Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.Der Krieg. Ein Bruder wurde in den Tagen, Da noch die Welt von Menschen leer, Von einen Bruder todt geschlagen, Warum? er meinte, daß er mehr; Und weil der Vorzug ihm genommen; So war dadurch der Has entglommen. Der Has erhitzte das Geblüte, Den schon mit Gift gefüllten Born, Hieraus entsprung in dem Gemüte, Ein hitzig Ungeheur, der Zorn: Der Zorn ob der verlohrnen Ehre, Grif eiligst nach dem Mordgewehre. Als sich der Menschen Zahl vermehrte, Ward ein Gesellschafts-Staat erricht, Da man, was Klugheit sprach, anhörte, Darnach man übte seine Pflicht: Allein wie lang blieb ohne Streiten, Das Morgenroth der güldnen Zeiten? Der Eigennutz fing anzuwüten Das Mein und Dein kam in die Welt, Fing an die Kriege auszubrüten, Zu stöhren eines andern Zelt: Man dachte durch ein siegreich Kämpfen, Der andern Völker Macht zu dämpfen. Das was der Hochmut angeblasen, Ward durch den Eigennutz vermehrt: Der Einbildung verkehrtes Rasen, Das solche Mörderthaten ehrt, Ver-
Der Krieg. Ein Bruder wurde in den Tagen, Da noch die Welt von Menſchen leer, Von einen Bruder todt geſchlagen, Warum? er meinte, daß er mehr; Und weil der Vorzug ihm genommen; So war dadurch der Has entglommen. Der Has erhitzte das Gebluͤte, Den ſchon mit Gift gefuͤllten Born, Hieraus entſprung in dem Gemuͤte, Ein hitzig Ungeheur, der Zorn: Der Zorn ob der verlohrnen Ehre, Grif eiligſt nach dem Mordgewehre. Als ſich der Menſchen Zahl vermehrte, Ward ein Geſellſchafts-Staat erricht, Da man, was Klugheit ſprach, anhoͤrte, Darnach man uͤbte ſeine Pflicht: Allein wie lang blieb ohne Streiten, Das Morgenroth der guͤldnen Zeiten? Der Eigennutz fing anzuwuͤten Das Mein und Dein kam in die Welt, Fing an die Kriege auszubruͤten, Zu ſtoͤhren eines andern Zelt: Man dachte durch ein ſiegreich Kaͤmpfen, Der andern Voͤlker Macht zu daͤmpfen. Das was der Hochmut angeblaſen, Ward durch den Eigennutz vermehrt: Der Einbildung verkehrtes Raſen, Das ſolche Moͤrderthaten ehrt, Ver-
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Der Krieg.
Ein Bruder wurde in den Tagen,
Da noch die Welt von Menſchen leer,
Von einen Bruder todt geſchlagen,
Warum? er meinte, daß er mehr;
Und weil der Vorzug ihm genommen;
So war dadurch der Has entglommen.
Der Has erhitzte das Gebluͤte,
Den ſchon mit Gift gefuͤllten Born,
Hieraus entſprung in dem Gemuͤte,
Ein hitzig Ungeheur, der Zorn:
Der Zorn ob der verlohrnen Ehre,
Grif eiligſt nach dem Mordgewehre.
Als ſich der Menſchen Zahl vermehrte,
Ward ein Geſellſchafts-Staat erricht,
Da man, was Klugheit ſprach, anhoͤrte,
Darnach man uͤbte ſeine Pflicht:
Allein wie lang blieb ohne Streiten,
Das Morgenroth der guͤldnen Zeiten?
Der Eigennutz fing anzuwuͤten
Das Mein und Dein kam in die Welt,
Fing an die Kriege auszubruͤten,
Zu ſtoͤhren eines andern Zelt:
Man dachte durch ein ſiegreich Kaͤmpfen,
Der andern Voͤlker Macht zu daͤmpfen.
Das was der Hochmut angeblaſen,
Ward durch den Eigennutz vermehrt:
Der Einbildung verkehrtes Raſen,
Das ſolche Moͤrderthaten ehrt,
Ver-
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