Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.Kämpfenden. Endlich sanken dem Jüngling die Kräfte. "Milon mußte sich des Kranzes begeben; der Ruhm Kallias schwieg einen Augenblick. Der lebhafte Mann Kämpfenden. Endlich ſanken dem Jüngling die Kräfte. „Milon mußte ſich des Kranzes begeben; der Ruhm Kallias ſchwieg einen Augenblick. Der lebhafte Mann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0058" n="40"/> Kämpfenden. Endlich ſanken dem Jüngling die Kräfte.<lb/> Tauſend ermunternde Stimmen riefen ihm zu; noch einmal<lb/> raffte er ſich mit übermenſchlicher Anſtrengung zuſammen,<lb/> noch einmal verſuchte er den Krotoniaten zu werfen; dieſer<lb/> aber hatte die augenblickliche Abſpannung ſeines Gegners<lb/> wahrgenommen und preßte ihn in unwiderſtehlicher Um-<lb/> armung an ſich. Da entquoll ein ſchwarzer, voller Blut-<lb/> ſtrom den ſchönen Lippen des Jünglings, der leblos aus<lb/> den ermatteten Armen des Rieſen zu Boden ſank. Demo-<lb/> kedes <hi rendition="#sup">80</hi>), der berühmteſte Arzt unſerer Zeit, ihr Samier<lb/> müßt ihn vom Hofe des Polykrates kennen, eilte herbei;<lb/> aber keine Kunſt konnte dem Glücklichen helfen, denn<lb/> er war todt.</p><lb/> <p>„Milon mußte ſich des Kranzes begeben; der Ruhm<lb/> dieſes Jünglings wird aber durch ganz Hellas fortklingen,<lb/> und ich ſelber möchte lieber todt ſein, gleich Lyſander, dem<lb/> Sohne des Ariſtomachos, als leben wie Kallias, der in<lb/> der Fremde thatenlos altert. — Ganz Griechenland, durch<lb/> ſeine Beſten vertreten, trug den Jüngling zu Grabe, und<lb/> ſeine Bildſäule ſoll in der Altis, neben denen des Milon<lb/> von Kroten und Praxidamas von Aegina aufgeſtellt wer-<lb/> den. Endlich verkündeten die Herolde den Spruch der<lb/> Kampfrichter: ‚Sparta ſolle für den Verſtorbenen einen<lb/> Siegerkranz erhalten; denn nicht Milon, ſondern der Tod,<lb/> habe den edlen Lyſander bezwungen; wer aber aus zwei-<lb/> ſtündigem Kampfe mit dem ſtärkſten aller Griechen unbe-<lb/> ſiegt hervorgehe, der habe den Oelzweig wohl ver-<lb/> dient‘ <hi rendition="#sup">81</hi>).</p><lb/> <p>Kallias ſchwieg einen Augenblick. Der lebhafte Mann<lb/> hatte während der Schilderung dieſer, dem helleniſchen Herzen<lb/> theuerſten Ereigniſſe, der Anweſenden nicht geachtet, und<lb/> in’s Blaue ſtarrend, die Bilder der Kämpfenden vor ſeinen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [40/0058]
Kämpfenden. Endlich ſanken dem Jüngling die Kräfte.
Tauſend ermunternde Stimmen riefen ihm zu; noch einmal
raffte er ſich mit übermenſchlicher Anſtrengung zuſammen,
noch einmal verſuchte er den Krotoniaten zu werfen; dieſer
aber hatte die augenblickliche Abſpannung ſeines Gegners
wahrgenommen und preßte ihn in unwiderſtehlicher Um-
armung an ſich. Da entquoll ein ſchwarzer, voller Blut-
ſtrom den ſchönen Lippen des Jünglings, der leblos aus
den ermatteten Armen des Rieſen zu Boden ſank. Demo-
kedes 80), der berühmteſte Arzt unſerer Zeit, ihr Samier
müßt ihn vom Hofe des Polykrates kennen, eilte herbei;
aber keine Kunſt konnte dem Glücklichen helfen, denn
er war todt.
„Milon mußte ſich des Kranzes begeben; der Ruhm
dieſes Jünglings wird aber durch ganz Hellas fortklingen,
und ich ſelber möchte lieber todt ſein, gleich Lyſander, dem
Sohne des Ariſtomachos, als leben wie Kallias, der in
der Fremde thatenlos altert. — Ganz Griechenland, durch
ſeine Beſten vertreten, trug den Jüngling zu Grabe, und
ſeine Bildſäule ſoll in der Altis, neben denen des Milon
von Kroten und Praxidamas von Aegina aufgeſtellt wer-
den. Endlich verkündeten die Herolde den Spruch der
Kampfrichter: ‚Sparta ſolle für den Verſtorbenen einen
Siegerkranz erhalten; denn nicht Milon, ſondern der Tod,
habe den edlen Lyſander bezwungen; wer aber aus zwei-
ſtündigem Kampfe mit dem ſtärkſten aller Griechen unbe-
ſiegt hervorgehe, der habe den Oelzweig wohl ver-
dient‘ 81).
Kallias ſchwieg einen Augenblick. Der lebhafte Mann
hatte während der Schilderung dieſer, dem helleniſchen Herzen
theuerſten Ereigniſſe, der Anweſenden nicht geachtet, und
in’s Blaue ſtarrend, die Bilder der Kämpfenden vor ſeinen
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