Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.ein hinsiechender düsterer Greis geworden. -- Der Tod "Stundenlang verweilt er jetzt im Tempel der Neith, "Seine Besuche am Lager der Kranken gereichen der- ",Du wirst bald sterben.' -- ,Das Leben ist kurz; "Jene Anschauung der Aegypter, welche das Dasein ein hinſiechender düſterer Greis geworden. — Der Tod „Stundenlang verweilt er jetzt im Tempel der Neith, „Seine Beſuche am Lager der Kranken gereichen der- „‚Du wirſt bald ſterben.‘ — ‚Das Leben iſt kurz; „Jene Anſchauung der Aegypter, welche das Daſein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0094" n="92"/> ein hinſiechender düſterer Greis geworden. — Der Tod<lb/> des Apis, die ſchlimmen Conſtellationen und Orakelſprüche<lb/> beängſtigen ſein Herz. Die Nacht, in welcher er lebt,<lb/> umflort ſeine Heiterkeit. Das Bewußtſein, nicht ohne<lb/> Stütze fortſchreiten zu können, beraubt ihn ſeines ſichern<lb/> Willens. Der kühne, ſelbſtſtändige Herrſcher iſt im Be-<lb/> griff, zum willenloſen Werkzeuge der Prieſter zu werden.</p><lb/> <p>„Stundenlang verweilt er jetzt im Tempel der Neith,<lb/> um zu beten und zu opfern. Dort läßt er auch eine An-<lb/> zahl von Werkleuten an einer Todtenwohnung für ſeine<lb/> eigne Mumie arbeiten, während eine gleiche Anzahl von<lb/> Maurern das von den Hellenen begonnene Heiligthum des<lb/> Apollon zu Memphis der Erde gleich machen muß. Sein<lb/> eignes und das Unglück der Tachot nennt er eine gerechte<lb/> Strafe der Unſterblichen.</p><lb/> <p>„Seine Beſuche am Lager der Kranken gereichen der-<lb/> ſelben zu geringem Troſte; denn ſtatt der Armen freund-<lb/> lich zuzureden, ſucht er derſelben zu beweiſen, daß auch<lb/> ſie die Strafe der Unſterblichen verdient habe. — Er ver-<lb/> ſucht das arme Kind mit der ganzen Kraft ſeiner ſiegen-<lb/> den Beredſamkeit dahin zu bringen, der Erde ganz und<lb/> gar zu vergeſſen, und durch fortwährende Gebete und<lb/> Opfer die Gnade des Oſiris und der Richter in der Un-<lb/> terwelt zu gewinnen.</p><lb/> <p>„‚Du wirſt bald ſterben.‘ — ‚Das Leben iſt kurz;<lb/> die Dauer des Todes unendlich lang.‘ Mit dieſen und<lb/> ähnlichen Worten foltert er die Seele unſrer theuren Kran-<lb/> ken, welche ſo gerne leben möchte.</p><lb/> <p>„Jene Anſchauung der Aegypter, welche das Daſein<lb/> im Tode zur Hauptſache, das Leben in dieſer Welt zu<lb/> einem Nichts, einer kurzen Wanderung, einem Traume<lb/> ſtempelt, hat Viele in die Gefahr gebracht, der Stimmung<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [92/0094]
ein hinſiechender düſterer Greis geworden. — Der Tod
des Apis, die ſchlimmen Conſtellationen und Orakelſprüche
beängſtigen ſein Herz. Die Nacht, in welcher er lebt,
umflort ſeine Heiterkeit. Das Bewußtſein, nicht ohne
Stütze fortſchreiten zu können, beraubt ihn ſeines ſichern
Willens. Der kühne, ſelbſtſtändige Herrſcher iſt im Be-
griff, zum willenloſen Werkzeuge der Prieſter zu werden.
„Stundenlang verweilt er jetzt im Tempel der Neith,
um zu beten und zu opfern. Dort läßt er auch eine An-
zahl von Werkleuten an einer Todtenwohnung für ſeine
eigne Mumie arbeiten, während eine gleiche Anzahl von
Maurern das von den Hellenen begonnene Heiligthum des
Apollon zu Memphis der Erde gleich machen muß. Sein
eignes und das Unglück der Tachot nennt er eine gerechte
Strafe der Unſterblichen.
„Seine Beſuche am Lager der Kranken gereichen der-
ſelben zu geringem Troſte; denn ſtatt der Armen freund-
lich zuzureden, ſucht er derſelben zu beweiſen, daß auch
ſie die Strafe der Unſterblichen verdient habe. — Er ver-
ſucht das arme Kind mit der ganzen Kraft ſeiner ſiegen-
den Beredſamkeit dahin zu bringen, der Erde ganz und
gar zu vergeſſen, und durch fortwährende Gebete und
Opfer die Gnade des Oſiris und der Richter in der Un-
terwelt zu gewinnen.
„‚Du wirſt bald ſterben.‘ — ‚Das Leben iſt kurz;
die Dauer des Todes unendlich lang.‘ Mit dieſen und
ähnlichen Worten foltert er die Seele unſrer theuren Kran-
ken, welche ſo gerne leben möchte.
„Jene Anſchauung der Aegypter, welche das Daſein
im Tode zur Hauptſache, das Leben in dieſer Welt zu
einem Nichts, einer kurzen Wanderung, einem Traume
ſtempelt, hat Viele in die Gefahr gebracht, der Stimmung
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