Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.an einem Kornhalm. Die Wurzeln sind wie krumme Füsse, dieuns durch ein allmächtig Walten, Anstat der eingefügten Klammern, stets fe- ste in der Erde halten. Die Vorsicht welche uns bereitet, hat uns mit Blättern auch versehn, Darin wir als in warmen Windeln, bei un- srer zarten Jugend stehn, Damit uns nicht die rauhe Kälte, der Frost der kühlen Nacht verdürbe, Und unsre aufgegrünnte Blüte, vor ihrer rechten Zeit verstürbe. Wir sind in diesen Dekken sicher, bis wir die Festigkeit erlangt, Und bis auf unsrer äusern Spizze, die Aehr als eine Krone prangt. Wenn sich die Körner erst gesezzet, so ist die Wurzel wie erstorben, Und schliesset unsre ofne Röhren, die durch sie gnugsam Saft erworben: Dann kocht des Himmels Strahl und Hizze, den eingesognen Nahrungssaft Jn uns als wie in einem Kolben, daraus er euch das Meel erschaft, Das wie ein weisser Saft gerunnen, und durch den Strahl vom Sonnenlichte Auf eine wunderbare Weise erst klebricht wird, hernachmahls dichte. Wir kommen endlich zu der Reiffe, wenn sich das Grünn an uns verliert, Wir werden durch die Sonn gebleichet, die uns mit ihren Golde ziert, Da seht ihr in dem güldnen Lichte, auf eu- ren Feldern güldne Röhren, Wo-
an einem Kornhalm. Die Wurzeln ſind wie krumme Fuͤſſe, dieuns durch ein allmaͤchtig Walten, Anſtat der eingefuͤgten Klammern, ſtets fe- ſte in der Erde halten. Die Vorſicht welche uns bereitet, hat uns mit Blaͤttern auch verſehn, Darin wir als in warmen Windeln, bei un- ſrer zarten Jugend ſtehn, Damit uns nicht die rauhe Kaͤlte, der Froſt der kuͤhlen Nacht verduͤrbe, Und unſre aufgegruͤnnte Bluͤte, vor ihrer rechten Zeit verſtuͤrbe. Wir ſind in dieſen Dekken ſicher, bis wir die Feſtigkeit erlangt, Und bis auf unſrer aͤuſern Spizze, die Aehr als eine Krone prangt. Wenn ſich die Koͤrner erſt geſezzet, ſo iſt die Wurzel wie erſtorben, Und ſchlieſſet unſre ofne Roͤhren, die durch ſie gnugſam Saft erworben: Dann kocht des Himmels Strahl und Hizze, den eingeſognen Nahrungsſaft Jn uns als wie in einem Kolben, daraus er euch das Meel erſchaft, Das wie ein weiſſer Saft gerunnen, und durch den Strahl vom Sonnenlichte Auf eine wunderbare Weiſe erſt klebricht wird, hernachmahls dichte. Wir kommen endlich zu der Reiffe, wenn ſich das Gruͤnn an uns verliert, Wir werden durch die Sonn gebleichet, die uns mit ihren Golde ziert, Da ſeht ihr in dem guͤldnen Lichte, auf eu- ren Feldern guͤldne Roͤhren, Wo-
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Die Wurzeln ſind wie krumme Fuͤſſe, die
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Anſtat der eingefuͤgten Klammern, ſtets fe-
ſte in der Erde halten.
Die Vorſicht welche uns bereitet, hat uns
mit Blaͤttern auch verſehn,
Darin wir als in warmen Windeln, bei un-
ſrer zarten Jugend ſtehn,
Damit uns nicht die rauhe Kaͤlte, der Froſt
der kuͤhlen Nacht verduͤrbe,
Und unſre aufgegruͤnnte Bluͤte, vor ihrer
rechten Zeit verſtuͤrbe.
Wir ſind in dieſen Dekken ſicher, bis wir
die Feſtigkeit erlangt,
Und bis auf unſrer aͤuſern Spizze, die Aehr
als eine Krone prangt.
Wenn ſich die Koͤrner erſt geſezzet, ſo iſt die
Wurzel wie erſtorben,
Und ſchlieſſet unſre ofne Roͤhren, die durch
ſie gnugſam Saft erworben:
Dann kocht des Himmels Strahl und Hizze,
den eingeſognen Nahrungsſaft
Jn uns als wie in einem Kolben, daraus
er euch das Meel erſchaft,
Das wie ein weiſſer Saft gerunnen, und
durch den Strahl vom Sonnenlichte
Auf eine wunderbare Weiſe erſt klebricht
wird, hernachmahls dichte.
Wir kommen endlich zu der Reiffe, wenn
ſich das Gruͤnn an uns verliert,
Wir werden durch die Sonn gebleichet, die
uns mit ihren Golde ziert,
Da ſeht ihr in dem guͤldnen Lichte, auf eu-
ren Feldern guͤldne Roͤhren,
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