Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
über einen redenden Raben.
Und durch den groben Schimpf so unverdient zu
quälen.

Er schimpfte noch einmahl du Narr, da sah ich an,
Daß es der alte Schalk, der grobe Hans gethan,
Mein Zorn verkehrte sich in ein ergözzend Lachen,
Und dachte wer kan was aus einen Schimpfwort
machen,

Das ein so dummes Thier, durch deine Gegen-
wart,

Gleichsam erzürnet, spricht, mit vollen Eifer
schnarrt.

Es hat sonst nichts gelernt; ich will es ihm verge-
ben,

Jch wünschte meinen Freund so lange nur zu leben,
Als er noch schelten kan. Jch ging hinein ins Haus
Und kam hinwiederum, durch solche Thür heraus,
Wo er durchs Gitter gukt, ich dachte was wirds
gelten,

Er wird dich wiederum, vor einen Narren schelten.
Allein er ließ mich gehn, mit stummer Höflichkeit,
Vielleicht nur blos darum, weil seine Ruhezeit
Schon da war, weil er müd, und nicht mehr
schimpfen wolte,

Als er mir zu Gefalln, so grobe reden solte.
So bald ich nur zu Haus fiel mir beim Raben ein,
Ach! möchten wir doch stets auch so gesinnet seyn,
Wenn uns ein Lästrer schimpft, die Zähne an uns
wezzet,

Und nur die eigne Ehr, nicht anderen verlezzet!
Ach! dächten wir auch stets wer ists? der uns anklagt,
Was hat der Lästerer uns denn zum Schimpf gesagt,
Der Rabe spricht du Narr, wir lachen noch darü-
ber,

Und hören wenn er schilt, als wenn er lobet lieber,
War-
uͤber einen redenden Raben.
Und durch den groben Schimpf ſo unverdient zu
quaͤlen.

Er ſchimpfte noch einmahl du Narr, da ſah ich an,
Daß es der alte Schalk, der grobe Hans gethan,
Mein Zorn verkehrte ſich in ein ergoͤzzend Lachen,
Und dachte wer kan was aus einen Schimpfwort
machen,

Das ein ſo dummes Thier, durch deine Gegen-
wart,

Gleichſam erzuͤrnet, ſpricht, mit vollen Eifer
ſchnarrt.

Es hat ſonſt nichts gelernt; ich will es ihm verge-
ben,

Jch wuͤnſchte meinen Freund ſo lange nur zu leben,
Als er noch ſchelten kan. Jch ging hinein ins Haus
Und kam hinwiederum, durch ſolche Thuͤr heraus,
Wo er durchs Gitter gukt, ich dachte was wirds
gelten,

Er wird dich wiederum, vor einen Narren ſchelten.
Allein er ließ mich gehn, mit ſtummer Hoͤflichkeit,
Vielleicht nur blos darum, weil ſeine Ruhezeit
Schon da war, weil er muͤd, und nicht mehr
ſchimpfen wolte,

Als er mir zu Gefalln, ſo grobe reden ſolte.
So bald ich nur zu Haus fiel mir beim Raben ein,
Ach! moͤchten wir doch ſtets auch ſo geſinnet ſeyn,
Wenn uns ein Laͤſtrer ſchimpft, die Zaͤhne an uns
wezzet,

Und nur die eigne Ehr, nicht anderen verlezzet!
Ach! daͤchten wir auch ſtets wer iſts? der uns anklagt,
Was hat der Laͤſterer uns denn zum Schimpf geſagt,
Der Rabe ſpricht du Narr, wir lachen noch daruͤ-
ber,

