Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Winter.
Du klagst des Winters Wittrung an, und grä-
mest dich bei trüben Tagen,

Als wolte dich der HErr der Welt, nach der ge-
noßnen Lust auch plagen;

Verbanne die Trübsinnigkeit, und denke bei ver-
klärten Blik,

Auf das, was du genossen hast in vorgen Som-
mer nur zurük:

So wirst du alsobald ersehn, daß diese trüben Win-
ters-Zeiten,

Dir eine neue Frühlings-Lust in aufgekeimmten
Flor bereiten.

Die Lust die wird zur Last, wenn nicht in einer un-
vollkomnen Welt,

Sich nach dem hellen Sonnenschein, ein schwarzer
Wolken Dunst einstellt;

Es kan des Zukkers Süßigkeit, uns nie so süß
und lieblich schmekken,

Als wenn ein herb und bittres Saur uns wird den
Unterscheid entdekken.

Es thut der Kälte Ungemach dem Körper zwar em-
pfindlich weh,

Allein es wird dadurch doch rein, die mit den Dunst
gefüllte Höh.

Es läst dir die beschneite Welt zwar kein erquiklich
Grün erblikken,

Jedoch es kan ein weisses Kleid auch wol den Er-
den Schoos ausschmükken.

Du klagest albern Mensch, es sei in rauh und trü-
ber Winters Zeit,

Den Augen keine grüne Lust auf Feld und Anger
ausgestreut;

Es sei im Reiche der Natur, Wald, Bäume, Laub
und Kraut erstorben,

Der
Der Winter.
Du klagſt des Winters Wittrung an, und graͤ-
meſt dich bei truͤben Tagen,

Als wolte dich der HErr der Welt, nach der ge-
noßnen Luſt auch plagen;

Verbanne die Truͤbſinnigkeit, und denke bei ver-
klaͤrten Blik,

Auf das, was du genoſſen haſt in vorgen Som-
mer nur zuruͤk:

So wirſt du alſobald erſehn, daß dieſe truͤben Win-
ters-Zeiten,

Dir eine neue Fruͤhlings-Luſt in aufgekeimmten
Flor bereiten.

Die Luſt die wird zur Laſt, wenn nicht in einer un-
vollkomnen Welt,

Sich nach dem hellen Sonnenſchein, ein ſchwarzer
Wolken Dunſt einſtellt;

Es kan des Zukkers Suͤßigkeit, uns nie ſo ſuͤß
und lieblich ſchmekken,

Als wenn ein herb und bittres Saur uns wird den
Unterſcheid entdekken.

Es thut der Kaͤlte Ungemach dem Koͤrper zwar em-
pfindlich weh,

Allein es wird dadurch doch rein, die mit den Dunſt
gefuͤllte Hoͤh.

Es laͤſt dir die beſchneite Welt zwar kein erquiklich
Gruͤn erblikken,

Jedoch es kan ein weiſſes Kleid auch wol den Er-
den Schoos ausſchmuͤkken.

Du klageſt albern Menſch, es ſei in rauh und truͤ-
ber Winters Zeit,

Den Augen keine gruͤne Luſt auf Feld und Anger
ausgeſtreut;

