Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.Anrede an die späten Herbstblumen. Jhr blühet späte auf, und müsset früh verderben,Wir Menschen sehn euch an, nicht ohn Bewunde- rung, Wir klagen daß ihr seid so voller Aenderung, Allein ihr rufft uns zu: beklaget euch nur selber, Eur erster Lebens-Schritt geht in die Sterbgewöl- ber. Eur erster Lebenshauch den ihr so seufzend zieht, Zeigt wie eur Athem dreinst mit Schmerzen aus euch flieht, Jhr weinet wenn ihr komt, ihr weinet bei dem Schei- den, Bei eures Lebens-Lust habt ihr auch vieles Leiden. Jm Reiche der Natur sind wir der lezte Rest, Der vor der Winterszeit sich blühend sehen läst, Der Herbst raft uns hinweg, da wir erst sind ge- bohren, Jhr alle seid ja auch wie wir zum Tod erkohren. Der Frühling liefert euch in eurem ersten Jahr Auch ofte wenn ihr lebt, zur schwarzen Todten- Baar; Jch dachte noch dabei, so kan man allzeit sehen, Wie wir den Blumen gleich, im Blühen und Ver- gehen. Die G 3
Anrede an die ſpaͤten Herbſtblumen. Jhr bluͤhet ſpaͤte auf, und muͤſſet fruͤh verderben,Wir Menſchen ſehn euch an, nicht ohn Bewunde- rung, Wir klagen daß ihr ſeid ſo voller Aenderung, Allein ihr rufft uns zu: beklaget euch nur ſelber, Eur erſter Lebens-Schritt geht in die Sterbgewoͤl- ber. Eur erſter Lebenshauch den ihr ſo ſeufzend zieht, Zeigt wie eur Athem dreinſt mit Schmerzen aus euch flieht, Jhr weinet wenn ihr komt, ihr weinet bei dem Schei- den, Bei eures Lebens-Luſt habt ihr auch vieles Leiden. Jm Reiche der Natur ſind wir der lezte Reſt, Der vor der Winterszeit ſich bluͤhend ſehen laͤſt, Der Herbſt raft uns hinweg, da wir erſt ſind ge- bohren, Jhr alle ſeid ja auch wie wir zum Tod erkohren. Der Fruͤhling liefert euch in eurem erſten Jahr Auch ofte wenn ihr lebt, zur ſchwarzen Todten- Baar; Jch dachte noch dabei, ſo kan man allzeit ſehen, Wie wir den Blumen gleich, im Bluͤhen und Ver- gehen. Die G 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0113" n="101"/> <fw place="top" type="header">Anrede an die ſpaͤten Herbſtblumen.</fw><lb/> <l>Jhr bluͤhet ſpaͤte auf, und muͤſſet fruͤh verderben,</l><lb/> <l>Wir Menſchen ſehn euch an, nicht ohn Bewunde-<lb/><hi rendition="#et">rung,</hi></l><lb/> <l>Wir klagen daß ihr ſeid ſo voller Aenderung,</l><lb/> <l>Allein ihr rufft uns zu: beklaget euch nur ſelber,</l><lb/> <l>Eur erſter Lebens-Schritt geht in die Sterbgewoͤl-<lb/><hi rendition="#et">ber.</hi></l><lb/> <l>Eur erſter Lebenshauch den ihr ſo ſeufzend zieht,</l><lb/> <l>Zeigt wie eur Athem dreinſt mit Schmerzen aus euch<lb/><hi rendition="#et">flieht,</hi></l><lb/> <l>Jhr weinet wenn ihr komt, ihr weinet bei dem Schei-<lb/><hi rendition="#et">den,</hi></l><lb/> <l>Bei eures Lebens-Luſt habt ihr auch vieles Leiden.</l><lb/> <l>Jm Reiche der Natur ſind wir der lezte Reſt,</l><lb/> <l>Der vor der Winterszeit ſich bluͤhend ſehen laͤſt,</l><lb/> <l>Der Herbſt raft uns hinweg, da wir erſt ſind ge-<lb/><hi rendition="#et">bohren,</hi></l><lb/> <l>Jhr alle ſeid ja auch wie wir zum Tod erkohren.</l><lb/> <l>Der Fruͤhling liefert euch in eurem erſten Jahr</l><lb/> <l>Auch ofte wenn ihr lebt, zur ſchwarzen Todten-<lb/><hi rendition="#et">Baar;</hi></l><lb/> <l>Jch dachte noch dabei, ſo kan man allzeit ſehen,</l><lb/> <l>Wie wir den Blumen gleich, im Bluͤhen und Ver-<lb/><hi rendition="#et">gehen.</hi></l> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 3</fw> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </body> </text> </TEI> [101/0113]
Anrede an die ſpaͤten Herbſtblumen.
Jhr bluͤhet ſpaͤte auf, und muͤſſet fruͤh verderben,
Wir Menſchen ſehn euch an, nicht ohn Bewunde-
rung,
Wir klagen daß ihr ſeid ſo voller Aenderung,
Allein ihr rufft uns zu: beklaget euch nur ſelber,
Eur erſter Lebens-Schritt geht in die Sterbgewoͤl-
ber.
Eur erſter Lebenshauch den ihr ſo ſeufzend zieht,
Zeigt wie eur Athem dreinſt mit Schmerzen aus euch
flieht,
Jhr weinet wenn ihr komt, ihr weinet bei dem Schei-
den,
Bei eures Lebens-Luſt habt ihr auch vieles Leiden.
Jm Reiche der Natur ſind wir der lezte Reſt,
Der vor der Winterszeit ſich bluͤhend ſehen laͤſt,
Der Herbſt raft uns hinweg, da wir erſt ſind ge-
bohren,
Jhr alle ſeid ja auch wie wir zum Tod erkohren.
Der Fruͤhling liefert euch in eurem erſten Jahr
Auch ofte wenn ihr lebt, zur ſchwarzen Todten-
Baar;
Jch dachte noch dabei, ſo kan man allzeit ſehen,
Wie wir den Blumen gleich, im Bluͤhen und Ver-
gehen.
Die
G 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |