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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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in seiner Zelle befindet, steigt herunter, eilt mit mir zu
der Stelle der Mauer, wo ihr mit dem Boote wartet,
überklettert dieselbe mit Hülfe einer zweiten Strickleiter,
die dort hängen muß, springt in den Kahn und ist ge-
rettet!"

"Herrlich, herrlich!" rief Bartja.

"Aber sehr gefährlich!" fügte Syloson hinzu. "Wenn
wir im heiligen Hain' ergriffen werden, so sind wir schwe-
rer Strafe gewiß. Die Priester feiern dort bei Nacht
eigenthümlich geheimnißvolle Feste, bei denen jeder Unbe-
rufene streng verpönt ist. Uebrigens soll der See im
Haine *) der Schauplatz derselben sein, und dieser ist
ziemlich weit von dem Gefängnisse des Zopyros ent-
fernt."

"Um so besser!" rief Darius; "aber jetzt zur Haupt-
sache! -- Wir müssen sofort zu Theopompos schicken und
denselben ersuchen, eine schnelle Triere für uns zu miethen
und zum Absegeln fertig machen zu lassen. Die Nachricht
von den Kriegsrüstungen des Kambyses sind bereits hier
eingetroffen; man hält uns für Spione und wird Zopyros
und die Befreier desselben mit allen Kräften verfolgen;
darum wäre es frevelhaft, wenn wir uns unnützen Ge-
fahren aussetzen wollten. Du, Bartja, sollst die Botschaft
ausrichten und Dich heute noch mit Sappho vermählen,
denn wir müssen morgen, geschehe was da wolle, von
Naukratis aufbrechen. Keine Widerrede, mein Freund,
mein Bruder! Du kennst ja unsern Plan und weißt, daß
Du bei dem Rettungswerke, das doch nur Einer ausführen
kann, den müßigen Zuschauer spielen würdest. Jch habe
den Anschlag erdacht und lasse mir nicht nehmen, denselben

*) I. Theil Anmerk. 146.

in ſeiner Zelle befindet, ſteigt herunter, eilt mit mir zu
der Stelle der Mauer, wo ihr mit dem Boote wartet,
überklettert dieſelbe mit Hülfe einer zweiten Strickleiter,
die dort hängen muß, ſpringt in den Kahn und iſt ge-
rettet!“

„Herrlich, herrlich!“ rief Bartja.

„Aber ſehr gefährlich!“ fügte Syloſon hinzu. „Wenn
wir im heiligen Hain’ ergriffen werden, ſo ſind wir ſchwe-
rer Strafe gewiß. Die Prieſter feiern dort bei Nacht
eigenthümlich geheimnißvolle Feſte, bei denen jeder Unbe-
rufene ſtreng verpönt iſt. Uebrigens ſoll der See im
Haine *) der Schauplatz derſelben ſein, und dieſer iſt
ziemlich weit von dem Gefängniſſe des Zopyros ent-
fernt.“

„Um ſo beſſer!“ rief Darius; „aber jetzt zur Haupt-
ſache! — Wir müſſen ſofort zu Theopompos ſchicken und
denſelben erſuchen, eine ſchnelle Triere für uns zu miethen
und zum Abſegeln fertig machen zu laſſen. Die Nachricht
von den Kriegsrüſtungen des Kambyſes ſind bereits hier
eingetroffen; man hält uns für Spione und wird Zopyros
und die Befreier deſſelben mit allen Kräften verfolgen;
darum wäre es frevelhaft, wenn wir uns unnützen Ge-
fahren ausſetzen wollten. Du, Bartja, ſollſt die Botſchaft
ausrichten und Dich heute noch mit Sappho vermählen,
denn wir müſſen morgen, geſchehe was da wolle, von
Naukratis aufbrechen. Keine Widerrede, mein Freund,
mein Bruder! Du kennſt ja unſern Plan und weißt, daß
Du bei dem Rettungswerke, das doch nur Einer ausführen
kann, den müßigen Zuſchauer ſpielen würdeſt. Jch habe
den Anſchlag erdacht und laſſe mir nicht nehmen, denſelben

*) I. Theil Anmerk. 146.
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[112/0122] in ſeiner Zelle befindet, ſteigt herunter, eilt mit mir zu der Stelle der Mauer, wo ihr mit dem Boote wartet, überklettert dieſelbe mit Hülfe einer zweiten Strickleiter, die dort hängen muß, ſpringt in den Kahn und iſt ge- rettet!“ „Herrlich, herrlich!“ rief Bartja. „Aber ſehr gefährlich!“ fügte Syloſon hinzu. „Wenn wir im heiligen Hain’ ergriffen werden, ſo ſind wir ſchwe- rer Strafe gewiß. Die Prieſter feiern dort bei Nacht eigenthümlich geheimnißvolle Feſte, bei denen jeder Unbe- rufene ſtreng verpönt iſt. Uebrigens ſoll der See im Haine *) der Schauplatz derſelben ſein, und dieſer iſt ziemlich weit von dem Gefängniſſe des Zopyros ent- fernt.“ „Um ſo beſſer!“ rief Darius; „aber jetzt zur Haupt- ſache! — Wir müſſen ſofort zu Theopompos ſchicken und denſelben erſuchen, eine ſchnelle Triere für uns zu miethen und zum Abſegeln fertig machen zu laſſen. Die Nachricht von den Kriegsrüſtungen des Kambyſes ſind bereits hier eingetroffen; man hält uns für Spione und wird Zopyros und die Befreier deſſelben mit allen Kräften verfolgen; darum wäre es frevelhaft, wenn wir uns unnützen Ge- fahren ausſetzen wollten. Du, Bartja, ſollſt die Botſchaft ausrichten und Dich heute noch mit Sappho vermählen, denn wir müſſen morgen, geſchehe was da wolle, von Naukratis aufbrechen. Keine Widerrede, mein Freund, mein Bruder! Du kennſt ja unſern Plan und weißt, daß Du bei dem Rettungswerke, das doch nur Einer ausführen kann, den müßigen Zuſchauer ſpielen würdeſt. Jch habe den Anſchlag erdacht und laſſe mir nicht nehmen, denſelben *) I. Theil Anmerk. 146.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/122>, abgerufen am 25.11.2024.