Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.schen, oftmals spöttelnden Zuge umspielt. Die niedrige Die Haltung seines Nachbars erschien durchaus an- "Nun aber sage mir unverholen" -- sprach der Pha- Ebers, Eine ägyptische Königstochter. I. 5
ſchen, oftmals ſpöttelnden Zuge umſpielt. Die niedrige Die Haltung ſeines Nachbars erſchien durchaus an- „Nun aber ſage mir unverholen“ — ſprach der Pha- Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 5
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ſchen, oftmals ſpöttelnden Zuge umſpielt. Die niedrige
aber breite Stirn des Greiſes und ſein großer, ſchön ge-
wölbter Schädel bezeugten die Kraft ſeines Geiſtes 110);
die wechſelnde Farbe ſeines Auges ließ vermuthen, daß
Witz und Leidenſchaft dieſem ſeltenen Manne beiwohne,
welcher ſich von einem ſchlichten Krieger bis zum Throne
der Pharaonen heraufgearbeitet hatte. Seine Sprache
war ſchneidend und hart, ſeine Bewegungen, im Gegen-
ſatze zu der gemeſſeneren Art der andern Mitglieder des
ägyptiſchen Hofes, beinahe krankhaft lebendig.
Die Haltung ſeines Nachbars erſchien durchaus an-
muthig und eines Königs würdig. Sein ganzes Weſen
verrieth, daß er viel mit den Beſten Griechenlands ver-
kehrt habe. Thales, Anaximander und Anaximenes von
Milet, Bias von Priene 111), Solon von Athen, Pitta-
kos von Lesbos, die berühmteſten helleniſchen Weltweiſen,
hatten ſich in beſſeren Zeiten als Gäſte am Hofe des
Kröſus zu Sardes befunden. Seine volle, klare Stimme
klang neben der gellenden des Amaſis, wie reiner Geſang.
„Nun aber ſage mir unverholen“ — ſprach der Pha-
rao in ziemlich fließendem Griechiſch, „wie Dir Aegypten
gefällt. Jch kenne niemanden, deſſen Urtheil mir ſo werth-
voll erſchiene, als das Deine, — denn erſtens kennſt Du
die meiſten Völker und Länder der Welt, zweitens haben
Dich die Götter die ganze Leiter des Glückes herauf und
hinunter ſteigen laſſen; drittens aber biſt Du nicht um-
ſonſt ſo lange der erſte Rathgeber des mächtigſten aller
Könige geweſen. Jch wollte, mein Reich gefiele Dir ſo
gut, daß Du Luſt bekämſt, als mein Bruder bei mir zu
bleiben. Wahrlich, Kröſus, Du biſt ſchon lange mein
Freund, ob ich Dich geſtern auch zum erſten Male ge-
ſehen habe!“
Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 5
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