über einem rothen Kanapee hängende Gemälde der al¬ dobrandinischen Hochzeit mich besonders anzog. Das Bild war, bey zur Seite geschobenen grünen Vorhängen, in voller Beleuchtung mir vor Augen und ich freute mich, es in Ruhe zu betrachten.
"Ja, sagte Goethe, die Alten hatten nicht allein große Intentionen, sondern es kam, bey ihnen auch zur Erscheinung. Dagegen haben wir Neueren auch wohl große Intentionen, allein wir sind selten fähig, es so kräftig und lebensfrisch hervorzubringen als wir es uns dachten."
Nun kam auch Riemer und Meyer, auch der Canzler v. Müller und mehrere andere angesehene Herren und Damen von Hofe. Auch Goethe's Sohn trat herein und Frau von Goethe, deren Bekanntschaft ich hier zuerst machte. Die Zimmer füllten sich nach und nach und es ward in allen sehr munter und leben¬ dig. Auch einige hübsche junge Ausländer waren gegen¬ wärtig mit denen Goethe französisch sprach.
Die Gesellschaft gefiel mir, es war alles so frey und ungezwungen, man stand, man saß, man scherzte, man lachte und sprach mit diesem und jenem, alles nach freyer Neigung. Ich sprach mit dem jungen Goethe sehr lebendig über das Bild von Houwald, welches vor einigen Tagen gegeben worden. Wir waren über das Stück einer Meinung und ich freute mich, wie der junge Goethe die Verhältnisse mit so vielem Geist und Feuer auseinander zu setzen wußte.
uͤber einem rothen Kanapee haͤngende Gemaͤlde der al¬ dobrandiniſchen Hochzeit mich beſonders anzog. Das Bild war, bey zur Seite geſchobenen gruͤnen Vorhaͤngen, in voller Beleuchtung mir vor Augen und ich freute mich, es in Ruhe zu betrachten.
„Ja, ſagte Goethe, die Alten hatten nicht allein große Intentionen, ſondern es kam, bey ihnen auch zur Erſcheinung. Dagegen haben wir Neueren auch wohl große Intentionen, allein wir ſind ſelten faͤhig, es ſo kraͤftig und lebensfriſch hervorzubringen als wir es uns dachten.“
Nun kam auch Riemer und Meyer, auch der Canzler v. Muͤller und mehrere andere angeſehene Herren und Damen von Hofe. Auch Goethe's Sohn trat herein und Frau von Goethe, deren Bekanntſchaft ich hier zuerſt machte. Die Zimmer fuͤllten ſich nach und nach und es ward in allen ſehr munter und leben¬ dig. Auch einige huͤbſche junge Auslaͤnder waren gegen¬ waͤrtig mit denen Goethe franzoͤſiſch ſprach.
Die Geſellſchaft gefiel mir, es war alles ſo frey und ungezwungen, man ſtand, man ſaß, man ſcherzte, man lachte und ſprach mit dieſem und jenem, alles nach freyer Neigung. Ich ſprach mit dem jungen Goethe ſehr lebendig uͤber das Bild von Houwald, welches vor einigen Tagen gegeben worden. Wir waren uͤber das Stuͤck einer Meinung und ich freute mich, wie der junge Goethe die Verhaͤltniſſe mit ſo vielem Geiſt und Feuer auseinander zu ſetzen wußte.
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uͤber einem rothen Kanapee haͤngende Gemaͤlde der al¬
dobrandiniſchen Hochzeit mich beſonders anzog. Das
Bild war, bey zur Seite geſchobenen gruͤnen Vorhaͤngen,
in voller Beleuchtung mir vor Augen und ich freute
mich, es in Ruhe zu betrachten.
„Ja, ſagte Goethe, die Alten hatten nicht allein
große Intentionen, ſondern es kam, bey ihnen auch zur
Erſcheinung. Dagegen haben wir Neueren auch wohl
große Intentionen, allein wir ſind ſelten faͤhig, es ſo kraͤftig
und lebensfriſch hervorzubringen als wir es uns dachten.“
Nun kam auch Riemer und Meyer, auch der
Canzler v. Muͤller und mehrere andere angeſehene
Herren und Damen von Hofe. Auch Goethe's Sohn
trat herein und Frau von Goethe, deren Bekanntſchaft
ich hier zuerſt machte. Die Zimmer fuͤllten ſich nach
und nach und es ward in allen ſehr munter und leben¬
dig. Auch einige huͤbſche junge Auslaͤnder waren gegen¬
waͤrtig mit denen Goethe franzoͤſiſch ſprach.
Die Geſellſchaft gefiel mir, es war alles ſo frey
und ungezwungen, man ſtand, man ſaß, man ſcherzte,
man lachte und ſprach mit dieſem und jenem, alles
nach freyer Neigung. Ich ſprach mit dem jungen Goethe
ſehr lebendig uͤber das Bild von Houwald, welches
vor einigen Tagen gegeben worden. Wir waren uͤber
das Stuͤck einer Meinung und ich freute mich, wie der
junge Goethe die Verhaͤltniſſe mit ſo vielem Geiſt und
Feuer auseinander zu ſetzen wußte.
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/80>, abgerufen am 21.11.2024.
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