Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.Wie sich die Menschen Als unsere Begriffe steigen, die hat das schon ent-dekken wollen, Wornach wir Bürger dieser Erden, im Glauben eifrig trachten sollen. Wir tadlen nicht die seelge Müh, wenn man nach dieser Gegend blikt, Des Himmels reine Lust erwegt, durch Canans Trauben sich erquikt, So lang man in der Wüste wallet: wenn wir von Himmlischen Gefilden, Nur nicht, was unsre Neigung wollen, so sinnli- che Begriffe bilden. Und dies geschieht gemeiniglich, was unsre Haupt- begierde sucht, Das ist nach unsrer Einbildung, des Paradieses süsse Frucht Die jene Seeligen geniessen, wenn sie als Pilgrim dieser Erden, Von diesen Schauplatz abgetreten, und dorten Him- mels Bürger werden. Der Mensch, der eitle Wollust liebt, und gerne Süs- sigkeiten lekt, Der sein Vergnügen alda sieht, wo man zum Gast- mahl Taffeln dekt, Dem dünkt das himmlische Ergözzen, bestünde nur in solchen Laben, Wenn wir in steten Ueberflusse, die schönsten Speiß und Tränke haben. Ein andrer der Gesellschaft liebt, ein lieblich klin- gendes Gethön, Wornach ein lustger Reihen springt, der glaubt im Himmel nichts zu sehn Als solche frohe Lustgelage, als solch beständig Spiel und Klingen, Wor-
Wie ſich die Menſchen Als unſere Begriffe ſteigen, die hat das ſchon ent-dekken wollen, Wornach wir Buͤrger dieſer Erden, im Glauben eifrig trachten ſollen. Wir tadlen nicht die ſeelge Muͤh, wenn man nach dieſer Gegend blikt, Des Himmels reine Luſt erwegt, durch Canans Trauben ſich erquikt, So lang man in der Wuͤſte wallet: wenn wir von Himmliſchen Gefilden, Nur nicht, was unſre Neigung wollen, ſo ſinnli- che Begriffe bilden. Und dies geſchieht gemeiniglich, was unſre Haupt- begierde ſucht, Das iſt nach unſrer Einbildung, des Paradieſes ſuͤſſe Frucht Die jene Seeligen genieſſen, wenn ſie als Pilgrim dieſer Erden, Von dieſen Schauplatz abgetreten, und dorten Him- mels Buͤrger werden. Der Menſch, der eitle Wolluſt liebt, und gerne Suͤſ- ſigkeiten lekt, Der ſein Vergnuͤgen alda ſieht, wo man zum Gaſt- mahl Taffeln dekt, Dem duͤnkt das himmliſche Ergoͤzzen, beſtuͤnde nur in ſolchen Laben, Wenn wir in ſteten Ueberfluſſe, die ſchoͤnſten Speiß und Traͤnke haben. Ein andrer der Geſellſchaft liebt, ein lieblich klin- gendes Gethoͤn, Wornach ein luſtger Reihen ſpringt, der glaubt im Himmel nichts zu ſehn Als ſolche frohe Luſtgelage, als ſolch beſtaͤndig Spiel und Klingen, Wor-
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Wie ſich die Menſchen
Als unſere Begriffe ſteigen, die hat das ſchon ent-
dekken wollen,
Wornach wir Buͤrger dieſer Erden, im Glauben
eifrig trachten ſollen.
Wir tadlen nicht die ſeelge Muͤh, wenn man nach
dieſer Gegend blikt,
Des Himmels reine Luſt erwegt, durch Canans
Trauben ſich erquikt,
So lang man in der Wuͤſte wallet: wenn wir von
Himmliſchen Gefilden,
Nur nicht, was unſre Neigung wollen, ſo ſinnli-
che Begriffe bilden.
Und dies geſchieht gemeiniglich, was unſre Haupt-
begierde ſucht,
Das iſt nach unſrer Einbildung, des Paradieſes
ſuͤſſe Frucht
Die jene Seeligen genieſſen, wenn ſie als Pilgrim
dieſer Erden,
Von dieſen Schauplatz abgetreten, und dorten Him-
mels Buͤrger werden.
Der Menſch, der eitle Wolluſt liebt, und gerne Suͤſ-
ſigkeiten lekt,
Der ſein Vergnuͤgen alda ſieht, wo man zum Gaſt-
mahl Taffeln dekt,
Dem duͤnkt das himmliſche Ergoͤzzen, beſtuͤnde nur
in ſolchen Laben,
Wenn wir in ſteten Ueberfluſſe, die ſchoͤnſten Speiß
und Traͤnke haben.
Ein andrer der Geſellſchaft liebt, ein lieblich klin-
gendes Gethoͤn,
Wornach ein luſtger Reihen ſpringt, der glaubt im
Himmel nichts zu ſehn
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und Klingen,
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