zusammenstehenden drey Planeten zu weiden und an dem wachsenden Glanz der Morgenröthe zu erquicken. Fast den ganzen Tag bin ich sodann im Freyen, und halte geistige Zwiesprache mit den Ranken der Weinrebe, die mir gute Gedanken sagen und wovon ich Euch wunder¬ liche Dinge mittheilen könnte. Auch mache ich wieder Gedichte, die nicht schlecht sind, und möchte überall, daß es mir vergönnt wäre, in diesem Zustande so fort¬ zuleben."
Donnerstag, den 11. September 1828.
Heute zwey Uhr, bey dem herrlichsten Wetter, kam Goethe von Dornburg zurück. Er war rüstig und ganz braun von der Sonne. Wir setzten uns bald zu Tisch, und zwar in dem Zimmer, das unmittelbar an den Garten stößt, und dessen Thüren offen standen. Er er¬ zählte von mancherley gehabten Besuchen und erhaltenen Geschenken, und schien sich überall in zwischen gestreu¬ ten leichten Scherzen zu gefallen. Blickte man aber tiefer, so konnte man eine gewisse Befangenheit nicht verkennen, wie sie derjenige empfindet, der in einen alten Zustand zurückkehrt, der durch mancherley Verhält¬ nisse, Rücksichten und Anforderungen bedingt ist.
Wir waren noch bey den ersten Gerichten, als eine Sendung der Großherzogin Mutter kam, die ihre Freude über Goethe's Zurückkunft zu erkennen gab, mit der
zuſammenſtehenden drey Planeten zu weiden und an dem wachſenden Glanz der Morgenroͤthe zu erquicken. Faſt den ganzen Tag bin ich ſodann im Freyen, und halte geiſtige Zwieſprache mit den Ranken der Weinrebe, die mir gute Gedanken ſagen und wovon ich Euch wunder¬ liche Dinge mittheilen koͤnnte. Auch mache ich wieder Gedichte, die nicht ſchlecht ſind, und moͤchte uͤberall, daß es mir vergoͤnnt waͤre, in dieſem Zuſtande ſo fort¬ zuleben.“
Donnerstag, den 11. September 1828.
Heute zwey Uhr, bey dem herrlichſten Wetter, kam Goethe von Dornburg zuruͤck. Er war ruͤſtig und ganz braun von der Sonne. Wir ſetzten uns bald zu Tiſch, und zwar in dem Zimmer, das unmittelbar an den Garten ſtoͤßt, und deſſen Thuͤren offen ſtanden. Er er¬ zaͤhlte von mancherley gehabten Beſuchen und erhaltenen Geſchenken, und ſchien ſich uͤberall in zwiſchen geſtreu¬ ten leichten Scherzen zu gefallen. Blickte man aber tiefer, ſo konnte man eine gewiſſe Befangenheit nicht verkennen, wie ſie derjenige empfindet, der in einen alten Zuſtand zuruͤckkehrt, der durch mancherley Verhaͤlt¬ niſſe, Ruͤckſichten und Anforderungen bedingt iſt.
Wir waren noch bey den erſten Gerichten, als eine Sendung der Großherzogin Mutter kam, die ihre Freude uͤber Goethe's Zuruͤckkunft zu erkennen gab, mit der
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0017"n="7"/>
zuſammenſtehenden drey Planeten zu weiden und an dem<lb/>
wachſenden Glanz der Morgenroͤthe zu erquicken. Faſt<lb/>
den ganzen Tag bin ich ſodann im Freyen, und halte<lb/>
geiſtige Zwieſprache mit den Ranken der Weinrebe, die<lb/>
mir gute Gedanken ſagen und wovon ich Euch wunder¬<lb/>
liche Dinge mittheilen koͤnnte. Auch mache ich wieder<lb/>
Gedichte, die nicht ſchlecht ſind, und moͤchte uͤberall,<lb/>
daß es mir vergoͤnnt waͤre, in dieſem Zuſtande ſo fort¬<lb/>
zuleben.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="4"><datelinerendition="#right">Donnerstag, den 11. September 1828.<lb/></dateline><p>Heute zwey Uhr, bey dem herrlichſten Wetter, kam<lb/>
Goethe von Dornburg zuruͤck. Er war ruͤſtig und ganz<lb/>
braun von der Sonne. Wir ſetzten uns bald zu Tiſch,<lb/>
und zwar in dem Zimmer, das unmittelbar an den<lb/>
Garten ſtoͤßt, und deſſen Thuͤren offen ſtanden. Er er¬<lb/>
zaͤhlte von mancherley gehabten Beſuchen und erhaltenen<lb/>
Geſchenken, und ſchien ſich uͤberall in zwiſchen geſtreu¬<lb/>
ten leichten Scherzen zu gefallen. Blickte man aber<lb/>
tiefer, ſo konnte man eine gewiſſe Befangenheit nicht<lb/>
verkennen, wie ſie derjenige empfindet, der in einen<lb/>
alten Zuſtand zuruͤckkehrt, der durch mancherley Verhaͤlt¬<lb/>
niſſe, Ruͤckſichten und Anforderungen bedingt iſt.</p><lb/><p>Wir waren noch bey den erſten Gerichten, als eine<lb/>
Sendung der Großherzogin Mutter kam, die ihre Freude<lb/>
uͤber Goethe's Zuruͤckkunft zu erkennen gab, mit der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[7/0017]
zuſammenſtehenden drey Planeten zu weiden und an dem
wachſenden Glanz der Morgenroͤthe zu erquicken. Faſt
den ganzen Tag bin ich ſodann im Freyen, und halte
geiſtige Zwieſprache mit den Ranken der Weinrebe, die
mir gute Gedanken ſagen und wovon ich Euch wunder¬
liche Dinge mittheilen koͤnnte. Auch mache ich wieder
Gedichte, die nicht ſchlecht ſind, und moͤchte uͤberall,
daß es mir vergoͤnnt waͤre, in dieſem Zuſtande ſo fort¬
zuleben.“
Donnerstag, den 11. September 1828.
Heute zwey Uhr, bey dem herrlichſten Wetter, kam
Goethe von Dornburg zuruͤck. Er war ruͤſtig und ganz
braun von der Sonne. Wir ſetzten uns bald zu Tiſch,
und zwar in dem Zimmer, das unmittelbar an den
Garten ſtoͤßt, und deſſen Thuͤren offen ſtanden. Er er¬
zaͤhlte von mancherley gehabten Beſuchen und erhaltenen
Geſchenken, und ſchien ſich uͤberall in zwiſchen geſtreu¬
ten leichten Scherzen zu gefallen. Blickte man aber
tiefer, ſo konnte man eine gewiſſe Befangenheit nicht
verkennen, wie ſie derjenige empfindet, der in einen
alten Zuſtand zuruͤckkehrt, der durch mancherley Verhaͤlt¬
niſſe, Ruͤckſichten und Anforderungen bedingt iſt.
Wir waren noch bey den erſten Gerichten, als eine
Sendung der Großherzogin Mutter kam, die ihre Freude
uͤber Goethe's Zuruͤckkunft zu erkennen gab, mit der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/17>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.