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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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"Hüte Deine Zunge!" rief Amasis, die Erde mit dem
Fuße stampfend. "Aegypten war niemals so blühend und
groß als jetzt! Ramses hat unsere Waffen in ferne Lande
getragen und Blut mit ihnen erworben; -- ich aber habe
es dahin gebracht, daß die Erzeugnisse unserer Hände bis
zu den Enden der Welt befördert werden und uns, statt
des Blutes, Schätze und Segen bringen. Ramses ließ
Blut und Schweiß der Unterthanen in Strömen für den
Ruhm seines Namens fließen, ich habe es dahin gebracht,
daß Blut und Schweiß nur sparsam in meinem Lande ver-
gossen werden und jeder Bürger in Sicherheit, Glück und
Wohlstand seine Lebensreise vollenden kann. -- An den
Ufern des Nils erheben sich jetzt zehntausend 142) volk-
reiche Städte, kein Fuß breit Landes ist unbebaut, kein
Kind in Aegypten entbehrt der Wohlthat des Rechtes und
Gesetzes, kein Bösewicht kann sich dem wachen Auge der
Obrigkeit entziehen. -- Sollte uns ein Feind überfallen;
wohl, so stehen, neben unseren Festungen und den Bollwerken,
welche uns die Götter gegeben, den Katarrhakten, dem
Meere und der Wüste, die besten Soldaten, welche jemals
Waffen trugen, dreißigtausend Hellenen, außer der ägyptischen
Kriegerkaste, zu unserem Schutze bereit. So steht es um
Aegypten! Den Flitterstaat eitlen Ruhmes bezahlte es einst
dem Ramses mit blutigen Thränen. -- Das echte Gold
wahrhaftigen Bürgerglückes und friedlicher Wohlfahrt
schuldet es mir und meinen Vorgängern, den Saitischen
Königen!"

"Und dennoch sage ich Dir," rief der Erbprinz, "daß
Aegypten ein Baum ist, an dessen Lebensmark ein tödten-
der Holzwurm nagt. Das Ringen und Streben nach
Gold, nach Pracht und Glanz hat alle Herzen verdorben.
Die Ueppigkeit der Fremden gab den schlichten Sitten un-

„Hüte Deine Zunge!“ rief Amaſis, die Erde mit dem
Fuße ſtampfend. „Aegypten war niemals ſo blühend und
groß als jetzt! Ramſes hat unſere Waffen in ferne Lande
getragen und Blut mit ihnen erworben; — ich aber habe
es dahin gebracht, daß die Erzeugniſſe unſerer Hände bis
zu den Enden der Welt befördert werden und uns, ſtatt
des Blutes, Schätze und Segen bringen. Ramſes ließ
Blut und Schweiß der Unterthanen in Strömen für den
Ruhm ſeines Namens fließen, ich habe es dahin gebracht,
daß Blut und Schweiß nur ſparſam in meinem Lande ver-
goſſen werden und jeder Bürger in Sicherheit, Glück und
Wohlſtand ſeine Lebensreiſe vollenden kann. — An den
Ufern des Nils erheben ſich jetzt zehntauſend 142) volk-
reiche Städte, kein Fuß breit Landes iſt unbebaut, kein
Kind in Aegypten entbehrt der Wohlthat des Rechtes und
Geſetzes, kein Böſewicht kann ſich dem wachen Auge der
Obrigkeit entziehen. — Sollte uns ein Feind überfallen;
wohl, ſo ſtehen, neben unſeren Feſtungen und den Bollwerken,
welche uns die Götter gegeben, den Katarrhakten, dem
Meere und der Wüſte, die beſten Soldaten, welche jemals
Waffen trugen, dreißigtauſend Hellenen, außer der ägyptiſchen
Kriegerkaſte, zu unſerem Schutze bereit. So ſteht es um
Aegypten! Den Flitterſtaat eitlen Ruhmes bezahlte es einſt
dem Ramſes mit blutigen Thränen. — Das echte Gold
wahrhaftigen Bürgerglückes und friedlicher Wohlfahrt
ſchuldet es mir und meinen Vorgängern, den Saitiſchen
Königen!“

„Und dennoch ſage ich Dir,“ rief der Erbprinz, „daß
Aegypten ein Baum iſt, an deſſen Lebensmark ein tödten-
der Holzwurm nagt. Das Ringen und Streben nach
Gold, nach Pracht und Glanz hat alle Herzen verdorben.
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[90/0108] „Hüte Deine Zunge!“ rief Amaſis, die Erde mit dem Fuße ſtampfend. „Aegypten war niemals ſo blühend und groß als jetzt! Ramſes hat unſere Waffen in ferne Lande getragen und Blut mit ihnen erworben; — ich aber habe es dahin gebracht, daß die Erzeugniſſe unſerer Hände bis zu den Enden der Welt befördert werden und uns, ſtatt des Blutes, Schätze und Segen bringen. Ramſes ließ Blut und Schweiß der Unterthanen in Strömen für den Ruhm ſeines Namens fließen, ich habe es dahin gebracht, daß Blut und Schweiß nur ſparſam in meinem Lande ver- goſſen werden und jeder Bürger in Sicherheit, Glück und Wohlſtand ſeine Lebensreiſe vollenden kann. — An den Ufern des Nils erheben ſich jetzt zehntauſend 142) volk- reiche Städte, kein Fuß breit Landes iſt unbebaut, kein Kind in Aegypten entbehrt der Wohlthat des Rechtes und Geſetzes, kein Böſewicht kann ſich dem wachen Auge der Obrigkeit entziehen. — Sollte uns ein Feind überfallen; wohl, ſo ſtehen, neben unſeren Feſtungen und den Bollwerken, welche uns die Götter gegeben, den Katarrhakten, dem Meere und der Wüſte, die beſten Soldaten, welche jemals Waffen trugen, dreißigtauſend Hellenen, außer der ägyptiſchen Kriegerkaſte, zu unſerem Schutze bereit. So ſteht es um Aegypten! Den Flitterſtaat eitlen Ruhmes bezahlte es einſt dem Ramſes mit blutigen Thränen. — Das echte Gold wahrhaftigen Bürgerglückes und friedlicher Wohlfahrt ſchuldet es mir und meinen Vorgängern, den Saitiſchen Königen!“ „Und dennoch ſage ich Dir,“ rief der Erbprinz, „daß Aegypten ein Baum iſt, an deſſen Lebensmark ein tödten- der Holzwurm nagt. Das Ringen und Streben nach Gold, nach Pracht und Glanz hat alle Herzen verdorben. Die Ueppigkeit der Fremden gab den ſchlichten Sitten un-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/108>, abgerufen am 27.11.2024.