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Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.

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nung des tiefsten Naturgrundes von nationalen Vorzügen
auszugehen. Diese in Frage stehenden nationalen Vorzüge
sind eben die bisherigen höchsten Manifestationen der Völker-
moral. Die Gefetze der Moral aber haben ihre Wurzeln
im tiefsten Grunde der Dinge. Der edlere Mensch, das ed-
lere Volk hat somit das Recht, sich mit seinen moralischen
Eigenschaften im innigsten Zusammenhange mit dem Kern-
character der Dinge zu denken, eine Weltanschauung, welche
ihrerseits nicht verfehlen kann, den besseren Menschen auch
wirklich zu erfüllen, ist sie doch aus seinem eigenen Wesen
hervorgegangen, und die ihn mit einer neuen Freude am
Guten beleben muß.

Jst es zunächst ein Bedürfniß des edleren Verstandes,
des besseren Gemüthes, den Weltgrund seiner eigenen Be-
schaffenheit gemäß zu kennzeichnen, so lassen sich diese Vor-
aussetzungen durch die Forschung bestätigen. "So hatte Co-
pernicus zunächst den Glauben, das System der Natur
müßte einfach und harmonisch sein, nicht aber verzwickt und
verschroben, wie es die verlehrten Astronomen darstellen."
Bei dieser Anschauungsweise steht der Mensch dem Welt-
ganzen nicht mehr fremd, wie einem bloßen Mechanismus,
einem Spiel physikalischer Kräfte gegenüber. "Es sind näm-
lich auch die Wirkungen, die zum Menschen hinführen und
diesen befriedigen, also alle wohlgefügten Beziehungen zwischen
dem Nichtempfindenden und dem Empfindenden. Es ist nicht
blos Verstand, sondern es ist auch Theilnahme für das Ge-
müth empfindender Wesen in der Einrichtung der Welt, und
diese Wahrheit reicht weiter, als jemals die Griechen vorge-
drungen sind. Die neueren Völker treten hier mit ihrem
edleren Gemüthe ein, und sehen den Weltgrund im Lichte
ihrer eigenen edleren Triebe."

Sehr richtig hebt Dühring hervor, daß sich der edlere
Geist nur mit dem Guten dieser Welt verwandt fühlen

nung des tiefſten Naturgrundes von nationalen Vorzügen
auszugehen. Dieſe in Frage ſtehenden nationalen Vorzüge
ſind eben die bisherigen höchſten Manifeſtationen der Völker-
moral. Die Gefetze der Moral aber haben ihre Wurzeln
im tiefſten Grunde der Dinge. Der edlere Menſch, das ed-
lere Volk hat ſomit das Recht, ſich mit ſeinen moraliſchen
Eigenſchaften im innigſten Zuſammenhange mit dem Kern-
character der Dinge zu denken, eine Weltanſchauung, welche
ihrerſeits nicht verfehlen kann, den beſſeren Menſchen auch
wirklich zu erfüllen, iſt ſie doch aus ſeinem eigenen Weſen
hervorgegangen, und die ihn mit einer neuen Freude am
Guten beleben muß.

Jſt es zunächſt ein Bedürfniß des edleren Verſtandes,
des beſſeren Gemüthes, den Weltgrund ſeiner eigenen Be-
ſchaffenheit gemäß zu kennzeichnen, ſo laſſen ſich dieſe Vor-
ausſetzungen durch die Forſchung beſtätigen. „So hatte Co-
pernicus zunächſt den Glauben, das Syſtem der Natur
müßte einfach und harmoniſch ſein, nicht aber verzwickt und
verſchroben, wie es die verlehrten Aſtronomen darſtellen.“
Bei dieſer Anſchauungsweiſe ſteht der Menſch dem Welt-
ganzen nicht mehr fremd, wie einem bloßen Mechanismus,
einem Spiel phyſikaliſcher Kräfte gegenüber. „Es ſind näm-
lich auch die Wirkungen, die zum Menſchen hinführen und
dieſen befriedigen, alſo alle wohlgefügten Beziehungen zwiſchen
dem Nichtempfindenden und dem Empfindenden. Es iſt nicht
blos Verſtand, ſondern es iſt auch Theilnahme für das Ge-
müth empfindender Weſen in der Einrichtung der Welt, und
dieſe Wahrheit reicht weiter, als jemals die Griechen vorge-
drungen ſind. Die neueren Völker treten hier mit ihrem
edleren Gemüthe ein, und ſehen den Weltgrund im Lichte
ihrer eigenen edleren Triebe.“

Sehr richtig hebt Dühring hervor, daß ſich der edlere
Geiſt nur mit dem Guten dieſer Welt verwandt fühlen

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[72/0081] nung des tiefſten Naturgrundes von nationalen Vorzügen auszugehen. Dieſe in Frage ſtehenden nationalen Vorzüge ſind eben die bisherigen höchſten Manifeſtationen der Völker- moral. Die Gefetze der Moral aber haben ihre Wurzeln im tiefſten Grunde der Dinge. Der edlere Menſch, das ed- lere Volk hat ſomit das Recht, ſich mit ſeinen moraliſchen Eigenſchaften im innigſten Zuſammenhange mit dem Kern- character der Dinge zu denken, eine Weltanſchauung, welche ihrerſeits nicht verfehlen kann, den beſſeren Menſchen auch wirklich zu erfüllen, iſt ſie doch aus ſeinem eigenen Weſen hervorgegangen, und die ihn mit einer neuen Freude am Guten beleben muß. Jſt es zunächſt ein Bedürfniß des edleren Verſtandes, des beſſeren Gemüthes, den Weltgrund ſeiner eigenen Be- ſchaffenheit gemäß zu kennzeichnen, ſo laſſen ſich dieſe Vor- ausſetzungen durch die Forſchung beſtätigen. „So hatte Co- pernicus zunächſt den Glauben, das Syſtem der Natur müßte einfach und harmoniſch ſein, nicht aber verzwickt und verſchroben, wie es die verlehrten Aſtronomen darſtellen.“ Bei dieſer Anſchauungsweiſe ſteht der Menſch dem Welt- ganzen nicht mehr fremd, wie einem bloßen Mechanismus, einem Spiel phyſikaliſcher Kräfte gegenüber. „Es ſind näm- lich auch die Wirkungen, die zum Menſchen hinführen und dieſen befriedigen, alſo alle wohlgefügten Beziehungen zwiſchen dem Nichtempfindenden und dem Empfindenden. Es iſt nicht blos Verſtand, ſondern es iſt auch Theilnahme für das Ge- müth empfindender Weſen in der Einrichtung der Welt, und dieſe Wahrheit reicht weiter, als jemals die Griechen vorge- drungen ſind. Die neueren Völker treten hier mit ihrem edleren Gemüthe ein, und ſehen den Weltgrund im Lichte ihrer eigenen edleren Triebe.“ Sehr richtig hebt Dühring hervor, daß ſich der edlere Geiſt nur mit dem Guten dieſer Welt verwandt fühlen

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Zitationshilfe: Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886/81>, abgerufen am 24.11.2024.