Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

dungen, müssen wir ihren möglichen täuschenden Einfluss
besonders aufmerksam im Auge behalten.

Man erkennt, wie sich dieser Einfluss im allgemeinen
äussern würde. Bei mittleren Werten würde er auf die Be-
schneidung der Extreme hinzielen, bei solchen, bei denen man
eine erhebliche Grösse oder eine erhebliche Kleinheit voraussieht,
auf eine weitere Erhöhung resp. Herabdrückung der Zahlen.
Eine sichere Vermeidung des Einflusses ist nur da zu hoffen,
wo die Versuche von zwei Personen gemeinsam angestellt wer-
den, von denen eine für geraume Zeit das Lernen über sich
ergehen liesse, ohne nach Zweck und Resultaten desselben zu
fragen. Anderenfalls kann man sich auf Umwegen, und dann
vermutlich nur teilweise, helfen. Man kann die genauen Re-
sultate, wie ich immer gethan habe, wenigstens möglichst
lange
vor sich selbst verbergen; man kann die Untersuchung
ausdehnen auf möglichst extreme Werte der Veränderlichen,
sodass die eventuelle Beugung der Wahrheit immer schwieriger
wird und relativ immer belangloser; und man kann endlich
möglichst vielfache und für unsere Einsicht von einander un-
abhängige Fragen stellen, in der Erwartung, dass dadurch
das wahre Verhalten des innerlich Zusammenhängenden sich
doch schliesslich Bahn brechen werde.

Wie weit nun bei den im folgenden mitgeteilten Resul-
taten die besprochene Fehlerquelle eine Trübung herbeigeführt
hat, entzieht sich natürlich genauerer Schätzung. Die abso-
lute
Grösse der Zahlen wird durch sie zweifellos vielfach
tangiert sein, allein da die Absicht der Untersuchungen einst-
weilen nirgendwo auf die genaue Bestimmung absoluter Zahlen
gerichtet sein konnte, sondern auf die Gewinnung kompara-
tiver (allerdings numerisch komparativer) und verhältnismässig
immer noch allgemeiner Resultate, so ist kein Grund zu allzu
ängstlichem Misstrauen gegeben. In einem wichtigen Falle (§ 38)

dungen, müssen wir ihren möglichen täuschenden Einfluſs
besonders aufmerksam im Auge behalten.

Man erkennt, wie sich dieser Einfluſs im allgemeinen
äuſsern würde. Bei mittleren Werten würde er auf die Be-
schneidung der Extreme hinzielen, bei solchen, bei denen man
eine erhebliche Gröſse oder eine erhebliche Kleinheit voraussieht,
auf eine weitere Erhöhung resp. Herabdrückung der Zahlen.
Eine sichere Vermeidung des Einflusses ist nur da zu hoffen,
wo die Versuche von zwei Personen gemeinsam angestellt wer-
den, von denen eine für geraume Zeit das Lernen über sich
ergehen lieſse, ohne nach Zweck und Resultaten desselben zu
fragen. Anderenfalls kann man sich auf Umwegen, und dann
vermutlich nur teilweise, helfen. Man kann die genauen Re-
sultate, wie ich immer gethan habe, wenigstens möglichst
lange
vor sich selbst verbergen; man kann die Untersuchung
ausdehnen auf möglichst extreme Werte der Veränderlichen,
sodaſs die eventuelle Beugung der Wahrheit immer schwieriger
wird und relativ immer belangloser; und man kann endlich
möglichst vielfache und für unsere Einsicht von einander un-
abhängige Fragen stellen, in der Erwartung, daſs dadurch
das wahre Verhalten des innerlich Zusammenhängenden sich
doch schlieſslich Bahn brechen werde.

