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Du Bois-Reymond, Emil Heinrich: Über die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig, 1872.

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Schliesslich entsteht die Frage, ob die beiden
Grenzen unseres Naturerkennens nicht vielleicht die
nämliche seien, d. h. ob, wenn wir das Wesen von Ma¬
terie und Kraft begriffen, wir nicht auch verständen, wie
die ihnen zu Grunde liegende Substanz unter bestimmten
Bedingungen empfinden, begehren und denken könne. Frei¬
lich ist diese Vorstellung die einfachste, und nach bekann¬
ten Forschungsgrundsätzen bis zu ihrer Widerlegung der
vorzuziehen, wonach, wie vorhin gesagt wurde, die Welt
doppelt unbegreiflich erscheint. Aber es liegt in der
Natur der Dinge, dass wir auch in diesem Punkte nicht
zur Klarheit kommen, und alles weitere Reden dar¬
über bleibt müssig.

In Bezug auf die Räthsel der Körperwelt ist der
Naturforscher längst gewöhnt, mit männlicher Entsagung
sein "Ignoramus" auszusprechen. Im Rückblick auf die
[durch]laufene siegreiche Bahn, trägt ihn dabei das stille
Bewusstsein, dass, wo er jetzt nicht weiss, er wenigstens
unter Umständen wissen könnte, und dereinst vielleicht
wissen wird. In Bezug auf das Räthsel aber, was
Materie und Kraft seien, und wie sie zu denken ver¬
mögen, muss er ein für allemal zu dem viel schwerer
abzugebenden Wahrspruch sich entschliessen:

"Ignorabimus!"


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Schliesslich entsteht die Frage, ob die beiden
Grenzen unseres Naturerkennens nicht vielleicht die
nämliche seien, d. h. ob, wenn wir das Wesen von Ma¬
terie und Kraft begriffen, wir nicht auch verständen, wie
die ihnen zu Grunde liegende Substanz unter bestimmten
Bedingungen empfinden, begehren und denken könne. Frei¬
lich ist diese Vorstellung die einfachste, und nach bekann¬
ten Forschungsgrundsätzen bis zu ihrer Widerlegung der
vorzuziehen, wonach, wie vorhin gesagt wurde, die Welt
doppelt unbegreiflich erscheint. Aber es liegt in der
Natur der Dinge, dass wir auch in diesem Punkte nicht
zur Klarheit kommen, und alles weitere Reden dar¬
über bleibt müssig.

In Bezug auf die Räthsel der Körperwelt ist der
Naturforscher längst gewöhnt, mit männlicher Entsagung
sein „Ignoramus“ auszusprechen. Im Rückblick auf die
[durch]laufene siegreiche Bahn, trägt ihn dabei das stille
Bewusstsein, dass, wo er jetzt nicht weiss, er wenigstens
unter Umständen wissen könnte, und dereinst vielleicht
wissen wird. In Bezug auf das Räthsel aber, was
Materie und Kraft seien, und wie sie zu denken ver¬
mögen, muss er ein für allemal zu dem viel schwerer
abzugebenden Wahrspruch sich entschliessen:

„Ignorabimus!“


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[33/0041] Schliesslich entsteht die Frage, ob die beiden Grenzen unseres Naturerkennens nicht vielleicht die nämliche seien, d. h. ob, wenn wir das Wesen von Ma¬ terie und Kraft begriffen, wir nicht auch verständen, wie die ihnen zu Grunde liegende Substanz unter bestimmten Bedingungen empfinden, begehren und denken könne. Frei¬ lich ist diese Vorstellung die einfachste, und nach bekann¬ ten Forschungsgrundsätzen bis zu ihrer Widerlegung der vorzuziehen, wonach, wie vorhin gesagt wurde, die Welt doppelt unbegreiflich erscheint. Aber es liegt in der Natur der Dinge, dass wir auch in diesem Punkte nicht zur Klarheit kommen, und alles weitere Reden dar¬ über bleibt müssig. In Bezug auf die Räthsel der Körperwelt ist der Naturforscher längst gewöhnt, mit männlicher Entsagung sein „Ignoramus“ auszusprechen. Im Rückblick auf die durchlaufene siegreiche Bahn, trägt ihn dabei das stille Bewusstsein, dass, wo er jetzt nicht weiss, er wenigstens unter Umständen wissen könnte, und dereinst vielleicht wissen wird. In Bezug auf das Räthsel aber, was Materie und Kraft seien, und wie sie zu denken ver¬ mögen, muss er ein für allemal zu dem viel schwerer abzugebenden Wahrspruch sich entschliessen: „Ignorabimus!“ 3

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Zitationshilfe: Du Bois-Reymond, Emil Heinrich: Über die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig, 1872, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dubois_naturerkennen_1872/41>, abgerufen am 09.11.2024.