Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
Ursachen warum uns GOtt
So würde dein Gemüt, noch vor den Kummertagen,
Mit der bestimmten Angst, dich wie mit Foltern
plagen;
So machte dir die Furcht, bei jeden Augenblik
Schon ein beklomnes Herz; So wär dein Ungelük
Viel unerträglicher, als da es dir verborgen:
Denn was man noch nicht weis; das darf man
nicht besorgen.
Du wärest zwar ein Mensch der in das Künftge seh,
Jedoch die Wissenschaft verdoppelte dein Weh
Wie bei demjenigen den schon das Recht gesprochen,
Und über dessen Kopf der Richterstab gebrochen.
So bald ein Delinquent den Sterbetag erst weis,
So bald nezt ihn die Furcht schon mit dem Todes-
schweis;
Die Angst verdoppelt sich, bei jeden Stundenschlage:
Je näher zu dem Ziel, je grösser wird die Plage.
Die Furcht der Schrekkens Geist, greift einen schär-
fer an,
Als selbst der grause Tod, der bleiche Schrekkens
Mann,
Der letzte Trauergang zu seinen Rabensteine
Da ihn die Herzens Angst durchdringt durch Mark
und Beine,
Wird ihn viel bittrer sein auf seinen letzten Wege,
Als alle schmerzliche beschimpfte Henkers Schläge:
So wäre dir die Furcht vor einer künftgen Noth,
Wenn sie dir ganz bekant, viel bittrer als der Tod.
Wie weise ist nun GOtt, der uns nicht lässet sehen,
Wie sich in Künftigen die Schiksals Spheren drehen.
Die Güte die uns stets als seine Kinder liebt,
Und uns das Nützlichste nach weiser Einsicht giebt,
Die wünschet unsre Ruh; Und sehn wir ihr Gerichte,
So käme das Gemüt aus seinen Gleichgewichte
Drum
Urſachen warum uns GOtt
So wuͤrde dein Gemuͤt, noch vor den Kummertagen,
Mit der beſtimmten Angſt, dich wie mit Foltern
plagen;
So machte dir die Furcht, bei jeden Augenblik
Schon ein beklomnes Herz; So waͤr dein Ungeluͤk
Viel unertraͤglicher, als da es dir verborgen:
Denn was man noch nicht weis; das darf man
nicht beſorgen.
Du waͤreſt zwar ein Menſch der in das Kuͤnftge ſeh,
Jedoch die Wiſſenſchaft verdoppelte dein Weh
Wie bei demjenigen den ſchon das Recht geſprochen,
Und uͤber deſſen Kopf der Richterſtab gebrochen.
So bald ein Delinquent den Sterbetag erſt weis,
So bald nezt ihn die Furcht ſchon mit dem Todes-
ſchweis;
Die Angſt verdoppelt ſich, bei jeden Stundenſchlage:
Je naͤher zu dem Ziel, je groͤſſer wird die Plage.
Die Furcht der Schrekkens Geiſt, greift einen ſchaͤr-
fer an,
Als ſelbſt der grauſe Tod, der bleiche Schrekkens
Mann,
Der letzte Trauergang zu ſeinen Rabenſteine
Da ihn die Herzens Angſt durchdringt durch Mark
und Beine,
Wird ihn viel bittrer ſein auf ſeinen letzten Wege,
Als alle ſchmerzliche beſchimpfte Henkers Schlaͤge:
So waͤre dir die Furcht vor einer kuͤnftgen Noth,
Wenn ſie dir ganz bekant, viel bittrer als der Tod.
Wie weiſe iſt nun GOtt, der uns nicht laͤſſet ſehen,
Wie ſich in Kuͤnftigen die Schikſals Spheren drehen.
