Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber ich will Dich nicht reizen und frage Dich, was Du
aus den Sternen gelesen?"

Darius schaute bei diesen Worten nochmals zum Him-
mel empor und heftete seine Augen unverwandt an ein
leuchtendes über dem Horizonte schwebendes Sternbild. --
Zopyros beobachtete den Astrologen und rief den Freunden
zu: "Dort oben muß etwas Wichtiges vorgehen. He,
Darius, theile uns mit, was sich am Himmel ereignet!"

"Nichts Gutes," antwortete dieser. "Jch habe mit
Dir allein zu reden, Bartja."

"Warum das? Araspes ist verschwiegen, und vor euch
Andern hab' ich kein Geheimniß."

"Dennoch --"

"Rede nur!"

"Nein, ich bitte Dich, mir in den Garten zu folgen."

Bartja nickte den Zechern zu, legte seinen Arm auf
die Schulter des Darius und trat mit demselben in das
helle Mondlicht hinaus. Als sie allein waren, ergriff der
Sohn des Hystaspes beide Hände seines Freundes und
sagte: "Heut zum Drittenmale gehen am Himmel Dinge
vor, welche Dir nichts Gutes verheißen. Dein böser Stern
nähert sich Deinem heilbringenden Gestirne so sehr, daß
man nur wenig Astrologie zu verstehen braucht, um Dir
voraussagen zu können, Dich erwarte eine ernstliche Gefahr.
Sieh Dich vor, Bartja, und reise noch heut' nach Aegyp-
ten, denn die Sterne sagen mir, daß Dir am Euphrat,
nicht in der Ferne, das Verhängniß droht."

"Glaubst Du so sicher an die weissagende Kraft des
gestirnten Himmels?"

"Sicher! Die Sterne lügen niemals!"

"Dann wäre es Thorheit, sich dem, was sie verhei-
ßen, entziehen zu wollen."

Aber ich will Dich nicht reizen und frage Dich, was Du
aus den Sternen geleſen?“

Darius ſchaute bei dieſen Worten nochmals zum Him-
mel empor und heftete ſeine Augen unverwandt an ein
leuchtendes über dem Horizonte ſchwebendes Sternbild. —
Zopyros beobachtete den Aſtrologen und rief den Freunden
zu: „Dort oben muß etwas Wichtiges vorgehen. He,
Darius, theile uns mit, was ſich am Himmel ereignet!“

„Nichts Gutes,“ antwortete dieſer. „Jch habe mit
Dir allein zu reden, Bartja.“

„Warum das? Araspes iſt verſchwiegen, und vor euch
Andern hab’ ich kein Geheimniß.“

„Dennoch —“

„Rede nur!“

„Nein, ich bitte Dich, mir in den Garten zu folgen.“

Bartja nickte den Zechern zu, legte ſeinen Arm auf
die Schulter des Darius und trat mit demſelben in das
helle Mondlicht hinaus. Als ſie allein waren, ergriff der
Sohn des Hyſtaspes beide Hände ſeines Freundes und
ſagte: „Heut zum Drittenmale gehen am Himmel Dinge
vor, welche Dir nichts Gutes verheißen. Dein böſer Stern
nähert ſich Deinem heilbringenden Geſtirne ſo ſehr, daß
man nur wenig Aſtrologie zu verſtehen braucht, um Dir
vorausſagen zu können, Dich erwarte eine ernſtliche Gefahr.
Sieh Dich vor, Bartja, und reiſe noch heut’ nach Aegyp-
ten, denn die Sterne ſagen mir, daß Dir am Euphrat,
nicht in der Ferne, das Verhängniß droht.“

