wesen sein, denn morgen hätte es ein Paar Augen weniger auf der Welt gegeben!"
Bartja lächelte und sagte, die Hand seiner Sappho drückend: "Jch glaube beinah, daß ich mich Zeit Lebens mit einem Weibe begnügen werde!"
Die junge Mutter erwiederte den Druck der geliebten Hand und sagte: "Jch traue Dir nicht, Freund Zopyros, denn es scheint mir, als fürchtetest Du weniger den Zorn jener Dir gleichgültigen Wesen, als einen Verstoß gegen die Sitten Deiner Heimat zu begehen. -- Man hat mir schon erzählt, daß man in den Frauengemächern meinen armen Bartja ausschilt, weil er mich nicht von Eunuchen bewachen läßt, und mir gestattet, seine Freuden zu theilen."
"Er verwöhnt Dich auch schrecklich," gab Zopyros zurück, "und unsre Weiber berufen sich schon, wenn wir sie ein wenig kurz halten, auf seine Güte und Nachsicht. Jn den nächsten Tagen wird an der Pforte des Königs eine Empörung der Frauen losbrechen, und die Achämeniden, welche scharfen Schwertern und Pfeilen entkamen, werden spitzen Zungen und schneidigen Nägeln unterliegen."
"O Du unhöflicher Perser," lachte Syloson, "wir müssen Dir größere Ehrfurcht vor den Ebenbildern Aphro- dite's beibringen."
"Jhr Hellenen etwa?" fragte der Jüngling. "Beim Mithra, unsre Frauen haben es eben so gut, als die euern. Nur die Aegypterinnen leben unglaublich frei!"
"So ist es!" sagte Rhodopis. "Die Einwohner dieses seltenen Landes gewähren seit Jahrtausenden meinem schwa- chen Geschlechte dasselbe Recht, welches sie für sich selbst beanspruchen. Jn mancher Beziehung haben sie uns sogar den Vorzug gegeben. Gebietet doch z. B. das ägyptische Gesetz nicht den Söhnen, sondern den Töchtern, die greisen
weſen ſein, denn morgen hätte es ein Paar Augen weniger auf der Welt gegeben!“
Bartja lächelte und ſagte, die Hand ſeiner Sappho drückend: „Jch glaube beinah, daß ich mich Zeit Lebens mit einem Weibe begnügen werde!“
Die junge Mutter erwiederte den Druck der geliebten Hand und ſagte: „Jch traue Dir nicht, Freund Zopyros, denn es ſcheint mir, als fürchteteſt Du weniger den Zorn jener Dir gleichgültigen Weſen, als einen Verſtoß gegen die Sitten Deiner Heimat zu begehen. — Man hat mir ſchon erzählt, daß man in den Frauengemächern meinen armen Bartja ausſchilt, weil er mich nicht von Eunuchen bewachen läßt, und mir geſtattet, ſeine Freuden zu theilen.“
„Er verwöhnt Dich auch ſchrecklich,“ gab Zopyros zurück, „und unſre Weiber berufen ſich ſchon, wenn wir ſie ein wenig kurz halten, auf ſeine Güte und Nachſicht. Jn den nächſten Tagen wird an der Pforte des Königs eine Empörung der Frauen losbrechen, und die Achämeniden, welche ſcharfen Schwertern und Pfeilen entkamen, werden ſpitzen Zungen und ſchneidigen Nägeln unterliegen.“
„O Du unhöflicher Perſer,“ lachte Syloſon, „wir müſſen Dir größere Ehrfurcht vor den Ebenbildern Aphro- dite’s beibringen.“
„Jhr Hellenen etwa?“ fragte der Jüngling. „Beim Mithra, unſre Frauen haben es eben ſo gut, als die euern. Nur die Aegypterinnen leben unglaublich frei!“
„So iſt es!“ ſagte Rhodopis. „Die Einwohner dieſes ſeltenen Landes gewähren ſeit Jahrtauſenden meinem ſchwa- chen Geſchlechte daſſelbe Recht, welches ſie für ſich ſelbſt beanſpruchen. Jn mancher Beziehung haben ſie uns ſogar den Vorzug gegeben. Gebietet doch z. B. das ägyptiſche Geſetz nicht den Söhnen, ſondern den Töchtern, die greiſen
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weſen ſein, denn morgen hätte es ein Paar Augen weniger
auf der Welt gegeben!“
Bartja lächelte und ſagte, die Hand ſeiner Sappho
drückend: „Jch glaube beinah, daß ich mich Zeit Lebens
mit einem Weibe begnügen werde!“
Die junge Mutter erwiederte den Druck der geliebten
Hand und ſagte: „Jch traue Dir nicht, Freund Zopyros,
denn es ſcheint mir, als fürchteteſt Du weniger den Zorn
jener Dir gleichgültigen Weſen, als einen Verſtoß gegen
die Sitten Deiner Heimat zu begehen. — Man hat mir
ſchon erzählt, daß man in den Frauengemächern meinen
armen Bartja ausſchilt, weil er mich nicht von Eunuchen
bewachen läßt, und mir geſtattet, ſeine Freuden zu theilen.“
„Er verwöhnt Dich auch ſchrecklich,“ gab Zopyros
zurück, „und unſre Weiber berufen ſich ſchon, wenn wir
ſie ein wenig kurz halten, auf ſeine Güte und Nachſicht.
Jn den nächſten Tagen wird an der Pforte des Königs
eine Empörung der Frauen losbrechen, und die Achämeniden,
welche ſcharfen Schwertern und Pfeilen entkamen, werden
ſpitzen Zungen und ſchneidigen Nägeln unterliegen.“
„O Du unhöflicher Perſer,“ lachte Syloſon, „wir
müſſen Dir größere Ehrfurcht vor den Ebenbildern Aphro-
dite’s beibringen.“
„Jhr Hellenen etwa?“ fragte der Jüngling. „Beim
Mithra, unſre Frauen haben es eben ſo gut, als die
euern. Nur die Aegypterinnen leben unglaublich frei!“
„So iſt es!“ ſagte Rhodopis. „Die Einwohner dieſes
ſeltenen Landes gewähren ſeit Jahrtauſenden meinem ſchwa-
chen Geſchlechte daſſelbe Recht, welches ſie für ſich ſelbſt
beanſpruchen. Jn mancher Beziehung haben ſie uns ſogar
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/188>, abgerufen am 17.06.2024.
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