Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864."Nach Deiner Abreise hörte Tachot drei Tage lang "Wenn ich ihre Stirne küßte und sie bat, sich selbst "Als wir sie zu der großen Wallfahrt nach Babastis „Nach Deiner Abreiſe hörte Tachot drei Tage lang „Wenn ich ihre Stirne küßte und ſie bat, ſich ſelbſt „Als wir ſie zu der großen Wallfahrt nach Babaſtis <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0091" n="89"/> <p>„Nach Deiner Abreiſe hörte Tachot drei Tage lang<lb/> nicht auf zu weinen. All’ unſre tröſtenden Worte, alle<lb/> Ermahnungen Deines Vaters, alle Opfer und Gebete ver-<lb/> mochten nicht den Gram des armen Kindes zu lindern oder<lb/> zu zerſtreuen. Am vierten Tage verſiegten endlich ihre<lb/> Thränen. Mit leiſer Stimme, ſcheinbar ergeben, antwor-<lb/> tete ſie, wenn wir ſie fragten; den größten Theil des<lb/> Tages aber ſaß ſie ſchweigend bei ihrer Spindel. Die<lb/> ſonſt ſo geſchickten Finger zerriſſen, wenn ſie nicht ſtun-<lb/> denlang in dem Schooße der Träumerin ruhten, alle Fä-<lb/> den. Sie, die ſonſt ſo herzlich über die Scherze Deines<lb/> Vaters lachen konnte, hörte denſelben nur noch mit gleich-<lb/> gültiger Stumpfheit zu; meinen mütterlichen Ermahnun-<lb/> gen lauſchte ſie in ängſtlicher Spannung.</p><lb/> <p>„Wenn ich ihre Stirne küßte und ſie bat, ſich ſelbſt<lb/> zu beherrſchen, ſo ſprang ſie hoch erröthend auf, warf ſich<lb/> an meine Bruſt, ſetzte ſich wieder an die Spindel und zog<lb/> die Fäden mit beinahe wilder Haſt; nach einer halben<lb/> Stunde aber lagen die Hände wiederum unthätig in ihrem<lb/> Schooße, waren ihre Augen von neuem träumeriſch auf<lb/> einen Punkt in der Luft oder an der Erde gerichtet.<lb/> Wenn wir ſie zwangen an einem Feſte Theil zu nehmen<lb/> wandelte ſie unter den Gäſten theilnahmlos umher.</p><lb/> <p>„Als wir ſie zu der großen Wallfahrt nach Babaſtis<lb/> mitnahmen, bei welcher das ägyptiſche Volk ſeines Ern-<lb/> ſtes und ſeiner Würde vergißt, und der Nil mit ſeinen<lb/> Ufern einer großen Bühne gleicht, auf welcher trunkne<lb/> Chöre zur höchſten Ausgelaſſenheit fortreißende Satyr-<lb/> ſpiele aufführen, als ſie zu Babaſtis <hi rendition="#sup">69</hi>) zum Erſtenmale<lb/> in ihrem Leben ein ganzes Volk, das ſich in taumelnder<lb/> Luſt und ausgelaſſenen Scherzen tummelt, erblickte, er-<lb/> wachte ſie aus ihrem ſtummen Brüten und fing, wie in<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [89/0091]
„Nach Deiner Abreiſe hörte Tachot drei Tage lang
nicht auf zu weinen. All’ unſre tröſtenden Worte, alle
Ermahnungen Deines Vaters, alle Opfer und Gebete ver-
mochten nicht den Gram des armen Kindes zu lindern oder
zu zerſtreuen. Am vierten Tage verſiegten endlich ihre
Thränen. Mit leiſer Stimme, ſcheinbar ergeben, antwor-
tete ſie, wenn wir ſie fragten; den größten Theil des
Tages aber ſaß ſie ſchweigend bei ihrer Spindel. Die
ſonſt ſo geſchickten Finger zerriſſen, wenn ſie nicht ſtun-
denlang in dem Schooße der Träumerin ruhten, alle Fä-
den. Sie, die ſonſt ſo herzlich über die Scherze Deines
Vaters lachen konnte, hörte denſelben nur noch mit gleich-
gültiger Stumpfheit zu; meinen mütterlichen Ermahnun-
gen lauſchte ſie in ängſtlicher Spannung.
„Wenn ich ihre Stirne küßte und ſie bat, ſich ſelbſt
zu beherrſchen, ſo ſprang ſie hoch erröthend auf, warf ſich
an meine Bruſt, ſetzte ſich wieder an die Spindel und zog
die Fäden mit beinahe wilder Haſt; nach einer halben
Stunde aber lagen die Hände wiederum unthätig in ihrem
Schooße, waren ihre Augen von neuem träumeriſch auf
einen Punkt in der Luft oder an der Erde gerichtet.
Wenn wir ſie zwangen an einem Feſte Theil zu nehmen
wandelte ſie unter den Gäſten theilnahmlos umher.
„Als wir ſie zu der großen Wallfahrt nach Babaſtis
mitnahmen, bei welcher das ägyptiſche Volk ſeines Ern-
ſtes und ſeiner Würde vergißt, und der Nil mit ſeinen
Ufern einer großen Bühne gleicht, auf welcher trunkne
Chöre zur höchſten Ausgelaſſenheit fortreißende Satyr-
ſpiele aufführen, als ſie zu Babaſtis 69) zum Erſtenmale
in ihrem Leben ein ganzes Volk, das ſich in taumelnder
Luſt und ausgelaſſenen Scherzen tummelt, erblickte, er-
wachte ſie aus ihrem ſtummen Brüten und fing, wie in
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