Wie weit nun bei den im folgenden mitgeteilten Resul-
taten die besprochene Fehlerquelle eine Trübung herbeigeführt
hat, entzieht sich natürlich genauerer Schätzung. Die abso-
lute
Gröſse der Zahlen wird durch sie zweifellos vielfach
tangiert sein, allein da die Absicht der Untersuchungen einst-
weilen nirgendwo auf die genaue Bestimmung absoluter Zahlen
gerichtet sein konnte, sondern auf die Gewinnung kompara-
tiver (allerdings numerisch komparativer) und verhältnismäſsig
immer noch allgemeiner Resultate, so ist kein Grund zu allzu
ängstlichem Miſstrauen gegeben. In einem wichtigen Falle (§ 38)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0056" n="40"/>
dungen, müssen wir ihren möglichen täuschenden Einflu&#x017F;s<lb/>
besonders aufmerksam im Auge behalten.</p><lb/>
          <p>Man erkennt, wie sich dieser Einflu&#x017F;s im allgemeinen<lb/>
äu&#x017F;sern würde. Bei mittleren Werten würde er auf die Be-<lb/>
schneidung der Extreme hinzielen, bei solchen, bei denen man<lb/>
eine erhebliche Grö&#x017F;se oder eine erhebliche Kleinheit voraussieht,<lb/>
auf eine weitere Erhöhung resp. Herabdrückung der Zahlen.<lb/>
Eine sichere Vermeidung des Einflusses ist nur da zu hoffen,<lb/>
wo die Versuche von zwei Personen gemeinsam angestellt wer-<lb/>
den, von denen <hi rendition="#g">eine</hi> für geraume Zeit das Lernen über sich<lb/>
ergehen lie&#x017F;se, ohne nach Zweck und Resultaten desselben zu<lb/>
fragen. Anderenfalls kann man sich auf Umwegen, und dann<lb/>
vermutlich nur teilweise, helfen. Man kann die genauen Re-<lb/>
sultate, wie ich immer gethan habe, wenigstens <hi rendition="#g">möglichst<lb/>
lange</hi> vor sich selbst verbergen; man kann die Untersuchung<lb/>
ausdehnen auf möglichst extreme Werte der Veränderlichen,<lb/>
soda&#x017F;s die eventuelle Beugung der Wahrheit immer schwieriger<lb/>
wird und relativ immer belangloser; und man kann endlich<lb/>
möglichst vielfache und für unsere Einsicht von einander un-<lb/>
abhängige Fragen stellen, in der Erwartung, da&#x017F;s dadurch<lb/>
das wahre Verhalten des innerlich Zusammenhängenden sich<lb/>
doch schlie&#x017F;slich Bahn brechen werde.</p><lb/>
          <p>Wie weit nun bei den im folgenden mitgeteilten Resul-<lb/>
taten die besprochene Fehlerquelle eine Trübung herbeigeführt<lb/>
hat, entzieht sich natürlich genauerer Schätzung. Die <hi rendition="#g">abso-<lb/>
lute</hi> Grö&#x017F;se der Zahlen wird durch sie zweifellos vielfach<lb/>
tangiert sein, allein da die Absicht der Untersuchungen einst-<lb/>
weilen nirgendwo auf die genaue Bestimmung absoluter Zahlen<lb/>
gerichtet sein konnte, sondern auf die Gewinnung kompara-<lb/>
tiver (allerdings numerisch komparativer) und verhältnismä&#x017F;sig<lb/>
immer noch allgemeiner Resultate, so ist kein Grund zu allzu<lb/>
ängstlichem Mi&#x017F;strauen gegeben. In <hi rendition="#g">einem</hi> wichtigen Falle (§ 38)<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0056] dungen, müssen wir ihren möglichen täuschenden Einfluſs besonders aufmerksam im Auge behalten. Man erkennt, wie sich dieser Einfluſs im allgemeinen äuſsern würde. Bei mittleren Werten würde er auf die Be- schneidung der Extreme hinzielen, bei solchen, bei denen man eine erhebliche Gröſse oder eine erhebliche Kleinheit voraussieht, auf eine weitere Erhöhung resp. Herabdrückung der Zahlen. Eine sichere Vermeidung des Einflusses ist nur da zu hoffen, wo die Versuche von zwei Personen gemeinsam angestellt wer- den, von denen eine für geraume Zeit das Lernen über sich ergehen lieſse, ohne nach Zweck und Resultaten desselben zu fragen. Anderenfalls kann man sich auf Umwegen, und dann vermutlich nur teilweise, helfen. Man kann die genauen Re- sultate, wie ich immer gethan habe, wenigstens möglichst lange vor sich selbst verbergen; man kann die Untersuchung ausdehnen auf möglichst extreme Werte der Veränderlichen, sodaſs die eventuelle Beugung der Wahrheit immer schwieriger wird und relativ immer belangloser; und man kann endlich möglichst vielfache und für unsere Einsicht von einander un- abhängige Fragen stellen, in der Erwartung, daſs dadurch das wahre Verhalten des innerlich Zusammenhängenden sich doch schlieſslich Bahn brechen werde. Wie weit nun bei den im folgenden mitgeteilten Resul- taten die besprochene Fehlerquelle eine Trübung herbeigeführt hat, entzieht sich natürlich genauerer Schätzung. Die abso- lute Gröſse der Zahlen wird durch sie zweifellos vielfach tangiert sein, allein da die Absicht der Untersuchungen einst- weilen nirgendwo auf die genaue Bestimmung absoluter Zahlen gerichtet sein konnte, sondern auf die Gewinnung kompara- tiver (allerdings numerisch komparativer) und verhältnismäſsig immer noch allgemeiner Resultate, so ist kein Grund zu allzu ängstlichem Miſstrauen gegeben. In einem wichtigen Falle (§ 38)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/56
Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/56>, abgerufen am 21.11.2024.