Und hoͤren wenn er ſchilt, als wenn er lobet lieber,
War-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0089" n="77"/>
          <fw place="top" type="header">u&#x0364;ber einen redenden Raben.</fw><lb/>
          <l>Und durch den groben Schimpf &#x017F;o unverdient zu<lb/><hi rendition="#et">qua&#x0364;len.</hi></l><lb/>
          <l>Er &#x017F;chimpfte noch einmahl du Narr, da &#x017F;ah ich an,</l><lb/>
          <l>Daß es der alte Schalk, der grobe Hans gethan,</l><lb/>
          <l>Mein Zorn verkehrte &#x017F;ich in ein ergo&#x0364;zzend Lachen,</l><lb/>
          <l>Und dachte wer kan was aus einen Schimpfwort<lb/><hi rendition="#et">machen,</hi></l><lb/>
          <l>Das ein &#x017F;o dummes Thier, durch deine Gegen-<lb/><hi rendition="#et">wart,</hi></l><lb/>
          <l>Gleich&#x017F;am erzu&#x0364;rnet, &#x017F;pricht, mit vollen Eifer<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chnarrt.</hi></l><lb/>
          <l>Es hat &#x017F;on&#x017F;t nichts gelernt; ich will es ihm verge-<lb/><hi rendition="#et">ben,</hi></l><lb/>
          <l>Jch wu&#x0364;n&#x017F;chte meinen Freund &#x017F;o lange nur zu leben,</l><lb/>
          <l>Als er noch &#x017F;chelten kan. Jch ging hinein ins Haus</l><lb/>
          <l>Und kam hinwiederum, durch &#x017F;olche Thu&#x0364;r heraus,</l><lb/>
          <l>Wo er durchs Gitter gukt, ich dachte was wirds<lb/><hi rendition="#et">gelten,</hi></l><lb/>
          <l>Er wird dich wiederum, vor einen Narren &#x017F;chelten.</l><lb/>
          <l>Allein er ließ mich gehn, mit &#x017F;tummer Ho&#x0364;flichkeit,</l><lb/>
          <l>Vielleicht nur blos darum, weil &#x017F;eine Ruhezeit</l><lb/>
          <l>Schon da war, weil er mu&#x0364;d, und nicht mehr<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chimpfen wolte,</hi></l><lb/>
          <l>Als er mir zu Gefalln, &#x017F;o grobe reden &#x017F;olte.</l><lb/>
          <l>So bald ich nur zu Haus fiel mir beim Raben ein,</l><lb/>
          <l>Ach! mo&#x0364;chten wir doch &#x017F;tets auch &#x017F;o ge&#x017F;innet &#x017F;eyn,</l><lb/>
          <l>Wenn uns ein La&#x0364;&#x017F;trer &#x017F;chimpft, die Za&#x0364;hne an uns<lb/><hi rendition="#et">wezzet,</hi></l><lb/>
          <l>Und nur die eigne Ehr, nicht anderen verlezzet!</l><lb/>
          <l>Ach! da&#x0364;chten wir auch &#x017F;tets wer i&#x017F;ts? der uns anklagt,</l><lb/>
          <l>Was hat der La&#x0364;&#x017F;terer uns denn zum Schimpf ge&#x017F;agt,</l><lb/>
          <l>Der Rabe &#x017F;pricht du Narr, wir lachen noch daru&#x0364;-<lb/><hi rendition="#et">ber,</hi></l><lb/>
          <l>Und ho&#x0364;ren wenn er &#x017F;chilt, als wenn er lobet lieber,</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">War-</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0089] uͤber einen redenden Raben. Und durch den groben Schimpf ſo unverdient zu quaͤlen. Er ſchimpfte noch einmahl du Narr, da ſah ich an, Daß es der alte Schalk, der grobe Hans gethan, Mein Zorn verkehrte ſich in ein ergoͤzzend Lachen, Und dachte wer kan was aus einen Schimpfwort machen, Das ein ſo dummes Thier, durch deine Gegen- wart, Gleichſam erzuͤrnet, ſpricht, mit vollen Eifer ſchnarrt. Es hat ſonſt nichts gelernt; ich will es ihm verge- ben, Jch wuͤnſchte meinen Freund ſo lange nur zu leben, Als er noch ſchelten kan. Jch ging hinein ins Haus Und kam hinwiederum, durch ſolche Thuͤr heraus, Wo er durchs Gitter gukt, ich dachte was wirds gelten, Er wird dich wiederum, vor einen Narren ſchelten. Allein er ließ mich gehn, mit ſtummer Hoͤflichkeit, Vielleicht nur blos darum, weil ſeine Ruhezeit Schon da war, weil er muͤd, und nicht mehr ſchimpfen wolte, Als er mir zu Gefalln, ſo grobe reden ſolte. So bald ich nur zu Haus fiel mir beim Raben ein, Ach! moͤchten wir doch ſtets auch ſo geſinnet ſeyn, Wenn uns ein Laͤſtrer ſchimpft, die Zaͤhne an uns wezzet, Und nur die eigne Ehr, nicht anderen verlezzet! Ach! daͤchten wir auch ſtets wer iſts? der uns anklagt, Was hat der Laͤſterer uns denn zum Schimpf geſagt, Der Rabe ſpricht du Narr, wir lachen noch daruͤ- ber, Und hoͤren wenn er ſchilt, als wenn er lobet lieber, War-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/89
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/89>, abgerufen am 22.12.2024.