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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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Staaten zu erhalten!" sagte der Oberste der Schreiber,
während der Schatzmeister, eine Thräne aus dem Auge
wischend, ausrief: "Und wie weise hielt er mit den Ein-
künften des Landes Haus! Seit Ramses III. waren die
Kammern des Schatzhauses nicht so gefüllt, als heute 77)!"
-- "Psamtik hat eine große Erbschaft zu erwarten," lispelte
der Höfling, während der Krieger ausrief: "Doch wird er
dieselbe wohl schwerlich zu ruhmreichen Kriegen verwenden;
der Thronerbe ordnet sich ganz dem Willen der Priester
unter." -- "Du irrst," erwiederte der Sänger; "seit ge-
raumer Zeit scheint unser Herr die Rathschläge seiner
treusten Diener zu verschmähen!" -- "Nach solchem Vater,"
rief der Nomarch, "ist es schwer, sich allgemeine Anerken-
nung zu erwerben. Nicht Jedem ward der hohe Geist,
das Glück und die Weisheit eines Amasis zu Theil!" --
"Das wissen die Götter!" murmelte der Krieger.

Tachot hörte all' diese Worte und ließ ihren Thränen
freien Lauf. Was man ihr bis jetzt verschwiegen hatte,
bestätigte sich: sie sollte bald ihren geliebten Vater ver-
lieren.

Nachdem sie sich diese schreckliche Gewißheit vollkommen
klar gemacht und ihre Dienerinnen vergeblich gebeten hatte,
sie an's Bett des Kranken zu tragen, wandte sie ihr Ohr
von den Gesprächen der Höflinge ab und schaute, als suchte
sie dort einen Trost, auf das Sistrum, welches Bartja in
ihre Hand gegeben, und das sie mit sich auf den Altan
genommen hatte. -- Und sie fand, was sie suchte, denn
es war ihr, als würde sie von dem Klange der goldnen
Ringe des heiligen Jnstrumentes dieser Welt entrückt und
in eine lachende Sonnenlandschaft versetzt.

Jene der Ohnmacht gleichende Mattigkeit, welche
die Schwindsüchtigen oftmals überkommt, hatte sie er-

Staaten zu erhalten!“ ſagte der Oberſte der Schreiber,
während der Schatzmeiſter, eine Thräne aus dem Auge
wiſchend, ausrief: „Und wie weiſe hielt er mit den Ein-
künften des Landes Haus! Seit Ramſes III. waren die
Kammern des Schatzhauſes nicht ſo gefüllt, als heute 77)!“
— „Pſamtik hat eine große Erbſchaft zu erwarten,“ lispelte
der Höfling, während der Krieger ausrief: „Doch wird er
dieſelbe wohl ſchwerlich zu ruhmreichen Kriegen verwenden;
der Thronerbe ordnet ſich ganz dem Willen der Prieſter
unter.“ — „Du irrſt,“ erwiederte der Sänger; „ſeit ge-
raumer Zeit ſcheint unſer Herr die Rathſchläge ſeiner
treuſten Diener zu verſchmähen!“ — „Nach ſolchem Vater,“
rief der Nomarch, „iſt es ſchwer, ſich allgemeine Anerken-
nung zu erwerben. Nicht Jedem ward der hohe Geiſt,
das Glück und die Weisheit eines Amaſis zu Theil!“ —
„Das wiſſen die Götter!“ murmelte der Krieger.

Tachot hörte all’ dieſe Worte und ließ ihren Thränen
freien Lauf. Was man ihr bis jetzt verſchwiegen hatte,
beſtätigte ſich: ſie ſollte bald ihren geliebten Vater ver-
lieren.

Nachdem ſie ſich dieſe ſchreckliche Gewißheit vollkommen
klar gemacht und ihre Dienerinnen vergeblich gebeten hatte,
ſie an’s Bett des Kranken zu tragen, wandte ſie ihr Ohr
von den Geſprächen der Höflinge ab und ſchaute, als ſuchte
ſie dort einen Troſt, auf das Siſtrum, welches Bartja in
ihre Hand gegeben, und das ſie mit ſich auf den Altan
genommen hatte. — Und ſie fand, was ſie ſuchte, denn
es war ihr, als würde ſie von dem Klange der goldnen
Ringe des heiligen Jnſtrumentes dieſer Welt entrückt und
in eine lachende Sonnenlandſchaft verſetzt.

Jene der Ohnmacht gleichende Mattigkeit, welche
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[117/0127] Staaten zu erhalten!“ ſagte der Oberſte der Schreiber, während der Schatzmeiſter, eine Thräne aus dem Auge wiſchend, ausrief: „Und wie weiſe hielt er mit den Ein- künften des Landes Haus! Seit Ramſes III. waren die Kammern des Schatzhauſes nicht ſo gefüllt, als heute 77)!“ — „Pſamtik hat eine große Erbſchaft zu erwarten,“ lispelte der Höfling, während der Krieger ausrief: „Doch wird er dieſelbe wohl ſchwerlich zu ruhmreichen Kriegen verwenden; der Thronerbe ordnet ſich ganz dem Willen der Prieſter unter.“ — „Du irrſt,“ erwiederte der Sänger; „ſeit ge- raumer Zeit ſcheint unſer Herr die Rathſchläge ſeiner treuſten Diener zu verſchmähen!“ — „Nach ſolchem Vater,“ rief der Nomarch, „iſt es ſchwer, ſich allgemeine Anerken- nung zu erwerben. Nicht Jedem ward der hohe Geiſt, das Glück und die Weisheit eines Amaſis zu Theil!“ — „Das wiſſen die Götter!“ murmelte der Krieger. Tachot hörte all’ dieſe Worte und ließ ihren Thränen freien Lauf. Was man ihr bis jetzt verſchwiegen hatte, beſtätigte ſich: ſie ſollte bald ihren geliebten Vater ver- lieren. Nachdem ſie ſich dieſe ſchreckliche Gewißheit vollkommen klar gemacht und ihre Dienerinnen vergeblich gebeten hatte, ſie an’s Bett des Kranken zu tragen, wandte ſie ihr Ohr von den Geſprächen der Höflinge ab und ſchaute, als ſuchte ſie dort einen Troſt, auf das Siſtrum, welches Bartja in ihre Hand gegeben, und das ſie mit ſich auf den Altan genommen hatte. — Und ſie fand, was ſie ſuchte, denn es war ihr, als würde ſie von dem Klange der goldnen Ringe des heiligen Jnſtrumentes dieſer Welt entrückt und in eine lachende Sonnenlandſchaft verſetzt. Jene der Ohnmacht gleichende Mattigkeit, welche die Schwindſüchtigen oftmals überkommt, hatte ſie er-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/127>, abgerufen am 26.11.2024.