Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.Die Fenster desselben waren durch Vorhänge von Die blinden Augen der Greisin waren geschlossen, Auf einem kleinen Sessel zu Füßen der Greisin Die Fenſter deſſelben waren durch Vorhänge von Die blinden Augen der Greiſin waren geſchloſſen, Auf einem kleinen Seſſel zu Füßen der Greiſin <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0039" n="37"/> <p>Die Fenſter deſſelben waren durch Vorhänge von<lb/> grüner indiſcher Seide verſchloſſen, welche die helle Mit-<lb/> tagsſonne aufhielten und ein den Augen der Blinden wohl-<lb/> thätiges Halbdunkel herſtellten. Der Fußboden war mit<lb/> einem ſchweren babyloniſchen Teppiche belegt, in deſſen<lb/> Wolle die Füße der Schreitenden wie in Moos verſanken.<lb/> Die Bekleidung der Wände beſtand aus einem Moſaik von<lb/> Elfenbein, Schildpatt, Gold, Silber, Ebenholz und Bern-<lb/> ſtein. Die goldnen Geſtelle der Ruheſitze waren mit Lö-<lb/> wenhäuten überzogen, und der an der Seite der Blinden<lb/> ſtehende Tiſch beſtand aus gediegenem Silber <hi rendition="#sup">31</hi>). Kaſſan-<lb/> dane, mit veilchenblauen, reich mit Silber geſtickten Ge-<lb/> wändern bekleidet, ſaß auf einem koſtbaren Lehnſtuhle.<lb/> Auf ihren ſchneeweißen Haaren lag ein langer Schleier<lb/> vom zarteſten ägyptiſchen Spitzengewebe, deſſen lange En-<lb/> den ihren Hals umſchlangen und unter dem Kinne zu<lb/> einer großen Schleife zuſammen geſchürzt waren. Das<lb/> von dem Spitzentuche eingerahmte Angeſicht der Blinden,<lb/> welche ſich in mitten der ſechziger Jahre befand, war<lb/> wunderbar ebenmäßig geformt und verrieth neben einem<lb/> hohen Geiſte, tiefe Herzensgüte und warme Menſchen-<lb/> liebe.</p><lb/> <p>Die blinden Augen der Greiſin waren geſchloſſen,<lb/> aber man erwartete, wenn ſie ſich öffnen würden, ein<lb/> paar milde, freundliche Sterne leuchten zu ſehen. Die<lb/> Haltung und Größe der Sitzenden verrieth einen ſtattlichen<lb/> Wuchs. Die ganze Erſcheinung war vollkommen würdig<lb/> einer Wittwe des großen und guten Kyros.</p><lb/> <p>Auf einem kleinen Seſſel zu Füßen der Greiſin<lb/> ſaß ihr jüngſtes, ſpät gebornes Kind Atoſſa, und zog<lb/> von ihrer goldnen Spindel lange Fäden. Der Blin-<lb/> den gegenüber ſtand Kambyſes und im Hintergrunde, halb<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [37/0039]
Die Fenſter deſſelben waren durch Vorhänge von
grüner indiſcher Seide verſchloſſen, welche die helle Mit-
tagsſonne aufhielten und ein den Augen der Blinden wohl-
thätiges Halbdunkel herſtellten. Der Fußboden war mit
einem ſchweren babyloniſchen Teppiche belegt, in deſſen
Wolle die Füße der Schreitenden wie in Moos verſanken.
Die Bekleidung der Wände beſtand aus einem Moſaik von
Elfenbein, Schildpatt, Gold, Silber, Ebenholz und Bern-
ſtein. Die goldnen Geſtelle der Ruheſitze waren mit Lö-
wenhäuten überzogen, und der an der Seite der Blinden
ſtehende Tiſch beſtand aus gediegenem Silber 31). Kaſſan-
dane, mit veilchenblauen, reich mit Silber geſtickten Ge-
wändern bekleidet, ſaß auf einem koſtbaren Lehnſtuhle.
Auf ihren ſchneeweißen Haaren lag ein langer Schleier
vom zarteſten ägyptiſchen Spitzengewebe, deſſen lange En-
den ihren Hals umſchlangen und unter dem Kinne zu
einer großen Schleife zuſammen geſchürzt waren. Das
von dem Spitzentuche eingerahmte Angeſicht der Blinden,
welche ſich in mitten der ſechziger Jahre befand, war
wunderbar ebenmäßig geformt und verrieth neben einem
hohen Geiſte, tiefe Herzensgüte und warme Menſchen-
liebe.
Die blinden Augen der Greiſin waren geſchloſſen,
aber man erwartete, wenn ſie ſich öffnen würden, ein
paar milde, freundliche Sterne leuchten zu ſehen. Die
Haltung und Größe der Sitzenden verrieth einen ſtattlichen
Wuchs. Die ganze Erſcheinung war vollkommen würdig
einer Wittwe des großen und guten Kyros.
Auf einem kleinen Seſſel zu Füßen der Greiſin
ſaß ihr jüngſtes, ſpät gebornes Kind Atoſſa, und zog
von ihrer goldnen Spindel lange Fäden. Der Blin-
den gegenüber ſtand Kambyſes und im Hintergrunde, halb
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