Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.etwas zu bedeuten hätten. So ist die Masse, und ein¬ "*** hätte bey seinem großen Talent, bey seiner "Ein Mann wie Lessing thäte uns noth. Denn "Viele sind geistreich genug und voller Kenntnisse, "Die Frau von Genlis hat daher vollkommen Recht, "Und dann! was wissen wir denn, und wie weit "Der Mensch ist nicht geboren, die Probleme der etwas zu bedeuten haͤtten. So iſt die Maſſe, und ein¬ „*** haͤtte bey ſeinem großen Talent, bey ſeiner „Ein Mann wie Leſſing thaͤte uns noth. Denn „Viele ſind geiſtreich genug und voller Kenntniſſe, „Die Frau von Genlis hat daher vollkommen Recht, „Und dann! was wiſſen wir denn, und wie weit „Der Menſch iſt nicht geboren, die Probleme der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0246" n="226"/> etwas zu bedeuten haͤtten. So iſt die Maſſe, und ein¬<lb/> zelne Hervorragende ſind nicht viel beſſer.“</p><lb/> <p>„*** haͤtte bey ſeinem großen Talent, bey ſeiner<lb/> weltumfaſſenden Gelehrſamkeit der Nation <hi rendition="#g">viel</hi> ſeyn<lb/> koͤnnen. Aber ſo hat ſeine Characterloſigkeit die Nation<lb/> um außerordentliche Wirkungen und ihn ſelbſt um die<lb/> Achtung der Nation gebracht.“</p><lb/> <p>„Ein Mann wie <hi rendition="#g">Leſſing</hi> thaͤte uns noth. Denn<lb/> wodurch iſt dieſer ſo groß als durch ſeinen Character,<lb/> durch ſein Feſthalten! — So kluge, ſo gebildete Men¬<lb/> ſchen giebt es viele, aber wo iſt ein ſolcher Character! —“</p><lb/> <p>„Viele ſind geiſtreich genug und voller Kenntniſſe,<lb/> allein ſie ſind zugleich voller Eitelkeit, und um ſich von<lb/> der kurzſichtigen Maſſe als witzige Koͤpfe bewundern zu<lb/> laſſen, haben ſie keine Scham und Scheu und iſt ihnen<lb/> nichts heilig.“</p><lb/> <p>„Die Frau von Genlis hat daher vollkommen Recht,<lb/> wenn ſie ſich gegen die Freyheiten und Frechheiten von<lb/> Voltaire auflegte. Denn im Grunde, ſo geiſtreich alles<lb/> ſeyn mag, iſt der Welt doch nichts damit gedient; es<lb/> laͤßt ſich nichts darauf gruͤnden. Ja es kann ſogar<lb/> von der groͤßten Schaͤdlichkeit ſeyn, indem es die Men¬<lb/> ſchen verwirrt und ihnen den noͤthigen Halt nimmt.“</p><lb/> <p>„Und dann! was wiſſen wir denn, und wie weit<lb/> reichen wir denn mit all unſerm Witze!“</p><lb/> <p>„Der Menſch iſt nicht geboren, die Probleme der<lb/> Welt zu loͤſen, wohl aber zu ſuchen, wo das Problem<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [226/0246]
etwas zu bedeuten haͤtten. So iſt die Maſſe, und ein¬
zelne Hervorragende ſind nicht viel beſſer.“
„*** haͤtte bey ſeinem großen Talent, bey ſeiner
weltumfaſſenden Gelehrſamkeit der Nation viel ſeyn
koͤnnen. Aber ſo hat ſeine Characterloſigkeit die Nation
um außerordentliche Wirkungen und ihn ſelbſt um die
Achtung der Nation gebracht.“
„Ein Mann wie Leſſing thaͤte uns noth. Denn
wodurch iſt dieſer ſo groß als durch ſeinen Character,
durch ſein Feſthalten! — So kluge, ſo gebildete Men¬
ſchen giebt es viele, aber wo iſt ein ſolcher Character! —“
„Viele ſind geiſtreich genug und voller Kenntniſſe,
allein ſie ſind zugleich voller Eitelkeit, und um ſich von
der kurzſichtigen Maſſe als witzige Koͤpfe bewundern zu
laſſen, haben ſie keine Scham und Scheu und iſt ihnen
nichts heilig.“
„Die Frau von Genlis hat daher vollkommen Recht,
wenn ſie ſich gegen die Freyheiten und Frechheiten von
Voltaire auflegte. Denn im Grunde, ſo geiſtreich alles
ſeyn mag, iſt der Welt doch nichts damit gedient; es
laͤßt ſich nichts darauf gruͤnden. Ja es kann ſogar
von der groͤßten Schaͤdlichkeit ſeyn, indem es die Men¬
ſchen verwirrt und ihnen den noͤthigen Halt nimmt.“
„Und dann! was wiſſen wir denn, und wie weit
reichen wir denn mit all unſerm Witze!“
„Der Menſch iſt nicht geboren, die Probleme der
Welt zu loͤſen, wohl aber zu ſuchen, wo das Problem
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