Geiste einen höheren Gewinn gebe. Ich würde, sagte man, dadurch Blicke in bürgerliche und weltliche Ver¬ hältnisse thun wie ich auf keine andere Weise erreichen könne. Auch wäre dieses Studium keineswegs von sol¬ chem Umfang, daß sich nicht sehr viele sogenannte höhere Dinge nebenbey treiben lassen. Man nannte mir ver¬ schiedene Namen berühmter Personen, die alle Jura studirt hätten und doch zugleich zu den höchsten Kennt¬ nissen anderer Art gelangt wären.
Hiebey jedoch wurde sowohl von meinen Freunden als von mir übersehen, daß jene Männer nicht allein mit tüchtigen Schulkenntnissen ausgestattet zur Univer¬ sität kamen, sondern auch eine ungleich längere Zeit, als die gebieterische Noth meiner besonderen Umstände es mir erlauben wollte, auf ihre Studien verwenden konnten.
Genug aber, so wie ich andere getäuscht hatte, täuschte ich mich nach und nach selber und bildete mir zuletzt wirklich ein, ich könne in allem Ernst Jura studiren und doch zugleich meine eigentlichen Zwecke erreichen.
In diesem Wahn, etwas zu suchen was ich gar nicht zu besitzen und anzuwenden wünschte, fing ich sogleich nach meiner Ankunft auf der Universität mit dem Juristischen an. Auch fand ich diese Wissenschaft keineswegs der Art daß sie mir widerstanden hätte, vielmehr hätte ich, wenn mein Kopf nicht von anderen Vorsätzen und Bestrebungen wäre zu voll gewesen,
Geiſte einen hoͤheren Gewinn gebe. Ich wuͤrde, ſagte man, dadurch Blicke in buͤrgerliche und weltliche Ver¬ haͤltniſſe thun wie ich auf keine andere Weiſe erreichen koͤnne. Auch waͤre dieſes Studium keineswegs von ſol¬ chem Umfang, daß ſich nicht ſehr viele ſogenannte hoͤhere Dinge nebenbey treiben laſſen. Man nannte mir ver¬ ſchiedene Namen beruͤhmter Perſonen, die alle Jura ſtudirt haͤtten und doch zugleich zu den hoͤchſten Kennt¬ niſſen anderer Art gelangt waͤren.
Hiebey jedoch wurde ſowohl von meinen Freunden als von mir uͤberſehen, daß jene Maͤnner nicht allein mit tuͤchtigen Schulkenntniſſen ausgeſtattet zur Univer¬ ſitaͤt kamen, ſondern auch eine ungleich laͤngere Zeit, als die gebieteriſche Noth meiner beſonderen Umſtaͤnde es mir erlauben wollte, auf ihre Studien verwenden konnten.
Genug aber, ſo wie ich andere getaͤuſcht hatte, taͤuſchte ich mich nach und nach ſelber und bildete mir zuletzt wirklich ein, ich koͤnne in allem Ernſt Jura ſtudiren und doch zugleich meine eigentlichen Zwecke erreichen.
In dieſem Wahn, etwas zu ſuchen was ich gar nicht zu beſitzen und anzuwenden wuͤnſchte, fing ich ſogleich nach meiner Ankunft auf der Univerſitaͤt mit dem Juriſtiſchen an. Auch fand ich dieſe Wiſſenſchaft keineswegs der Art daß ſie mir widerſtanden haͤtte, vielmehr haͤtte ich, wenn mein Kopf nicht von anderen Vorſaͤtzen und Beſtrebungen waͤre zu voll geweſen,
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Geiſte einen hoͤheren Gewinn gebe. Ich wuͤrde, ſagte
man, dadurch Blicke in buͤrgerliche und weltliche Ver¬
haͤltniſſe thun wie ich auf keine andere Weiſe erreichen
koͤnne. Auch waͤre dieſes Studium keineswegs von ſol¬
chem Umfang, daß ſich nicht ſehr viele ſogenannte hoͤhere
Dinge nebenbey treiben laſſen. Man nannte mir ver¬
ſchiedene Namen beruͤhmter Perſonen, die alle Jura
ſtudirt haͤtten und doch zugleich zu den hoͤchſten Kennt¬
niſſen anderer Art gelangt waͤren.
Hiebey jedoch wurde ſowohl von meinen Freunden
als von mir uͤberſehen, daß jene Maͤnner nicht allein
mit tuͤchtigen Schulkenntniſſen ausgeſtattet zur Univer¬
ſitaͤt kamen, ſondern auch eine ungleich laͤngere Zeit,
als die gebieteriſche Noth meiner beſonderen Umſtaͤnde
es mir erlauben wollte, auf ihre Studien verwenden
konnten.
Genug aber, ſo wie ich andere getaͤuſcht hatte, taͤuſchte
ich mich nach und nach ſelber und bildete mir zuletzt
wirklich ein, ich koͤnne in allem Ernſt Jura ſtudiren
und doch zugleich meine eigentlichen Zwecke erreichen.
In dieſem Wahn, etwas zu ſuchen was ich gar
nicht zu beſitzen und anzuwenden wuͤnſchte, fing ich
ſogleich nach meiner Ankunft auf der Univerſitaͤt mit
dem Juriſtiſchen an. Auch fand ich dieſe Wiſſenſchaft
keineswegs der Art daß ſie mir widerſtanden haͤtte,
vielmehr haͤtte ich, wenn mein Kopf nicht von anderen
Vorſaͤtzen und Beſtrebungen waͤre zu voll geweſen,
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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