Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.Die Welt ein Land der Eitelkeit. Das GOttes Geist geredt: Man kan das eitleWesen, An jeder Kreatur, an jedem Dinge lesen. Es ist die Welt ein Land das voller Eitelkeit, Warum? es fehlt uns hier Ruh und Zufriedenheit. Das Aug ist nimmer satt, es will in seinem Se- hen, Jemehr es immer sieht, doch immer weiter gehen. So gehts mit jedem Sinn, wenn er Vergnügen schmekt So wird er nicht gestillt, vielmehr dadurch erwekt Und gleichsam angeflammt, dasjenige zu haben, Das da vermögend ist die Seele recht zu laben. Ein jeder Mensche merkt im irdischen Gewühl, Er komme in der Welt nicht zum erwünschten Ziel, Er müsse immerfort, bei allen seinen Trachten, Dennoch in dem Genus nach höhern Gute schmach- ten. Dies lehrt uns deutlich schon, es sey ohn allen Streit, Die Aendrungs-volle Welt ein Land der Eitelkeit. Dies wird noch deutlicher, wenn man bedachtsam siehet, Der Menschen ihr Geschäft, wornach man sich be- mühet. Der eine wühlet stets in einem Element, Das die Vernunft mit Recht der Unruh Nahrung nennt; Er trachtet immerfort daß er mit blanker Erde, Mit einem gelben Koth ganz überhäuffet werde. Er sammlet immer mehr, und wird doch nimmer satt, Er wünschet immer mehr, wenn er genug schon hat. So
Die Welt ein Land der Eitelkeit. Das GOttes Geiſt geredt: Man kan das eitleWeſen, An jeder Kreatur, an jedem Dinge leſen. Es iſt die Welt ein Land das voller Eitelkeit, Warum? es fehlt uns hier Ruh und Zufriedenheit. Das Aug iſt nimmer ſatt, es will in ſeinem Se- hen, Jemehr es immer ſieht, doch immer weiter gehen. So gehts mit jedem Sinn, wenn er Vergnuͤgen ſchmekt So wird er nicht geſtillt, vielmehr dadurch erwekt Und gleichſam angeflammt, dasjenige zu haben, Das da vermoͤgend iſt die Seele recht zu laben. Ein jeder Menſche merkt im irdiſchen Gewuͤhl, Er komme in der Welt nicht zum erwuͤnſchten Ziel, Er muͤſſe immerfort, bei allen ſeinen Trachten, Dennoch in dem Genus nach hoͤhern Gute ſchmach- ten. Dies lehrt uns deutlich ſchon, es ſey ohn allen Streit, Die Aendrungs-volle Welt ein Land der Eitelkeit. Dies wird noch deutlicher, wenn man bedachtſam ſiehet, Der Menſchen ihr Geſchaͤft, wornach man ſich be- muͤhet. Der eine wuͤhlet ſtets in einem Element, Das die Vernunft mit Recht der Unruh Nahrung nennt; Er trachtet immerfort daß er mit blanker Erde, Mit einem gelben Koth ganz uͤberhaͤuffet werde. Er ſammlet immer mehr, und wird doch nimmer ſatt, Er wuͤnſchet immer mehr, wenn er genug ſchon hat. So
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Die Welt ein Land der Eitelkeit.
Das GOttes Geiſt geredt: Man kan das eitle
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An jeder Kreatur, an jedem Dinge leſen.
Es iſt die Welt ein Land das voller Eitelkeit,
Warum? es fehlt uns hier Ruh und Zufriedenheit.
Das Aug iſt nimmer ſatt, es will in ſeinem Se-
hen,
Jemehr es immer ſieht, doch immer weiter gehen.
So gehts mit jedem Sinn, wenn er Vergnuͤgen
ſchmekt
So wird er nicht geſtillt, vielmehr dadurch erwekt
Und gleichſam angeflammt, dasjenige zu haben,
Das da vermoͤgend iſt die Seele recht zu laben.
Ein jeder Menſche merkt im irdiſchen Gewuͤhl,
Er komme in der Welt nicht zum erwuͤnſchten Ziel,
Er muͤſſe immerfort, bei allen ſeinen Trachten,
Dennoch in dem Genus nach hoͤhern Gute ſchmach-
ten.
Dies lehrt uns deutlich ſchon, es ſey ohn allen
Streit,
Die Aendrungs-volle Welt ein Land der Eitelkeit.
Dies wird noch deutlicher, wenn man bedachtſam
ſiehet,
Der Menſchen ihr Geſchaͤft, wornach man ſich be-
muͤhet.
Der eine wuͤhlet ſtets in einem Element,
Das die Vernunft mit Recht der Unruh Nahrung
nennt;
Er trachtet immerfort daß er mit blanker Erde,
Mit einem gelben Koth ganz uͤberhaͤuffet werde.
Er ſammlet immer mehr, und wird doch nimmer
ſatt,
Er wuͤnſchet immer mehr, wenn er genug ſchon
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