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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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am unfruchtbarsten und kann, ein paar Einzellehren, wie etwa
die von der Schallgeschwindigkeit, ausgenommen, auch ein reines
Bildungsinteresse erst an letzter Stelle in Anspruch nehmen.

Experimentalphysik, sowie überhaupt jede Experimental-
wissenschaft, erfordert im Studium vor allen Dingen Beschrei-
bungen der Versuche, unterstützt von Abbildungen, und Zurück-
führungen der Versuche auf ihren wesentlichen Inhalt, unter
sorgfältiger Abstraction von allem Nebenwerk. Das blosse Sehen
von unmittelbaren Experimenten hat bei Weitem nicht die be-
lehrende Kraft, die man ihm gewöhnlich zuschreibt. Im Gegen-
theil steckt darin viel Schein, da die Aufmerksamkeit dem flüch-
tigen Schaustück weniger gut folgen kann, als der standhaltenden
Darlegung des Kernes der Sache in Beschreibung und Bild. Das
Selbststudium hat hier also gute Chancen und wird nicht ab-
hängig von den fast spielerisch zu nennenden Versuchswieder-
holungen des Experimentirtisches. Die Urexperimente consti-
tuiren zuerst die Wissenschaft, aber die Nachahmungen, wenn sie
nicht vom Lernenden in eigner Person gemacht werden, haben
nur geringen Werth. Das eigne Anstellen von Experimenten
aber, zum Zweck der Veranschaulichung im Lernen, ist dem
Nutzen blos gesehener Experimente zwar unvergleichlich über-
legen, wird sich aber meist nur in den allereinfachsten und zu-
gleich nicht kostspieligen Fällen ausführen lassen. Es ist ein
grosser Irrthum, zu glauben, dass zur Selbstausbildung die Buch-
analyse von Experimenten nicht genüge. Wer um jeden Preis
an unmittelbaren Versuchen hängt und sich doch mit dem blossen
Sehen fremder Manipulationen begnügt, dem könnte man nach
seinem eignen Grundsatz auch zur Regel machen, in den be-
obachtenden Wissenschaften, wie in der Astronomie, nur solche
Thatsachen als gut erlernt zu betrachten, die er selber beobachtet
hat. Soweit geht aber Niemand, ja kann Niemand gehen, und
so zeigt sich, dass es ein Vorurtheil ist, die Experimentirtheater
unter allen Umständen besuchen zu müssen. Dem gewöhnlichen
sinnlichen Menschen mögen von den Experimentirschauspielen
mehr bunte Erinnerungen zurückbleiben; die wirkliche und
gründliche Erkenntniss ist aber nur die Frucht ruhiger Betrach-
tung und Erwägung der Bestandtheile und der Verkettungsart
eines Vorgangs. Letztere lässt sich aber auf dem Papier und
am Bilde besser anstellen, als an dem wirklichen, unfixirten, ja
meist äusserst schnell entweichenden Phänomen. Braucht doch

am unfruchtbarsten und kann, ein paar Einzellehren, wie etwa
die von der Schallgeschwindigkeit, ausgenommen, auch ein reines
Bildungsinteresse erst an letzter Stelle in Anspruch nehmen.

