Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.vor der Thür. Da wirst Du Gelegenheit haben, zu zei- Wenige Minuten später lag Bartja in den Armen Von der ersten Kindheit des Kambyses an, hatte man Kyros, sein Vater, der mächtige Eroberer der halben Die Gattin seines Herzens und seiner Jugend, Kas- vor der Thür. Da wirſt Du Gelegenheit haben, zu zei- Wenige Minuten ſpäter lag Bartja in den Armen Von der erſten Kindheit des Kambyſes an, hatte man Kyros, ſein Vater, der mächtige Eroberer der halben Die Gattin ſeines Herzens und ſeiner Jugend, Kaſ- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0022" n="20"/> vor der Thür. Da wirſt Du Gelegenheit haben, zu zei-<lb/> gen, was Du kannſt und biſt!“</p><lb/> <p>Wenige Minuten ſpäter lag Bartja in den Armen<lb/> ſeiner blinden Mutter, welche klopfenden Herzens dem<lb/> ſehnſüchtig erwarteten Lieblinge entgegenharrte. Jetzt, da<lb/> ſie endlich ſeine Stimme vernahm und mit ihren Händen<lb/> das theure Haupt befühlte, vergaß ſie alles Andre und<lb/> beachtete, indem ſie ſich des Heimgekehrten freute, ſelbſt<lb/> nicht ihren erſtgebornen Sohn, den allgewaltigen König,<lb/> welcher, bitter lächelnd, zuſah, wie ſich ein voller Strom<lb/> von Mutterliebe auf ſeinen jüngeren Bruder ſchrankenlos<lb/> ergoß.</p><lb/> <p>Von der erſten Kindheit des Kambyſes an, hatte man<lb/> jeden ſeiner Wünſche erfüllt, jeder Wink ſeiner Augen war<lb/> gleich einem Befehle geweſen; darum konnte er keinen<lb/> Widerſpruch ertragen und überließ ſich ſeinem jäh auf-<lb/> brauſenden Zorne, wenn einer ſeiner Unterthanen, und er<lb/> kannte keine andern Menſchen, als ſolche, ſich erkühnte,<lb/> ihm zu widerſprechen.</p><lb/> <p>Kyros, ſein Vater, der mächtige Eroberer der halben<lb/> Welt, deſſen großer Geiſt das kleine Volk der Perſer auf<lb/> den Gipfel irdiſcher Größe gehoben und es verſtanden<lb/> hatte, ſich die Ehrfurcht zahlloſer unterjochter Stämme zu<lb/> erwerben, dieſer Kyros verſtand es nicht in dem kleinen<lb/> Kreiſe ſeiner Familie jenes Erziehungswerk auszuüben,<lb/> welches ihm großen Staaten gegenüber ſo wunderbar ge-<lb/> lungen <hi rendition="#sup">21</hi>) war. — Er ſah ſchon in dem Knaben Kam-<lb/> byſes den zukünftigen König, befahl ſeinen Unterthanen,<lb/> dem Kinde blindlings zu gehorchen und vergaß, daß, wer<lb/> befehlen will, zuerſt das Dienen erlernen müſſe.</p><lb/> <p>Die Gattin ſeines Herzens und ſeiner Jugend, Kaſ-<lb/> ſandane, hatte ihm erſt Kambyſes, dann drei Töchter und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [20/0022]
vor der Thür. Da wirſt Du Gelegenheit haben, zu zei-
gen, was Du kannſt und biſt!“
Wenige Minuten ſpäter lag Bartja in den Armen
ſeiner blinden Mutter, welche klopfenden Herzens dem
ſehnſüchtig erwarteten Lieblinge entgegenharrte. Jetzt, da
ſie endlich ſeine Stimme vernahm und mit ihren Händen
das theure Haupt befühlte, vergaß ſie alles Andre und
beachtete, indem ſie ſich des Heimgekehrten freute, ſelbſt
nicht ihren erſtgebornen Sohn, den allgewaltigen König,
welcher, bitter lächelnd, zuſah, wie ſich ein voller Strom
von Mutterliebe auf ſeinen jüngeren Bruder ſchrankenlos
ergoß.
Von der erſten Kindheit des Kambyſes an, hatte man
jeden ſeiner Wünſche erfüllt, jeder Wink ſeiner Augen war
gleich einem Befehle geweſen; darum konnte er keinen
Widerſpruch ertragen und überließ ſich ſeinem jäh auf-
brauſenden Zorne, wenn einer ſeiner Unterthanen, und er
kannte keine andern Menſchen, als ſolche, ſich erkühnte,
ihm zu widerſprechen.
Kyros, ſein Vater, der mächtige Eroberer der halben
Welt, deſſen großer Geiſt das kleine Volk der Perſer auf
den Gipfel irdiſcher Größe gehoben und es verſtanden
hatte, ſich die Ehrfurcht zahlloſer unterjochter Stämme zu
erwerben, dieſer Kyros verſtand es nicht in dem kleinen
Kreiſe ſeiner Familie jenes Erziehungswerk auszuüben,
welches ihm großen Staaten gegenüber ſo wunderbar ge-
lungen 21) war. — Er ſah ſchon in dem Knaben Kam-
byſes den zukünftigen König, befahl ſeinen Unterthanen,
dem Kinde blindlings zu gehorchen und vergaß, daß, wer
befehlen will, zuerſt das Dienen erlernen müſſe.
Die Gattin ſeines Herzens und ſeiner Jugend, Kaſ-
ſandane, hatte ihm erſt Kambyſes, dann drei Töchter und
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