Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

ich nach Amerika flüchten wollte, ich käme zu spät, denn
auch dort wäre es schon zu helle."


Zu Tisch mit Goethe und seinem Sohn, welcher
letztere uns manches heitere Geschichtchen aus seiner Stu¬
dentenzeit, namentlich aus seinem Aufenthalt in Heidel¬
berg erzählte. Er hatte mit seinen Freunden in den
Ferien manchen Ausflug am Rhein gemacht, wo ihm
besonders ein Wirth in gutem Andenken geblieben war,
bey dem er einst mit zehn andern Studenten übernach¬
tet und welcher unentgeltlich den Wein hergegeben,
bloß damit er einmal seine Freude an einem so genann¬
ten Kommersch haben möge.

Nach Tisch legte Goethe uns colorirte Zeichnungen
italienischer Gegenden vor, besonders des nördlichen
Italiens mit den Gebirgen der angrenzenden Schweiz
und dem Lago maggiore. Die Borromäischen Inseln
spiegelten sich im Wasser, man sah am Ufer Fahrzeuge
und Fischergeräth, wobey Goethe bemerklich machte, daß
dieß der See aus seinen Wanderjahren sey. Nordwest¬
lich, in der Richtung nach dem monte rosa stand das
den See begrenzende Vorgebirge in dunkelen blauschwar¬
zen Massen, so wie es kurz nach Sonnenuntergange zu
seyn pflegt.

ich nach Amerika fluͤchten wollte, ich kaͤme zu ſpaͤt, denn
auch dort waͤre es ſchon zu helle.“


Zu Tiſch mit Goethe und ſeinem Sohn, welcher
letztere uns manches heitere Geſchichtchen aus ſeiner Stu¬
dentenzeit, namentlich aus ſeinem Aufenthalt in Heidel¬
berg erzaͤhlte. Er hatte mit ſeinen Freunden in den
Ferien manchen Ausflug am Rhein gemacht, wo ihm
beſonders ein Wirth in gutem Andenken geblieben war,
bey dem er einſt mit zehn andern Studenten uͤbernach¬
tet und welcher unentgeltlich den Wein hergegeben,
bloß damit er einmal ſeine Freude an einem ſo genann¬
ten Kommerſch haben moͤge.

Nach Tiſch legte Goethe uns colorirte Zeichnungen
italieniſcher Gegenden vor, beſonders des noͤrdlichen
Italiens mit den Gebirgen der angrenzenden Schweiz
und dem Lago maggiore. Die Borromaͤiſchen Inſeln
ſpiegelten ſich im Waſſer, man ſah am Ufer Fahrzeuge
und Fiſchergeraͤth, wobey Goethe bemerklich machte, daß
dieß der See aus ſeinen Wanderjahren ſey. Nordweſt¬
lich, in der Richtung nach dem monte rosa ſtand das
den See begrenzende Vorgebirge in dunkelen blauſchwar¬
zen Maſſen, ſo wie es kurz nach Sonnenuntergange zu
ſeyn pflegt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0129" n="109"/>
ich nach Amerika flu&#x0364;chten wollte, ich ka&#x0364;me zu &#x017F;pa&#x0364;t, denn<lb/>
auch dort wa&#x0364;re es &#x017F;chon zu helle.&#x201C;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <dateline rendition="#right">Sonntag den 22. Februar 1824.<lb/></dateline>
          <p>Zu Ti&#x017F;ch mit Goethe und &#x017F;einem Sohn, welcher<lb/>
letztere uns manches heitere Ge&#x017F;chichtchen aus &#x017F;einer Stu¬<lb/>
dentenzeit, namentlich aus &#x017F;einem Aufenthalt in Heidel¬<lb/>
berg erza&#x0364;hlte. Er hatte mit &#x017F;einen Freunden in den<lb/>
Ferien manchen Ausflug am Rhein gemacht, wo ihm<lb/>
be&#x017F;onders ein Wirth in gutem Andenken geblieben war,<lb/>
bey dem er ein&#x017F;t mit zehn andern Studenten u&#x0364;bernach¬<lb/>
tet und welcher unentgeltlich den Wein hergegeben,<lb/>
bloß damit er einmal &#x017F;eine Freude an einem &#x017F;o genann¬<lb/>
ten Kommer&#x017F;ch haben mo&#x0364;ge.</p><lb/>
          <p>Nach Ti&#x017F;ch legte Goethe uns colorirte Zeichnungen<lb/>
italieni&#x017F;cher Gegenden vor, be&#x017F;onders des <hi rendition="#g">no&#x0364;rdlichen</hi><lb/>
Italiens mit den Gebirgen der angrenzenden Schweiz<lb/>
und dem <hi rendition="#aq">Lago maggiore</hi>. Die Borroma&#x0364;i&#x017F;chen In&#x017F;eln<lb/>
&#x017F;piegelten &#x017F;ich im Wa&#x017F;&#x017F;er, man &#x017F;ah am Ufer Fahrzeuge<lb/>
und Fi&#x017F;chergera&#x0364;th, wobey Goethe bemerklich machte, daß<lb/>
dieß der See aus &#x017F;einen Wanderjahren &#x017F;ey. Nordwe&#x017F;<lb/>
lich, in der Richtung nach dem <hi rendition="#aq">monte rosa</hi> &#x017F;tand das<lb/>
den See begrenzende Vorgebirge in dunkelen blau&#x017F;chwar¬<lb/>
zen Ma&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o wie es kurz nach Sonnenuntergange zu<lb/>
&#x017F;eyn pflegt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0129] ich nach Amerika fluͤchten wollte, ich kaͤme zu ſpaͤt, denn auch dort waͤre es ſchon zu helle.“ Sonntag den 22. Februar 1824. Zu Tiſch mit Goethe und ſeinem Sohn, welcher letztere uns manches heitere Geſchichtchen aus ſeiner Stu¬ dentenzeit, namentlich aus ſeinem Aufenthalt in Heidel¬ berg erzaͤhlte. Er hatte mit ſeinen Freunden in den Ferien manchen Ausflug am Rhein gemacht, wo ihm beſonders ein Wirth in gutem Andenken geblieben war, bey dem er einſt mit zehn andern Studenten uͤbernach¬ tet und welcher unentgeltlich den Wein hergegeben, bloß damit er einmal ſeine Freude an einem ſo genann¬ ten Kommerſch haben moͤge. Nach Tiſch legte Goethe uns colorirte Zeichnungen italieniſcher Gegenden vor, beſonders des noͤrdlichen Italiens mit den Gebirgen der angrenzenden Schweiz und dem Lago maggiore. Die Borromaͤiſchen Inſeln ſpiegelten ſich im Waſſer, man ſah am Ufer Fahrzeuge und Fiſchergeraͤth, wobey Goethe bemerklich machte, daß dieß der See aus ſeinen Wanderjahren ſey. Nordweſt¬ lich, in der Richtung nach dem monte rosa ſtand das den See begrenzende Vorgebirge in dunkelen blauſchwar¬ zen Maſſen, ſo wie es kurz nach Sonnenuntergange zu ſeyn pflegt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/129
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/129>, abgerufen am 27.11.2024.