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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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Vorrede.

Im März 1876 wurde im Berliner Rathhaus von mir über
höhere Berufsbildung der Frauen ein Vortrag gehalten, der nicht
nur bei dem zahlreich und in beiden Geschlechtern gleichmässig
vertretenen Publicum beifällige Aufnahme fand, sondern auch
durch die sich in weiteren Kreisen verbreitenden Grundgedanken
allgemeineres Aufsehen erregte. Den Aufforderungen, jenen Vor-
trag in andern Versammlungen zu wiederholen, konnte ich nicht
entsprechen, und so entschloss ich mich, um dem auch sonst mir
vielfach nahegetretenen Wunsche, meine Auffassung des Gegen-
standes näher kennen zu lernen, gehörig nachzukommen, dazu,
eine selbständige Bearbeitung des Thema erscheinen zu lassen.
Der Umstand, dass jener Vortrag die Veranlassung, wenn auch
nicht die eigentliche Ursache meiner Beseitigung von einer Ber-
liner Vorlesungsanstalt für Frauen, dem Victoria-Lyceum, ge-
wesen, machte die vorletzte Nummer dieser Schrift, mit ihrem
mehr als blos persönlichen Inhalt, nothwendig. Wie gross über-
haupt die Hemmungen sind, die von Seiten der Scheinwissen-
schaft und des gelehrten Unwesens den wissenschaftlichen und
gesellschaftlichen Bestrebungen der Frauen, in den Weg gelegt
werden, mag man aus meiner Kennzeichnung der Tendenzen
entnehmen, die sich in den gelehrten Zünften und dem zugehörigen
Unterrichtssystem im Sinne mittelalterlicher Ueberlieferung und
gegenwärtiger Corruption verkörpert haben.

Nicht blos in ihrer ersten Entstehung, sondern nach ihrem
ursprünglichen Erscheinen Herbst 1876 auch bald in ihren weiteren
Wirkungen, hat die, nun wieder neu vorliegende Schrift ganz beson-
dere Schicksale gehabt. Sie wurde Sommer 1877 neben dem Preiswerk
des Verfassers über die Principien der Mechanik mit ihrer
Kennzeichnung der Universitätszustände für die Berliner Uni-
versität einer der Vorwände, die schon lange vorbereitete

Vorrede.

Im März 1876 wurde im Berliner Rathhaus von mir über
höhere Berufsbildung der Frauen ein Vortrag gehalten, der nicht
nur bei dem zahlreich und in beiden Geschlechtern gleichmässig
vertretenen Publicum beifällige Aufnahme fand, sondern auch
durch die sich in weiteren Kreisen verbreitenden Grundgedanken
allgemeineres Aufsehen erregte. Den Aufforderungen, jenen Vor-
trag in andern Versammlungen zu wiederholen, konnte ich nicht
entsprechen, und so entschloss ich mich, um dem auch sonst mir
vielfach nahegetretenen Wunsche, meine Auffassung des Gegen-
standes näher kennen zu lernen, gehörig nachzukommen, dazu,
eine selbständige Bearbeitung des Thema erscheinen zu lassen.
Der Umstand, dass jener Vortrag die Veranlassung, wenn auch
nicht die eigentliche Ursache meiner Beseitigung von einer Ber-
liner Vorlesungsanstalt für Frauen, dem Victoria-Lyceum, ge-
wesen, machte die vorletzte Nummer dieser Schrift, mit ihrem
mehr als blos persönlichen Inhalt, nothwendig. Wie gross über-
haupt die Hemmungen sind, die von Seiten der Scheinwissen-
schaft und des gelehrten Unwesens den wissenschaftlichen und
gesellschaftlichen Bestrebungen der Frauen, in den Weg gelegt
werden, mag man aus meiner Kennzeichnung der Tendenzen
entnehmen, die sich in den gelehrten Zünften und dem zugehörigen
Unterrichtssystem im Sinne mittelalterlicher Ueberlieferung und
gegenwärtiger Corruption verkörpert haben.

Nicht blos in ihrer ersten Entstehung, sondern nach ihrem
ursprünglichen Erscheinen Herbst 1876 auch bald in ihren weiteren
Wirkungen, hat die, nun wieder neu vorliegende Schrift ganz beson-
dere Schicksale gehabt. Sie wurde Sommer 1877 neben dem Preiswerk
des Verfassers über die Principien der Mechanik mit ihrer
Kennzeichnung der Universitätszustände für die Berliner Uni-
versität einer der Vorwände, die schon lange vorbereitete

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[0006] Vorrede. Im März 1876 wurde im Berliner Rathhaus von mir über höhere Berufsbildung der Frauen ein Vortrag gehalten, der nicht nur bei dem zahlreich und in beiden Geschlechtern gleichmässig vertretenen Publicum beifällige Aufnahme fand, sondern auch durch die sich in weiteren Kreisen verbreitenden Grundgedanken allgemeineres Aufsehen erregte. Den Aufforderungen, jenen Vor- trag in andern Versammlungen zu wiederholen, konnte ich nicht entsprechen, und so entschloss ich mich, um dem auch sonst mir vielfach nahegetretenen Wunsche, meine Auffassung des Gegen- standes näher kennen zu lernen, gehörig nachzukommen, dazu, eine selbständige Bearbeitung des Thema erscheinen zu lassen. Der Umstand, dass jener Vortrag die Veranlassung, wenn auch nicht die eigentliche Ursache meiner Beseitigung von einer Ber- liner Vorlesungsanstalt für Frauen, dem Victoria-Lyceum, ge- wesen, machte die vorletzte Nummer dieser Schrift, mit ihrem mehr als blos persönlichen Inhalt, nothwendig. Wie gross über- haupt die Hemmungen sind, die von Seiten der Scheinwissen- schaft und des gelehrten Unwesens den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Bestrebungen der Frauen, in den Weg gelegt werden, mag man aus meiner Kennzeichnung der Tendenzen entnehmen, die sich in den gelehrten Zünften und dem zugehörigen Unterrichtssystem im Sinne mittelalterlicher Ueberlieferung und gegenwärtiger Corruption verkörpert haben. Nicht blos in ihrer ersten Entstehung, sondern nach ihrem ursprünglichen Erscheinen Herbst 1876 auch bald in ihren weiteren Wirkungen, hat die, nun wieder neu vorliegende Schrift ganz beson- dere Schicksale gehabt. Sie wurde Sommer 1877 neben dem Preiswerk des Verfassers über die Principien der Mechanik mit ihrer Kennzeichnung der Universitätszustände für die Berliner Uni- versität einer der Vorwände, die schon lange vorbereitete

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/6>, abgerufen am 09.11.2024.