folgende Stellen in Zuſammenhang: p. 92: „Ein
Gelehrter kann nie ein Philoſoph werden“ und p. 97: „Aber ſchon
Kant war, wie wir Gelehrte zu ſein pflegen, rückſichtsvoll und unter-
würfig.“
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