Ich hatte indeß einen guten Schritt vorwärts gethan, und da ich die Universität nach wie vor im Auge behielt, so blieb nun weiter nichts übrig, als den Privatunterricht fortzusetzen, welches denn auch mit aller Lust und Liebe geschah.
Nach der überstandenen Last des Winters verlebte ich einen desto heiteren Frühling und Sommer; ich war viel in der freyen Natur, die dieses Jahr mit besonderer Innigkeit zu meinem Herzen sprach, und es entstanden viele Gedichte, wobey besonders die jugend¬ lichen Lieder von Goethe mir als hohe Muster vor Augen schwebten.
Mit eintretendem Winter fing ich an ernstlich darauf zu denken, wie ich es möglich mache wenigstens binnen Jahresfrist die Universität zu beziehen. In der lateini¬ schen Sprache war ich so weit vorgeschritten, daß es mir gelang von den Oden des Horaz, von den Hirten¬ gedichten des Virgil, so wie von den Metamorphosen des Ovid einige mich besonders ansprechende Stücke me¬ trisch zu übersetzen, so wie die Reden des Cicero und die Kriegesgeschichten des Julius Cäsar mit einiger Leich¬ tigkeit zu lesen. Hiemit konnte ich mich zwar noch kei¬ neswegs als für academische Studien gehörig vorbereitet betrachten, allein ich dachte innerhalb eines Jahres noch sehr weit zu kommen und sodann das Fehlende auf der Universität selber nachzuholen.
Unter den höheren Personen der Residenz hatte ich
Ich hatte indeß einen guten Schritt vorwaͤrts gethan, und da ich die Univerſitaͤt nach wie vor im Auge behielt, ſo blieb nun weiter nichts uͤbrig, als den Privatunterricht fortzuſetzen, welches denn auch mit aller Luſt und Liebe geſchah.
Nach der uͤberſtandenen Laſt des Winters verlebte ich einen deſto heiteren Fruͤhling und Sommer; ich war viel in der freyen Natur, die dieſes Jahr mit beſonderer Innigkeit zu meinem Herzen ſprach, und es entſtanden viele Gedichte, wobey beſonders die jugend¬ lichen Lieder von Goethe mir als hohe Muſter vor Augen ſchwebten.
Mit eintretendem Winter fing ich an ernſtlich darauf zu denken, wie ich es moͤglich mache wenigſtens binnen Jahresfriſt die Univerſitaͤt zu beziehen. In der lateini¬ ſchen Sprache war ich ſo weit vorgeſchritten, daß es mir gelang von den Oden des Horaz, von den Hirten¬ gedichten des Virgil, ſo wie von den Metamorphoſen des Ovid einige mich beſonders anſprechende Stuͤcke me¬ triſch zu uͤberſetzen, ſo wie die Reden des Cicero und die Kriegesgeſchichten des Julius Caͤſar mit einiger Leich¬ tigkeit zu leſen. Hiemit konnte ich mich zwar noch kei¬ neswegs als fuͤr academiſche Studien gehoͤrig vorbereitet betrachten, allein ich dachte innerhalb eines Jahres noch ſehr weit zu kommen und ſodann das Fehlende auf der Univerſitaͤt ſelber nachzuholen.
Unter den hoͤheren Perſonen der Reſidenz hatte ich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0045"n="25"/><p>Ich hatte indeß einen guten Schritt vorwaͤrts<lb/>
gethan, und da ich die Univerſitaͤt nach wie vor im<lb/>
Auge behielt, ſo blieb nun weiter nichts uͤbrig, als den<lb/>
Privatunterricht fortzuſetzen, welches denn auch mit aller<lb/>
Luſt und Liebe geſchah.</p><lb/><p>Nach der uͤberſtandenen Laſt des Winters verlebte<lb/>
ich einen deſto heiteren Fruͤhling und Sommer; ich<lb/>
war viel in der freyen Natur, die dieſes Jahr mit<lb/>
beſonderer Innigkeit zu meinem Herzen ſprach, und es<lb/>
entſtanden viele Gedichte, wobey beſonders die jugend¬<lb/>
lichen Lieder von <hirendition="#g">Goethe</hi> mir als hohe Muſter vor<lb/>
Augen ſchwebten.</p><lb/><p>Mit eintretendem Winter fing ich an ernſtlich darauf<lb/>
zu denken, wie ich es moͤglich mache wenigſtens binnen<lb/>
Jahresfriſt die Univerſitaͤt zu beziehen. In der lateini¬<lb/>ſchen Sprache war ich ſo weit vorgeſchritten, daß es<lb/>
mir gelang von den Oden des Horaz, von den Hirten¬<lb/>
gedichten des Virgil, ſo wie von den Metamorphoſen<lb/>
des Ovid einige mich beſonders anſprechende Stuͤcke me¬<lb/>
triſch zu uͤberſetzen, ſo wie die Reden des Cicero und<lb/>
die Kriegesgeſchichten des Julius Caͤſar mit einiger Leich¬<lb/>
tigkeit zu leſen. Hiemit konnte ich mich zwar noch kei¬<lb/>
neswegs als fuͤr academiſche Studien gehoͤrig vorbereitet<lb/>
betrachten, allein ich dachte innerhalb eines Jahres noch<lb/>ſehr weit zu kommen und ſodann das Fehlende auf der<lb/>
Univerſitaͤt ſelber nachzuholen.</p><lb/><p>Unter den hoͤheren Perſonen der Reſidenz hatte ich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[25/0045]
Ich hatte indeß einen guten Schritt vorwaͤrts
gethan, und da ich die Univerſitaͤt nach wie vor im
Auge behielt, ſo blieb nun weiter nichts uͤbrig, als den
Privatunterricht fortzuſetzen, welches denn auch mit aller
Luſt und Liebe geſchah.
Nach der uͤberſtandenen Laſt des Winters verlebte
ich einen deſto heiteren Fruͤhling und Sommer; ich
war viel in der freyen Natur, die dieſes Jahr mit
beſonderer Innigkeit zu meinem Herzen ſprach, und es
entſtanden viele Gedichte, wobey beſonders die jugend¬
lichen Lieder von Goethe mir als hohe Muſter vor
Augen ſchwebten.
Mit eintretendem Winter fing ich an ernſtlich darauf
zu denken, wie ich es moͤglich mache wenigſtens binnen
Jahresfriſt die Univerſitaͤt zu beziehen. In der lateini¬
ſchen Sprache war ich ſo weit vorgeſchritten, daß es
mir gelang von den Oden des Horaz, von den Hirten¬
gedichten des Virgil, ſo wie von den Metamorphoſen
des Ovid einige mich beſonders anſprechende Stuͤcke me¬
triſch zu uͤberſetzen, ſo wie die Reden des Cicero und
die Kriegesgeſchichten des Julius Caͤſar mit einiger Leich¬
tigkeit zu leſen. Hiemit konnte ich mich zwar noch kei¬
neswegs als fuͤr academiſche Studien gehoͤrig vorbereitet
betrachten, allein ich dachte innerhalb eines Jahres noch
ſehr weit zu kommen und ſodann das Fehlende auf der
Univerſitaͤt ſelber nachzuholen.
Unter den hoͤheren Perſonen der Reſidenz hatte ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/45>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.