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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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Sechstes Kapitel.


Der König Amasis hatte sich nach dem beschriebenen
Gastmahle kaum drei Stunden nächtlicher Ruhe gegönnt.
Wie alle Tage, so weckten ihn auch heute, beim ersten
Hahnenschrei, junge Priester aus dem Schlummer, wie alle
Tage führten ihn dieselben in's Bad, schmückten ihn mit
dem königlichen Ornate und führten ihn zum Altar im
Hofe des Schlosses, woselbst er vor den Augen des Volkes
sein Opfer darbrachte, während der Oberpriester mit lauter
Stimme betete, die Tugenden des Königs aufzählte
und, um jeden Tadel von dem Haupte des Herrschers fern
zu halten, die schlechten Rathgeber desselben für alle fluch-
würdigen, in Unkenntniß begangenen Sünden verantwort-
lich machte.

Wie alle Tage ermahnten ihn die Priester, seine
Tugenden erhebend, zum Guten, lasen ihm die nützlichen
Thaten und Rathschläge der großen Männer aus den
heiligen Schriften vor, und führten ihn in seine Gemächer,
woselbst Briefe und Berichte aus allen Theilen des Landes
seiner warteten 135).

Diese sich alle Morgen wiederholenden Ceremonien
und Arbeitsstunden pflegte Amasis treulich inne zu halten,

Sechstes Kapitel.


Der König Amaſis hatte ſich nach dem beſchriebenen
Gaſtmahle kaum drei Stunden nächtlicher Ruhe gegönnt.
Wie alle Tage, ſo weckten ihn auch heute, beim erſten
Hahnenſchrei, junge Prieſter aus dem Schlummer, wie alle
Tage führten ihn dieſelben in’s Bad, ſchmückten ihn mit
dem königlichen Ornate und führten ihn zum Altar im
Hofe des Schloſſes, woſelbſt er vor den Augen des Volkes
ſein Opfer darbrachte, während der Oberprieſter mit lauter
Stimme betete, die Tugenden des Königs aufzählte
und, um jeden Tadel von dem Haupte des Herrſchers fern
zu halten, die ſchlechten Rathgeber deſſelben für alle fluch-
würdigen, in Unkenntniß begangenen Sünden verantwort-
lich machte.

Wie alle Tage ermahnten ihn die Prieſter, ſeine
Tugenden erhebend, zum Guten, laſen ihm die nützlichen
Thaten und Rathſchläge der großen Männer aus den
heiligen Schriften vor, und führten ihn in ſeine Gemächer,
woſelbſt Briefe und Berichte aus allen Theilen des Landes
ſeiner warteten 135).

Dieſe ſich alle Morgen wiederholenden Ceremonien
und Arbeitsſtunden pflegte Amaſis treulich inne zu halten,

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[[85]/0103] Sechstes Kapitel. Der König Amaſis hatte ſich nach dem beſchriebenen Gaſtmahle kaum drei Stunden nächtlicher Ruhe gegönnt. Wie alle Tage, ſo weckten ihn auch heute, beim erſten Hahnenſchrei, junge Prieſter aus dem Schlummer, wie alle Tage führten ihn dieſelben in’s Bad, ſchmückten ihn mit dem königlichen Ornate und führten ihn zum Altar im Hofe des Schloſſes, woſelbſt er vor den Augen des Volkes ſein Opfer darbrachte, während der Oberprieſter mit lauter Stimme betete, die Tugenden des Königs aufzählte und, um jeden Tadel von dem Haupte des Herrſchers fern zu halten, die ſchlechten Rathgeber deſſelben für alle fluch- würdigen, in Unkenntniß begangenen Sünden verantwort- lich machte. Wie alle Tage ermahnten ihn die Prieſter, ſeine Tugenden erhebend, zum Guten, laſen ihm die nützlichen Thaten und Rathſchläge der großen Männer aus den heiligen Schriften vor, und führten ihn in ſeine Gemächer, woſelbſt Briefe und Berichte aus allen Theilen des Landes ſeiner warteten 135). Dieſe ſich alle Morgen wiederholenden Ceremonien und Arbeitsſtunden pflegte Amaſis treulich inne zu halten,

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. [85]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/103>, abgerufen am 28.11.2024.