Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.Die Liebe. Es wären in der Welt der Fürsten güldne Thronen,Mit Schwerdtern nicht besezt; mit Lanzen nicht umringt, Wenn keine Feindschaft da, die zu derselben dringt. Die Welt wär ohne Furcht, von Sorgen weit ent- fernet, Wenn jeder Mensch als Mensch zu lieben nur ge- lernet. Die Städte sind bewacht, von starken Mauren fest, Warum? weil uns die Furcht nichts Gutes hoffen läst; Weil das Gesellschaftsband durch Haß und Neid zerrissen: So hat man Vestung, Wall und Mauren bauen müssen; So muß ein jedes Haus mit Riegeln seyn versehn, Und durch die feste Thür der Bosheit wiederstehn Wo wahre Liebe wohnt und Treue auf den Gassen, Die sich mit Lieblichkeit in Freundschaftskuß um- fassen Da wär noch in der Welt, das schöne Paradies: Der Ort wo Bitterkeit gewürzt von Liebe süß: Allein wir suchen noch in diesen Eitelkeiten Die Jnsel sichrer Ruh und der Zufriedenheiten; Denn diese ganze Welt, der Nord und Süder Pol, Der viele Länder hegt, ist stets von Feindschaft voll: Wo die im Herzen kocht, von Galle überfliesset, Da ist der Wohnplaz nicht, da man die Ruh ge- niesset. Wenn jederman bedacht, wie er in Lieb allein Den andern nüzlich wär; so würde Sonn und Schein Des dauerhaften Glüks die trüben Wolken min- dern, Die N 2
Die Liebe. Es waͤren in der Welt der Fuͤrſten guͤldne Thronen,Mit Schwerdtern nicht beſezt; mit Lanzen nicht umringt, Wenn keine Feindſchaft da, die zu derſelben dringt. Die Welt waͤr ohne Furcht, von Sorgen weit ent- fernet, Wenn jeder Menſch als Menſch zu lieben nur ge- lernet. Die Staͤdte ſind bewacht, von ſtarken Mauren feſt, Warum? weil uns die Furcht nichts Gutes hoffen laͤſt; Weil das Geſellſchaftsband durch Haß und Neid zerriſſen: So hat man Veſtung, Wall und Mauren bauen muͤſſen; So muß ein jedes Haus mit Riegeln ſeyn verſehn, Und durch die feſte Thuͤr der Bosheit wiederſtehn Wo wahre Liebe wohnt und Treue auf den Gaſſen, Die ſich mit Lieblichkeit in Freundſchaftskuß um- faſſen Da waͤr noch in der Welt, das ſchoͤne Paradies: Der Ort wo Bitterkeit gewuͤrzt von Liebe ſuͤß: Allein wir ſuchen noch in dieſen Eitelkeiten Die Jnſel ſichrer Ruh und der Zufriedenheiten; Denn dieſe ganze Welt, der Nord und Suͤder Pol, Der viele Laͤnder hegt, iſt ſtets von Feindſchaft voll: Wo die im Herzen kocht, von Galle uͤberflieſſet, Da iſt der Wohnplaz nicht, da man die Ruh ge- nieſſet. Wenn jederman bedacht, wie er in Lieb allein Den andern nuͤzlich waͤr; ſo wuͤrde Sonn und Schein Des dauerhaften Gluͤks die truͤben Wolken min- dern, Die N 2
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Die Liebe.
Es waͤren in der Welt der Fuͤrſten guͤldne Thronen,
Mit Schwerdtern nicht beſezt; mit Lanzen nicht
umringt,
Wenn keine Feindſchaft da, die zu derſelben dringt.
Die Welt waͤr ohne Furcht, von Sorgen weit ent-
fernet,
Wenn jeder Menſch als Menſch zu lieben nur ge-
lernet.
Die Staͤdte ſind bewacht, von ſtarken Mauren feſt,
Warum? weil uns die Furcht nichts Gutes hoffen
laͤſt;
Weil das Geſellſchaftsband durch Haß und Neid
zerriſſen:
So hat man Veſtung, Wall und Mauren bauen
muͤſſen;
So muß ein jedes Haus mit Riegeln ſeyn verſehn,
Und durch die feſte Thuͤr der Bosheit wiederſtehn
Wo wahre Liebe wohnt und Treue auf den Gaſſen,
Die ſich mit Lieblichkeit in Freundſchaftskuß um-
faſſen
Da waͤr noch in der Welt, das ſchoͤne Paradies:
Der Ort wo Bitterkeit gewuͤrzt von Liebe ſuͤß:
Allein wir ſuchen noch in dieſen Eitelkeiten
Die Jnſel ſichrer Ruh und der Zufriedenheiten;
Denn dieſe ganze Welt, der Nord und Suͤder Pol,
Der viele Laͤnder hegt, iſt ſtets von Feindſchaft voll:
Wo die im Herzen kocht, von Galle uͤberflieſſet,
Da iſt der Wohnplaz nicht, da man die Ruh ge-
nieſſet.
Wenn jederman bedacht, wie er in Lieb allein
Den andern nuͤzlich waͤr; ſo wuͤrde Sonn und
Schein
Des dauerhaften Gluͤks die truͤben Wolken min-
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