Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.Vorrede. mannigfaltigen Vorwürffe des Reiches derNatur und Gnade zum Jnhalt haben solten. Du findest aber viele in diesen eilfertigen Sammlungen, welche die Tugenden und La- ster der Menschen vorstellen. Jch habe die- ses einigen Freunden zu gefallen thun müs- sen, welche solche Vorstellungen begehret. Jch bin vielmehr willig gewesen, ihren Verlangen ein Gnüge zu leisten, weil sie nicht gänzlich wider den Zwek streiten, den ich mir vorgesezzet. Der Mensch kan auf eine zwifache Weise: nach seiner natürlichen und sittlichen Beschaffenheit betrachtet werden. Jn den ersten Verstande ist er das Hauptge- schöpfe unter denen sichtbahren Kreaturen; der sich auf dem Schauplaz der erschaffnen Dinge auch selbst nicht vergessen muß. Es ist leider die Gewohnheit der verdorbnen Menschen, daß sie mehr und lieber auf das was auser ihnen ist; als auf sich selbst sehen. Siehet man denselben nach seiner sittlichen Besch[affen]heit an; so kan man ihn, als ei- nen solchen betrachten, der entweder ein rechtschaffner Bürger in den Reiche JEsu ist, oder der nur den Nahmen hat, daß er dazu gehöre. Und daher habe ich gar füg- lich dasjenige erfüllen können, was die Freun- de zur Verbesserung der Sitten von mir verlanget haben. Die heilge Schrifft, auf welche ich mein Augenmerk mit gerichtet, stel- let
Vorrede. mannigfaltigen Vorwuͤrffe des Reiches derNatur und Gnade zum Jnhalt haben ſolten. Du findeſt aber viele in dieſen eilfertigen Sammlungen, welche die Tugenden und La- ſter der Menſchen vorſtellen. Jch habe die- ſes einigen Freunden zu gefallen thun muͤſ- ſen, welche ſolche Vorſtellungen begehret. Jch bin vielmehr willig geweſen, ihren Verlangen ein Gnuͤge zu leiſten, weil ſie nicht gaͤnzlich wider den Zwek ſtreiten, den ich mir vorgeſezzet. Der Menſch kan auf eine zwifache Weiſe: nach ſeiner natuͤrlichen und ſittlichen Beſchaffenheit betrachtet werden. Jn den erſten Verſtande iſt er das Hauptge- ſchoͤpfe unter denen ſichtbahren Kreaturen; der ſich auf dem Schauplaz der erſchaffnen Dinge auch ſelbſt nicht vergeſſen muß. Es iſt leider die Gewohnheit der verdorbnen Menſchen, daß ſie mehr und lieber auf das was auſer ihnen iſt; als auf ſich ſelbſt ſehen. Siehet man denſelben nach ſeiner ſittlichen Beſch[affen]heit an; ſo kan man ihn, als ei- nen ſolchen betrachten, der entweder ein rechtſchaffner Buͤrger in den Reiche JEſu iſt, oder der nur den Nahmen hat, daß er dazu gehoͤre. Und daher habe ich gar fuͤg- lich dasjenige erfuͤllen koͤnnen, was die Freun- de zur Verbeſſerung der Sitten von mir verlanget haben. Die heilge Schrifft, auf welche ich mein Augenmerk mit gerichtet, ſtel- let
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Vorrede.
mannigfaltigen Vorwuͤrffe des Reiches der
Natur und Gnade zum Jnhalt haben ſolten.
Du findeſt aber viele in dieſen eilfertigen
Sammlungen, welche die Tugenden und La-
ſter der Menſchen vorſtellen. Jch habe die-
ſes einigen Freunden zu gefallen thun muͤſ-
ſen, welche ſolche Vorſtellungen begehret.
Jch bin vielmehr willig geweſen, ihren
Verlangen ein Gnuͤge zu leiſten, weil ſie
nicht gaͤnzlich wider den Zwek ſtreiten, den ich
mir vorgeſezzet. Der Menſch kan auf eine
zwifache Weiſe: nach ſeiner natuͤrlichen und
ſittlichen Beſchaffenheit betrachtet werden.
Jn den erſten Verſtande iſt er das Hauptge-
ſchoͤpfe unter denen ſichtbahren Kreaturen;
der ſich auf dem Schauplaz der erſchaffnen
Dinge auch ſelbſt nicht vergeſſen muß. Es
iſt leider die Gewohnheit der verdorbnen
Menſchen, daß ſie mehr und lieber auf das
was auſer ihnen iſt; als auf ſich ſelbſt ſehen.
Siehet man denſelben nach ſeiner ſittlichen
Beſchaffenheit an; ſo kan man ihn, als ei-
nen ſolchen betrachten, der entweder ein
rechtſchaffner Buͤrger in den Reiche JEſu
iſt, oder der nur den Nahmen hat, daß er
dazu gehoͤre. Und daher habe ich gar fuͤg-
lich dasjenige erfuͤllen koͤnnen, was die Freun-
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