Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.Der Herbst. Da sie uns in Vorschmak labt, und zum Nuz denKeller füllet. Alt und Junge gehn zum Garten, und beschaun die Lieblichkeit, Des weis gelblich grauen Obstes, das uns im Genus erfreut; Sehet wie der Kinder Fleis emsig untern Baume wühlet, Bis sie eine mürbe Frucht in dem dichten Gras er- zielet: Es trift auch ihr wühlend Suchen hie und da die- selbe an, Da ein jeder gleich geniesset, was er nascht und ha- ben kan: Und die saftig süsse Frucht, die der Kehlen lieblich schmekket, Macht, das die Begierde nur bei denselben wird erwekket, Jhre Sehnsucht lauscht in Garten; ob etwas her- unter fiel Darnach geht das Herz der Kinder, das ist ihr er- wünschtes Ziel, Fällt etwan von Wind bewegt eine Frucht von sei- nen Aesten, So ist alsobald auch da, eine Schaar von kleinen Gästen, Die dieselbige auffangen. Doch der Wirthschaft Sparsamkeit, Merket daß die Baumgerichte nur vergeudet und zer- streut, Und das eine jede Frucht, wenn sie zu der Reiffe kommen, Wird verschleudert, aufgeraft, oder sonst hinweg genommen: Dar- A 4
Der Herbſt. Da ſie uns in Vorſchmak labt, und zum Nuz denKeller fuͤllet. Alt und Junge gehn zum Garten, und beſchaun die Lieblichkeit, Des weis gelblich grauen Obſtes, das uns im Genus erfreut; Sehet wie der Kinder Fleis emſig untern Baume wuͤhlet, Bis ſie eine muͤrbe Frucht in dem dichten Gras er- zielet: Es trift auch ihr wuͤhlend Suchen hie und da die- ſelbe an, Da ein jeder gleich genieſſet, was er naſcht und ha- ben kan: Und die ſaftig ſuͤſſe Frucht, die der Kehlen lieblich ſchmekket, Macht, das die Begierde nur bei denſelben wird erwekket, Jhre Sehnſucht lauſcht in Garten; ob etwas her- unter fiel Darnach geht das Herz der Kinder, das iſt ihr er- wuͤnſchtes Ziel, Faͤllt etwan von Wind bewegt eine Frucht von ſei- nen Aeſten, So iſt alſobald auch da, eine Schaar von kleinen Gaͤſten, Die dieſelbige auffangen. Doch der Wirthſchaft Sparſamkeit, Merket daß die Baumgerichte nur vergeudet und zer- ſtreut, Und das eine jede Frucht, wenn ſie zu der Reiffe kommen, Wird verſchleudert, aufgeraft, oder ſonſt hinweg genommen: Dar- A 4
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Der Herbſt.
Da ſie uns in Vorſchmak labt, und zum Nuz den
Keller fuͤllet.
Alt und Junge gehn zum Garten, und beſchaun
die Lieblichkeit,
Des weis gelblich grauen Obſtes, das uns im
Genus erfreut;
Sehet wie der Kinder Fleis emſig untern Baume
wuͤhlet,
Bis ſie eine muͤrbe Frucht in dem dichten Gras er-
zielet:
Es trift auch ihr wuͤhlend Suchen hie und da die-
ſelbe an,
Da ein jeder gleich genieſſet, was er naſcht und ha-
ben kan:
Und die ſaftig ſuͤſſe Frucht, die der Kehlen lieblich
ſchmekket,
Macht, das die Begierde nur bei denſelben wird
erwekket,
Jhre Sehnſucht lauſcht in Garten; ob etwas her-
unter fiel
Darnach geht das Herz der Kinder, das iſt ihr er-
wuͤnſchtes Ziel,
Faͤllt etwan von Wind bewegt eine Frucht von ſei-
nen Aeſten,
So iſt alſobald auch da, eine Schaar von kleinen
Gaͤſten,
Die dieſelbige auffangen. Doch der Wirthſchaft
Sparſamkeit,
Merket daß die Baumgerichte nur vergeudet und zer-
ſtreut,
Und das eine jede Frucht, wenn ſie zu der Reiffe
kommen,
Wird verſchleudert, aufgeraft, oder ſonſt hinweg
genommen:
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