Es ſei im Reiche der Natur, Wald, Baͤume, Laub
und Kraut erſtorben,

Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0020" n="4"/>
          <fw place="top" type="header">Der Winter.</fw><lb/>
          <l>Du klag&#x017F;t des Winters Wittrung an, und gra&#x0364;-<lb/><hi rendition="#et">me&#x017F;t dich bei tru&#x0364;ben Tagen,</hi></l><lb/>
          <l>Als wolte dich der HErr der Welt, nach der ge-<lb/><hi rendition="#et">noßnen Lu&#x017F;t auch plagen;</hi></l><lb/>
          <l>Verbanne die Tru&#x0364;b&#x017F;innigkeit, und denke bei ver-<lb/><hi rendition="#et">kla&#x0364;rten Blik,</hi></l><lb/>
          <l>Auf das, was du geno&#x017F;&#x017F;en ha&#x017F;t in vorgen Som-<lb/><hi rendition="#et">mer nur zuru&#x0364;k:</hi></l><lb/>
          <l>So wir&#x017F;t du al&#x017F;obald er&#x017F;ehn, daß die&#x017F;e tru&#x0364;ben Win-<lb/><hi rendition="#et">ters-Zeiten,</hi></l><lb/>
          <l>Dir eine neue Fru&#x0364;hlings-Lu&#x017F;t in aufgekeimmten<lb/><hi rendition="#et">Flor bereiten.</hi></l><lb/>
          <l>Die Lu&#x017F;t die wird zur La&#x017F;t, wenn nicht in einer un-<lb/><hi rendition="#et">vollkomnen Welt,</hi></l><lb/>
          <l>Sich nach dem hellen Sonnen&#x017F;chein, ein &#x017F;chwarzer<lb/><hi rendition="#et">Wolken Dun&#x017F;t ein&#x017F;tellt;</hi></l><lb/>
          <l>Es kan des Zukkers Su&#x0364;ßigkeit, uns nie &#x017F;o &#x017F;u&#x0364;ß<lb/><hi rendition="#et">und lieblich &#x017F;chmekken,</hi></l><lb/>
          <l>Als wenn ein herb und bittres Saur uns wird den<lb/><hi rendition="#et">Unter&#x017F;cheid entdekken.</hi></l><lb/>
          <l>Es thut der Ka&#x0364;lte Ungemach dem Ko&#x0364;rper zwar em-<lb/><hi rendition="#et">pfindlich weh,</hi></l><lb/>
          <l>Allein es wird dadurch doch rein, die mit den Dun&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">gefu&#x0364;llte Ho&#x0364;h.</hi></l><lb/>
          <l>Es la&#x0364;&#x017F;t dir die be&#x017F;chneite Welt zwar kein erquiklich<lb/><hi rendition="#et">Gru&#x0364;n erblikken,</hi></l><lb/>
          <l>Jedoch es kan ein wei&#x017F;&#x017F;es Kleid auch wol den Er-<lb/><hi rendition="#et">den Schoos aus&#x017F;chmu&#x0364;kken.</hi></l><lb/>
          <l>Du klage&#x017F;t albern Men&#x017F;ch, es &#x017F;ei in rauh und tru&#x0364;-<lb/><hi rendition="#et">ber Winters Zeit,</hi></l><lb/>
          <l>Den Augen keine gru&#x0364;ne Lu&#x017F;t auf Feld und Anger<lb/><hi rendition="#et">ausge&#x017F;treut;</hi></l><lb/>
          <l>Es &#x017F;ei im Reiche der Natur, Wald, Ba&#x0364;ume, Laub<lb/><hi rendition="#et">und Kraut er&#x017F;torben,</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0020] Der Winter. Du klagſt des Winters Wittrung an, und graͤ- meſt dich bei truͤben Tagen, Als wolte dich der HErr der Welt, nach der ge- noßnen Luſt auch plagen; Verbanne die Truͤbſinnigkeit, und denke bei ver- klaͤrten Blik, Auf das, was du genoſſen haſt in vorgen Som- mer nur zuruͤk: So wirſt du alſobald erſehn, daß dieſe truͤben Win- ters-Zeiten, Dir eine neue Fruͤhlings-Luſt in aufgekeimmten Flor bereiten. Die Luſt die wird zur Laſt, wenn nicht in einer un- vollkomnen Welt, Sich nach dem hellen Sonnenſchein, ein ſchwarzer Wolken Dunſt einſtellt; Es kan des Zukkers Suͤßigkeit, uns nie ſo ſuͤß und lieblich ſchmekken, Als wenn ein herb und bittres Saur uns wird den Unterſcheid entdekken. Es thut der Kaͤlte Ungemach dem Koͤrper zwar em- pfindlich weh, Allein es wird dadurch doch rein, die mit den Dunſt gefuͤllte Hoͤh. Es laͤſt dir die beſchneite Welt zwar kein erquiklich Gruͤn erblikken, Jedoch es kan ein weiſſes Kleid auch wol den Er- den Schoos ausſchmuͤkken. Du klageſt albern Menſch, es ſei in rauh und truͤ- ber Winters Zeit, Den Augen keine gruͤne Luſt auf Feld und Anger ausgeſtreut; Es ſei im Reiche der Natur, Wald, Baͤume, Laub und Kraut erſtorben, Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen04_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen04_1747/20
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen04_1747/20>, abgerufen am 21.11.2024.