Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.durch die Befreiung, durch die Loslösung von der Jndivi- Druskowitz, Religionsersatz. 5
durch die Befreiung, durch die Loslöſung von der Jndivi- Druskowitz, Religionserſatz. 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0074" n="65"/> durch die Befreiung, durch die Loslöſung von der Jndivi-<lb/> dualität und durch Erhebung in eine höhere Sphäre von<lb/> einem Frieden und einer Freude erfüllt, welche der „reine<lb/> Reflex des Hehren“; zugleich aber iſt dieſe äſthetiſche Selbſt-<lb/> entäußerung eine würdige Vorübung auf den Tod, als dem<lb/> vollſtändigen Erlöſchen des individuellen Bewußtſeins. Dabei<lb/> denkt ſich Duboc die praktiſche und äſthetiſche Sphäre in<lb/> keinem feindlichen Gegenſatz zu einander ſtehend, wie dies<lb/> z. B. im Chriſtenthum thatſächlich der Fall iſt. „Nicht ſcharf<lb/> genug kann hervorgehoben ... werden“, lauten die Schluß-<lb/> ſätze des intereſſanten Buches, welche zugleich die Bedeutung<lb/> des Optimismus für das ſittliche Verhalten des Menſchen,<lb/> früher Geſagtes zuſammenfaſſend, darthun, „daß in dieſer<lb/> religiöſen Auffaſſung kein irgendwie feindlicher Gegenſatz zu<lb/> der Sphäre des Jndividuums und die in ihr ſich aufbauenden<lb/> Zwecke und Strebungen beſteht. Mit den ſtärkſten <hi rendition="#g">legi-<lb/> timen</hi> Banden der Sinnlichkeit, der Sympathie, des Be-<lb/> darfs wiſſen wir uns in jeder Phaſe des Lebenszuſammen-<lb/> hangs an daſſelbe gebunden! Wohl müſſen wir in der reli-<lb/> giöſen Erhebung das Jndividuum fahren laſſen und uns ſelbſt<lb/> als ſolche verlieren, wenn unſerer ſinnlichen Natur der<lb/> Schmerzensſchrei verklingen und das erhabene Weltengeheim-<lb/> niß, das wir im Bewußtſein erfaßt haben, uns auch in der<lb/> Gefühlsſphäre als Harmonie zu Gute kommen ſoll. Aber<lb/> nur dann vermögen wir das, wenn unſere Lebensarbeit in<lb/> dieſem Sinne gerichtet iſt. Das Hehre beſteht nur, indem<lb/> es wird, es beſteht aber auch nur für den, durch den<lb/> es wird, und es wird nur, indem es aus der Hand der<lb/> Menſchheit hervorgeht. Jndem der optimiſtiſche Standpunkt<lb/> bei der Noth, dem Weltübel als Entſtellung des Weltbildes<lb/> anlangt, erzeugt er aus ſich ſelbſt, aus ſeinem ethiſch-äſthetiſchen<lb/> Grundgedanken heraus das, was zu allen Zeiten die beſte Seite<lb/> aller Religion geweſen iſt, ihre umfaſſende Erlöſungsarbeit.“</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Druskowitz,</hi> Religionserſatz. 5</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [65/0074]
durch die Befreiung, durch die Loslöſung von der Jndivi-
dualität und durch Erhebung in eine höhere Sphäre von
einem Frieden und einer Freude erfüllt, welche der „reine
Reflex des Hehren“; zugleich aber iſt dieſe äſthetiſche Selbſt-
entäußerung eine würdige Vorübung auf den Tod, als dem
vollſtändigen Erlöſchen des individuellen Bewußtſeins. Dabei
denkt ſich Duboc die praktiſche und äſthetiſche Sphäre in
keinem feindlichen Gegenſatz zu einander ſtehend, wie dies
z. B. im Chriſtenthum thatſächlich der Fall iſt. „Nicht ſcharf
genug kann hervorgehoben ... werden“, lauten die Schluß-
ſätze des intereſſanten Buches, welche zugleich die Bedeutung
des Optimismus für das ſittliche Verhalten des Menſchen,
früher Geſagtes zuſammenfaſſend, darthun, „daß in dieſer
religiöſen Auffaſſung kein irgendwie feindlicher Gegenſatz zu
der Sphäre des Jndividuums und die in ihr ſich aufbauenden
Zwecke und Strebungen beſteht. Mit den ſtärkſten legi-
timen Banden der Sinnlichkeit, der Sympathie, des Be-
darfs wiſſen wir uns in jeder Phaſe des Lebenszuſammen-
hangs an daſſelbe gebunden! Wohl müſſen wir in der reli-
giöſen Erhebung das Jndividuum fahren laſſen und uns ſelbſt
als ſolche verlieren, wenn unſerer ſinnlichen Natur der
Schmerzensſchrei verklingen und das erhabene Weltengeheim-
niß, das wir im Bewußtſein erfaßt haben, uns auch in der
Gefühlsſphäre als Harmonie zu Gute kommen ſoll. Aber
nur dann vermögen wir das, wenn unſere Lebensarbeit in
dieſem Sinne gerichtet iſt. Das Hehre beſteht nur, indem
es wird, es beſteht aber auch nur für den, durch den
es wird, und es wird nur, indem es aus der Hand der
Menſchheit hervorgeht. Jndem der optimiſtiſche Standpunkt
bei der Noth, dem Weltübel als Entſtellung des Weltbildes
anlangt, erzeugt er aus ſich ſelbſt, aus ſeinem ethiſch-äſthetiſchen
Grundgedanken heraus das, was zu allen Zeiten die beſte Seite
aller Religion geweſen iſt, ihre umfaſſende Erlöſungsarbeit.“
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