Die Guͤte die uns ſtets als ſeine Kinder liebt,
Und uns das Nuͤtzlichſte nach weiſer Einſicht giebt,
Die wuͤnſchet unſre Ruh; Und ſehn wir ihr Gerichte,
So kaͤme das Gemuͤt aus ſeinen Gleichgewichte
Drum
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0162" n="146"/>
          <fw place="top" type="header">Ur&#x017F;achen warum uns GOtt</fw><lb/>
          <l>So wu&#x0364;rde dein Gemu&#x0364;t, noch vor den Kummertagen,</l><lb/>
          <l>Mit der be&#x017F;timmten Ang&#x017F;t, dich wie mit Foltern</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">plagen;</hi> </l><lb/>
          <l>So machte dir die Furcht, bei jeden Augenblik</l><lb/>
          <l>Schon ein beklomnes Herz; So wa&#x0364;r dein Ungelu&#x0364;k</l><lb/>
          <l>Viel unertra&#x0364;glicher, als da es dir verborgen:</l><lb/>
          <l>Denn was man noch nicht weis; das darf man</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">nicht be&#x017F;orgen.</hi> </l><lb/>
          <l>Du wa&#x0364;re&#x017F;t zwar ein Men&#x017F;ch der in das Ku&#x0364;nftge &#x017F;eh,</l><lb/>
          <l>Jedoch die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft verdoppelte dein Weh</l><lb/>
          <l>Wie bei demjenigen den &#x017F;chon das Recht ge&#x017F;prochen,</l><lb/>
          <l>Und u&#x0364;ber de&#x017F;&#x017F;en Kopf der Richter&#x017F;tab gebrochen.</l><lb/>
          <l>So bald ein Delinquent den Sterbetag er&#x017F;t weis,</l><lb/>
          <l>So bald nezt ihn die Furcht &#x017F;chon mit dem Todes-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chweis;</hi> </l><lb/>
          <l>Die Ang&#x017F;t verdoppelt &#x017F;ich, bei jeden Stunden&#x017F;chlage:</l><lb/>
          <l>Je na&#x0364;her zu dem Ziel, je gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er wird die Plage.</l><lb/>
          <l>Die Furcht der Schrekkens Gei&#x017F;t, greift einen &#x017F;cha&#x0364;r-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">fer an,</hi> </l><lb/>
          <l>Als &#x017F;elb&#x017F;t der grau&#x017F;e Tod, der bleiche Schrekkens</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">Mann,</hi> </l><lb/>
          <l>Der letzte Trauergang zu &#x017F;einen Raben&#x017F;teine</l><lb/>
          <l>Da ihn die Herzens Ang&#x017F;t durchdringt durch Mark</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">und Beine,</hi> </l><lb/>
          <l>Wird ihn viel bittrer &#x017F;ein auf &#x017F;einen letzten Wege,</l><lb/>
          <l>Als alle &#x017F;chmerzliche be&#x017F;chimpfte Henkers Schla&#x0364;ge:</l><lb/>
          <l>So wa&#x0364;re dir die Furcht vor einer ku&#x0364;nftgen Noth,</l><lb/>
          <l>Wenn &#x017F;ie dir ganz bekant, viel bittrer als der Tod.</l><lb/>
          <l>Wie wei&#x017F;e i&#x017F;t nun <hi rendition="#fr">GOtt</hi>, der uns nicht la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ehen,</l><lb/>
          <l>Wie &#x017F;ich in Ku&#x0364;nftigen die Schik&#x017F;als Spheren drehen.</l><lb/>
          <l>Die Gu&#x0364;te die uns &#x017F;tets als &#x017F;eine Kinder liebt,</l><lb/>
          <l>Und uns das Nu&#x0364;tzlich&#x017F;te nach wei&#x017F;er Ein&#x017F;icht giebt,</l><lb/>
          <l>Die wu&#x0364;n&#x017F;chet un&#x017F;re Ruh; Und &#x017F;ehn wir ihr Gerichte,</l><lb/>
          <l>So ka&#x0364;me das Gemu&#x0364;t aus &#x017F;einen Gleichgewichte</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Drum</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0162] Urſachen warum uns GOtt So wuͤrde dein Gemuͤt, noch vor den Kummertagen, Mit der beſtimmten Angſt, dich wie mit Foltern plagen; So machte dir die Furcht, bei jeden Augenblik Schon ein beklomnes Herz; So waͤr dein Ungeluͤk Viel unertraͤglicher, als da es dir verborgen: Denn was man noch nicht weis; das darf man nicht beſorgen. Du waͤreſt zwar ein Menſch der in das Kuͤnftge ſeh, Jedoch die Wiſſenſchaft verdoppelte dein Weh Wie bei demjenigen den ſchon das Recht geſprochen, Und uͤber deſſen Kopf der Richterſtab gebrochen. So bald ein Delinquent den Sterbetag erſt weis, So bald nezt ihn die Furcht ſchon mit dem Todes- ſchweis; Die Angſt verdoppelt ſich, bei jeden Stundenſchlage: Je naͤher zu dem Ziel, je groͤſſer wird die Plage. Die Furcht der Schrekkens Geiſt, greift einen ſchaͤr- fer an, Als ſelbſt der grauſe Tod, der bleiche Schrekkens Mann, Der letzte Trauergang zu ſeinen Rabenſteine Da ihn die Herzens Angſt durchdringt durch Mark und Beine, Wird ihn viel bittrer ſein auf ſeinen letzten Wege, Als alle ſchmerzliche beſchimpfte Henkers Schlaͤge: So waͤre dir die Furcht vor einer kuͤnftgen Noth, Wenn ſie dir ganz bekant, viel bittrer als der Tod. Wie weiſe iſt nun GOtt, der uns nicht laͤſſet ſehen, Wie ſich in Kuͤnftigen die Schikſals Spheren drehen. Die Guͤte die uns ſtets als ſeine Kinder liebt, Und uns das Nuͤtzlichſte nach weiſer Einſicht giebt, Die wuͤnſchet unſre Ruh; Und ſehn wir ihr Gerichte, So kaͤme das Gemuͤt aus ſeinen Gleichgewichte Drum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/162
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/162>, abgerufen am 04.12.2024.