„Glaubſt Du ſo ſicher an die weiſſagende Kraft des
geſtirnten Himmels?“

„Sicher! Die Sterne lügen niemals!“

„Dann wäre es Thorheit, ſich dem, was ſie verhei-
ßen, entziehen zu wollen.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0149" n="147"/>
Aber ich will Dich nicht reizen und frage Dich, was Du<lb/>
aus den Sternen gele&#x017F;en?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Darius &#x017F;chaute bei die&#x017F;en Worten nochmals zum Him-<lb/>
mel empor und heftete &#x017F;eine Augen unverwandt an ein<lb/>
leuchtendes über dem Horizonte &#x017F;chwebendes Sternbild. &#x2014;<lb/>
Zopyros beobachtete den A&#x017F;trologen und rief den Freunden<lb/>
zu: &#x201E;Dort oben muß etwas Wichtiges vorgehen. He,<lb/>
Darius, theile uns mit, was &#x017F;ich am Himmel ereignet!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nichts Gutes,&#x201C; antwortete die&#x017F;er. &#x201E;Jch habe mit<lb/>
Dir allein zu reden, Bartja.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Warum das? Araspes i&#x017F;t ver&#x017F;chwiegen, und vor euch<lb/>
Andern hab&#x2019; ich kein Geheimniß.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dennoch &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Rede nur!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein, ich bitte Dich, mir in den Garten zu folgen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Bartja nickte den Zechern zu, legte &#x017F;einen Arm auf<lb/>
die Schulter des Darius und trat mit dem&#x017F;elben in das<lb/>
helle Mondlicht hinaus. Als &#x017F;ie allein waren, ergriff der<lb/>
Sohn des Hy&#x017F;taspes beide Hände &#x017F;eines Freundes und<lb/>
&#x017F;agte: &#x201E;Heut zum Drittenmale gehen am Himmel Dinge<lb/>
vor, welche Dir nichts Gutes verheißen. Dein bö&#x017F;er Stern<lb/>
nähert &#x017F;ich Deinem heilbringenden Ge&#x017F;tirne &#x017F;o &#x017F;ehr, daß<lb/>
man nur wenig A&#x017F;trologie zu ver&#x017F;tehen braucht, um Dir<lb/>
voraus&#x017F;agen zu können, Dich erwarte eine ern&#x017F;tliche Gefahr.<lb/>
Sieh Dich vor, Bartja, und rei&#x017F;e noch heut&#x2019; nach Aegyp-<lb/>
ten, denn die Sterne &#x017F;agen mir, daß Dir am Euphrat,<lb/>
nicht in der Ferne, das Verhängniß droht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Glaub&#x017F;t Du &#x017F;o &#x017F;icher an die wei&#x017F;&#x017F;agende Kraft des<lb/>
ge&#x017F;tirnten Himmels?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sicher! Die Sterne lügen niemals!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dann wäre es Thorheit, &#x017F;ich dem, was &#x017F;ie verhei-<lb/>
ßen, entziehen zu wollen.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0149] Aber ich will Dich nicht reizen und frage Dich, was Du aus den Sternen geleſen?“ Darius ſchaute bei dieſen Worten nochmals zum Him- mel empor und heftete ſeine Augen unverwandt an ein leuchtendes über dem Horizonte ſchwebendes Sternbild. — Zopyros beobachtete den Aſtrologen und rief den Freunden zu: „Dort oben muß etwas Wichtiges vorgehen. He, Darius, theile uns mit, was ſich am Himmel ereignet!“ „Nichts Gutes,“ antwortete dieſer. „Jch habe mit Dir allein zu reden, Bartja.“ „Warum das? Araspes iſt verſchwiegen, und vor euch Andern hab’ ich kein Geheimniß.“ „Dennoch —“ „Rede nur!“ „Nein, ich bitte Dich, mir in den Garten zu folgen.“ Bartja nickte den Zechern zu, legte ſeinen Arm auf die Schulter des Darius und trat mit demſelben in das helle Mondlicht hinaus. Als ſie allein waren, ergriff der Sohn des Hyſtaspes beide Hände ſeines Freundes und ſagte: „Heut zum Drittenmale gehen am Himmel Dinge vor, welche Dir nichts Gutes verheißen. Dein böſer Stern nähert ſich Deinem heilbringenden Geſtirne ſo ſehr, daß man nur wenig Aſtrologie zu verſtehen braucht, um Dir vorausſagen zu können, Dich erwarte eine ernſtliche Gefahr. Sieh Dich vor, Bartja, und reiſe noch heut’ nach Aegyp- ten, denn die Sterne ſagen mir, daß Dir am Euphrat, nicht in der Ferne, das Verhängniß droht.“ „Glaubſt Du ſo ſicher an die weiſſagende Kraft des geſtirnten Himmels?“ „Sicher! Die Sterne lügen niemals!“ „Dann wäre es Thorheit, ſich dem, was ſie verhei- ßen, entziehen zu wollen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/149
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/149>, abgerufen am 21.11.2024.