Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir hatten nicht lange am Tisch gesessen, als Herr
Seidel mit den Tyrolern sich melden ließ. Die Sän¬
ger wurden ins Gartenzimmer gestellt, so daß sie durch
die offenen Thüren gut zu sehen, und ihr Gesang aus
dieser Ferne gut zu hören war. Herr Seidel setzte sich
zu uns an den Tisch. Die Lieder und das Gejodel der
heiteren Tyroler behagte uns jungen Leuten; Fräulein
Ulrike und mir gefiel besonders der Strauß und Du,
du liegst mir im Herzen, wovon wir uns den Text
ausbaten. Goethe selbst erschien keineswegs so entzückt
als wir Andern. "Wie Kirschen und Beeren behagen,
sagte er, muß man Kinder und Sperlinge fragen."
Zwischen den Liedern spielten die Tyroler allerlei natio¬
nale Tänze, auf einer Art von liegenden Zittern, von
einer hellen Querflöte begleitet.

Der junge Goethe wird hinausgerufen und kommt
bald wieder zurück. Er geht zu den Tyrolern und ent¬
läßt sie. Er setzt sich wieder zu uns an den Tisch.

1*

Wir hatten nicht lange am Tiſch geſeſſen, als Herr
Seidel mit den Tyrolern ſich melden ließ. Die Saͤn¬
ger wurden ins Gartenzimmer geſtellt, ſo daß ſie durch
die offenen Thuͤren gut zu ſehen, und ihr Geſang aus
dieſer Ferne gut zu hoͤren war. Herr Seidel ſetzte ſich
zu uns an den Tiſch. Die Lieder und das Gejodel der
heiteren Tyroler behagte uns jungen Leuten; Fraͤulein
Ulrike und mir gefiel beſonders der Strauß und Du,
du liegſt mir im Herzen, wovon wir uns den Text
ausbaten. Goethe ſelbſt erſchien keineswegs ſo entzuͤckt
als wir Andern. „Wie Kirſchen und Beeren behagen,
ſagte er, muß man Kinder und Sperlinge fragen.“
Zwiſchen den Liedern ſpielten die Tyroler allerlei natio¬
nale Taͤnze, auf einer Art von liegenden Zittern, von
einer hellen Querfloͤte begleitet.

Der junge Goethe wird hinausgerufen und kommt
bald wieder zuruͤck. Er geht zu den Tyrolern und ent¬
laͤßt ſie. Er ſetzt ſich wieder zu uns an den Tiſch.

1*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <pb facs="#f0013" n="[3]"/>
        <div n="4">
          <dateline rendition="#right">Sonntag, den 15. Juny 1828.<lb/></dateline>
          <p><hi rendition="#in">W</hi>ir hatten nicht lange am Ti&#x017F;ch ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, als Herr<lb/><hi rendition="#g">Seidel</hi> mit den Tyrolern &#x017F;ich melden ließ. Die Sa&#x0364;<lb/>
ger wurden ins Gartenzimmer ge&#x017F;tellt, &#x017F;o daß &#x017F;ie durch<lb/>
die offenen Thu&#x0364;ren gut zu &#x017F;ehen, und ihr Ge&#x017F;ang aus<lb/>
die&#x017F;er Ferne gut zu ho&#x0364;ren war. Herr Seidel &#x017F;etzte &#x017F;ich<lb/>
zu uns an den Ti&#x017F;ch. Die Lieder und das Gejodel der<lb/>
heiteren Tyroler behagte uns jungen Leuten; Fra&#x0364;ulein<lb/>
Ulrike und mir gefiel be&#x017F;onders der <hi rendition="#g">Strauß</hi> und <hi rendition="#g">Du</hi>,<lb/><hi rendition="#g">du lieg&#x017F;t mir im Herzen</hi>, wovon wir uns den Text<lb/>
ausbaten. Goethe &#x017F;elb&#x017F;t er&#x017F;chien keineswegs &#x017F;o entzu&#x0364;ckt<lb/>
als wir Andern. &#x201E;Wie Kir&#x017F;chen und Beeren behagen,<lb/>
&#x017F;agte er, muß man Kinder und Sperlinge fragen.&#x201C;<lb/>
Zwi&#x017F;chen den Liedern &#x017F;pielten die Tyroler allerlei natio¬<lb/>
nale Ta&#x0364;nze, auf einer Art von liegenden Zittern, von<lb/>
einer hellen Querflo&#x0364;te begleitet.</p><lb/>
          <p>Der junge Goethe wird hinausgerufen und kommt<lb/>
bald wieder zuru&#x0364;ck. Er geht zu den Tyrolern und ent¬<lb/>
la&#x0364;ßt &#x017F;ie. Er &#x017F;etzt &#x017F;ich wieder zu uns an den Ti&#x017F;ch.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">1*<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[3]/0013] Sonntag, den 15. Juny 1828. Wir hatten nicht lange am Tiſch geſeſſen, als Herr Seidel mit den Tyrolern ſich melden ließ. Die Saͤn¬ ger wurden ins Gartenzimmer geſtellt, ſo daß ſie durch die offenen Thuͤren gut zu ſehen, und ihr Geſang aus dieſer Ferne gut zu hoͤren war. Herr Seidel ſetzte ſich zu uns an den Tiſch. Die Lieder und das Gejodel der heiteren Tyroler behagte uns jungen Leuten; Fraͤulein Ulrike und mir gefiel beſonders der Strauß und Du, du liegſt mir im Herzen, wovon wir uns den Text ausbaten. Goethe ſelbſt erſchien keineswegs ſo entzuͤckt als wir Andern. „Wie Kirſchen und Beeren behagen, ſagte er, muß man Kinder und Sperlinge fragen.“ Zwiſchen den Liedern ſpielten die Tyroler allerlei natio¬ nale Taͤnze, auf einer Art von liegenden Zittern, von einer hellen Querfloͤte begleitet. Der junge Goethe wird hinausgerufen und kommt bald wieder zuruͤck. Er geht zu den Tyrolern und ent¬ laͤßt ſie. Er ſetzt ſich wieder zu uns an den Tiſch. 1*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/13
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/13>, abgerufen am 21.11.2024.