Experimentalphysik, sowie überhaupt jede Experimental-
wissenschaft, erfordert im Studium vor allen Dingen Beschrei-
bungen der Versuche, unterstützt von Abbildungen, und Zurück-
führungen der Versuche auf ihren wesentlichen Inhalt, unter
sorgfältiger Abstraction von allem Nebenwerk. Das blosse Sehen
von unmittelbaren Experimenten hat bei Weitem nicht die be-
lehrende Kraft, die man ihm gewöhnlich zuschreibt. Im Gegen-
theil steckt darin viel Schein, da die Aufmerksamkeit dem flüch-
tigen Schaustück weniger gut folgen kann, als der standhaltenden
Darlegung des Kernes der Sache in Beschreibung und Bild. Das
Selbststudium hat hier also gute Chancen und wird nicht ab-
hängig von den fast spielerisch zu nennenden Versuchswieder-
holungen des Experimentirtisches. Die Urexperimente consti-
tuiren zuerst die Wissenschaft, aber die Nachahmungen, wenn sie
nicht vom Lernenden in eigner Person gemacht werden, haben
nur geringen Werth. Das eigne Anstellen von Experimenten
aber, zum Zweck der Veranschaulichung im Lernen, ist dem
Nutzen blos gesehener Experimente zwar unvergleichlich über-
legen, wird sich aber meist nur in den allereinfachsten und zu-
gleich nicht kostspieligen Fällen ausführen lassen. Es ist ein
grosser Irrthum, zu glauben, dass zur Selbstausbildung die Buch-
analyse von Experimenten nicht genüge. Wer um jeden Preis
an unmittelbaren Versuchen hängt und sich doch mit dem blossen
Sehen fremder Manipulationen begnügt, dem könnte man nach
seinem eignen Grundsatz auch zur Regel machen, in den be-
obachtenden Wissenschaften, wie in der Astronomie, nur solche
Thatsachen als gut erlernt zu betrachten, die er selber beobachtet
hat. Soweit geht aber Niemand, ja kann Niemand gehen, und
so zeigt sich, dass es ein Vorurtheil ist, die Experimentirtheater
unter allen Umständen besuchen zu müssen. Dem gewöhnlichen
sinnlichen Menschen mögen von den Experimentirschauspielen
mehr bunte Erinnerungen zurückbleiben; die wirkliche und
gründliche Erkenntniss ist aber nur die Frucht ruhiger Betrach-
tung und Erwägung der Bestandtheile und der Verkettungsart
eines Vorgangs. Letztere lässt sich aber auf dem Papier und
am Bilde besser anstellen, als an dem wirklichen, unfixirten, ja
meist äusserst schnell entweichenden Phänomen. Braucht doch

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[92/0101] am unfruchtbarsten und kann, ein paar Einzellehren, wie etwa die von der Schallgeschwindigkeit, ausgenommen, auch ein reines Bildungsinteresse erst an letzter Stelle in Anspruch nehmen. Experimentalphysik, sowie überhaupt jede Experimental- wissenschaft, erfordert im Studium vor allen Dingen Beschrei- bungen der Versuche, unterstützt von Abbildungen, und Zurück- führungen der Versuche auf ihren wesentlichen Inhalt, unter sorgfältiger Abstraction von allem Nebenwerk. Das blosse Sehen von unmittelbaren Experimenten hat bei Weitem nicht die be- lehrende Kraft, die man ihm gewöhnlich zuschreibt. Im Gegen- theil steckt darin viel Schein, da die Aufmerksamkeit dem flüch- tigen Schaustück weniger gut folgen kann, als der standhaltenden Darlegung des Kernes der Sache in Beschreibung und Bild. Das Selbststudium hat hier also gute Chancen und wird nicht ab- hängig von den fast spielerisch zu nennenden Versuchswieder- holungen des Experimentirtisches. Die Urexperimente consti- tuiren zuerst die Wissenschaft, aber die Nachahmungen, wenn sie nicht vom Lernenden in eigner Person gemacht werden, haben nur geringen Werth. Das eigne Anstellen von Experimenten aber, zum Zweck der Veranschaulichung im Lernen, ist dem Nutzen blos gesehener Experimente zwar unvergleichlich über- legen, wird sich aber meist nur in den allereinfachsten und zu- gleich nicht kostspieligen Fällen ausführen lassen. Es ist ein grosser Irrthum, zu glauben, dass zur Selbstausbildung die Buch- analyse von Experimenten nicht genüge. Wer um jeden Preis an unmittelbaren Versuchen hängt und sich doch mit dem blossen Sehen fremder Manipulationen begnügt, dem könnte man nach seinem eignen Grundsatz auch zur Regel machen, in den be- obachtenden Wissenschaften, wie in der Astronomie, nur solche Thatsachen als gut erlernt zu betrachten, die er selber beobachtet hat. Soweit geht aber Niemand, ja kann Niemand gehen, und so zeigt sich, dass es ein Vorurtheil ist, die Experimentirtheater unter allen Umständen besuchen zu müssen. Dem gewöhnlichen sinnlichen Menschen mögen von den Experimentirschauspielen mehr bunte Erinnerungen zurückbleiben; die wirkliche und gründliche Erkenntniss ist aber nur die Frucht ruhiger Betrach- tung und Erwägung der Bestandtheile und der Verkettungsart eines Vorgangs. Letztere lässt sich aber auf dem Papier und am Bilde besser anstellen, als an dem wirklichen, unfixirten, ja meist äusserst schnell entweichenden Phänomen. Braucht doch

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/101>, abgerufen am 23.11.2024.