Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.baren Wahrnehmungen bestanden, ihre getreuen Phantasie- In einer zweiten Gruppe von Fällen zeigt sich dieses baren Wahrnehmungen bestanden, ihre getreuen Phantasie- In einer zweiten Gruppe von Fällen zeigt sich dieses <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0018" n="2"/> baren Wahrnehmungen bestanden, ihre getreuen Phantasie-<lb/> bilder) durch eine darauf gerichtete Anstrengung des Willens<lb/> ins Bewuſstsein zurückrufen, wir können sie <hi rendition="#g">willkürlich<lb/> reproducieren</hi>. Bei den Versuchen dazu, <hi rendition="#g">dem Besin-<lb/> nen</hi>, treten zwar nebenher allerlei Gebilde ans Licht, auf die<lb/> unsere Absicht nicht gerichtet war, oft genug auch verfehlt die<lb/> letztere ihr Ziel gänzlich, aber im allgemeinen findet sich<lb/> unter den Resultaten auch dasjenige, welches wir suchten und<lb/> nun unmittelbar als das früher Dagewesene wieder erkennen.<lb/> Es wäre absurd, anzunehmen, daſs unser Wille es ganz von<lb/> neuem und gleichsam aus dem Nichts geschaffen habe, es<lb/> muſs vielmehr irgendwie und irgendwo noch vorhanden ge-<lb/> wesen sein; der Wille hat es sozusagen nur aufgefunden und<lb/> uns wieder vorgeführt.</p><lb/> <p>In einer <hi rendition="#i">zweiten</hi> Gruppe von Fällen zeigt sich dieses<lb/> Nachleben fast noch frappanter. Die einmal bewuſst gewesenen<lb/> Zustände kehren nämlich oft, und oft noch nach Jahren, ohne<lb/> jedes Zuthun des Willens, scheinbar von selbst ins Bewuſstsein<lb/> zurück, sie werden <hi rendition="#g">unwillkürlich reproduciert</hi>. Meist<lb/> erkennen wir auch hier unmittelbar das Wiedergekehrte als<lb/> ein früher Dagewesenes, <hi rendition="#g">wir erinnern uns seiner</hi>; unter<lb/> Umständen aber fehlt dieses begleitende Bewuſstsein, wir<lb/> wissen dann nur mittelbar, daſs das Jetzige identisch sein<lb/> müsse mit einem Früheren, erhalten dadurch aber nicht min-<lb/> der einen vollgültigen Beweis für seine Fortexistenz in der<lb/> Zwischenzeit. Wie die genauere Beobachtung dabei lehrt,<lb/> geschehen diese unwillkürlichen Reproduktionen nicht ganz<lb/> beliebig und zufällig. Vielmehr werden sie veranlaſst und<lb/> verursacht durch andere, jetzt gerade gegenwärtige psychische<lb/> Gebilde, und zwar in gewissen regelmäſsigen Weisen, die in<lb/> den sogenannten <hi rendition="#g">Associations-Gesetzen</hi> in allgemeinen<lb/> Zügen beschrieben werden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0018]
baren Wahrnehmungen bestanden, ihre getreuen Phantasie-
bilder) durch eine darauf gerichtete Anstrengung des Willens
ins Bewuſstsein zurückrufen, wir können sie willkürlich
reproducieren. Bei den Versuchen dazu, dem Besin-
nen, treten zwar nebenher allerlei Gebilde ans Licht, auf die
unsere Absicht nicht gerichtet war, oft genug auch verfehlt die
letztere ihr Ziel gänzlich, aber im allgemeinen findet sich
unter den Resultaten auch dasjenige, welches wir suchten und
nun unmittelbar als das früher Dagewesene wieder erkennen.
Es wäre absurd, anzunehmen, daſs unser Wille es ganz von
neuem und gleichsam aus dem Nichts geschaffen habe, es
muſs vielmehr irgendwie und irgendwo noch vorhanden ge-
wesen sein; der Wille hat es sozusagen nur aufgefunden und
uns wieder vorgeführt.
In einer zweiten Gruppe von Fällen zeigt sich dieses
Nachleben fast noch frappanter. Die einmal bewuſst gewesenen
Zustände kehren nämlich oft, und oft noch nach Jahren, ohne
jedes Zuthun des Willens, scheinbar von selbst ins Bewuſstsein
zurück, sie werden unwillkürlich reproduciert. Meist
erkennen wir auch hier unmittelbar das Wiedergekehrte als
ein früher Dagewesenes, wir erinnern uns seiner; unter
Umständen aber fehlt dieses begleitende Bewuſstsein, wir
wissen dann nur mittelbar, daſs das Jetzige identisch sein
müsse mit einem Früheren, erhalten dadurch aber nicht min-
der einen vollgültigen Beweis für seine Fortexistenz in der
Zwischenzeit. Wie die genauere Beobachtung dabei lehrt,
geschehen diese unwillkürlichen Reproduktionen nicht ganz
beliebig und zufällig. Vielmehr werden sie veranlaſst und
verursacht durch andere, jetzt gerade gegenwärtige psychische
Gebilde, und zwar in gewissen regelmäſsigen Weisen, die in
den sogenannten Associations-Gesetzen in allgemeinen
Zügen beschrieben werden.
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