mit dem Ersuchen, ihn Goethe zu seinem Geburtstage zu schicklicher Stunde zu überreichen. Es sey ein An¬ denken in Bezug auf Schiller, das gewiß Freude verursachen werde.
Als nun Goethe heute bey Tisch von den mannig¬ faltigen Geschenken erzählte, die ihm zu seinem Geburts¬ tag nach Dornburg gesendet worden, fragte ich ihn, was das Paket von Abeken enthalten.
"Es war eine merkwürdige Sendung, sagte Goethe, die mir viele Freude gemacht hat. Ein liebenswürdiges Frauenzimmer, bey der Schiller den Thee getrunken, hat die Artigkeit gehabt, seine Aeußerungen niederzuschreiben. Sie hat alles sehr hübsch aufgefaßt und treu wiederge¬ geben, und das lieset sich nun nach so langer Zeit gar gut, indem man dadurch unmittelbar in einen Zustand versetzt wird, der mit tausend anderen bedeutenden vor¬ übergegangen ist, in diesem Fall aber glücklicherweise in seiner Lebendigkeit auf dem Papiere gefesselt worden."
"Schiller erscheint hier, wie immer, im absoluten Besitz seiner erhabenen Natur; er ist so groß am Thee¬ tisch, wie er es im Staatsrath gewesen seyn würde. Nichts geniert ihn, nichts engt ihn ein, nichts zieht den Flug seiner Gedanken herab; was in ihm von großen Ansichten lebt, geht immer frey heraus ohne Rücksicht und ohne Bedenken. Das war ein rechter Mensch, und so sollte man auch seyn! -- Wir Andern dagegen füh¬ len uns immer bedingt; die Personen, die Gegenstände,
mit dem Erſuchen, ihn Goethe zu ſeinem Geburtstage zu ſchicklicher Stunde zu uͤberreichen. Es ſey ein An¬ denken in Bezug auf Schiller, das gewiß Freude verurſachen werde.
Als nun Goethe heute bey Tiſch von den mannig¬ faltigen Geſchenken erzaͤhlte, die ihm zu ſeinem Geburts¬ tag nach Dornburg geſendet worden, fragte ich ihn, was das Paket von Abeken enthalten.
„Es war eine merkwuͤrdige Sendung, ſagte Goethe, die mir viele Freude gemacht hat. Ein liebenswuͤrdiges Frauenzimmer, bey der Schiller den Thee getrunken, hat die Artigkeit gehabt, ſeine Aeußerungen niederzuſchreiben. Sie hat alles ſehr huͤbſch aufgefaßt und treu wiederge¬ geben, und das lieſet ſich nun nach ſo langer Zeit gar gut, indem man dadurch unmittelbar in einen Zuſtand verſetzt wird, der mit tauſend anderen bedeutenden vor¬ uͤbergegangen iſt, in dieſem Fall aber gluͤcklicherweiſe in ſeiner Lebendigkeit auf dem Papiere gefeſſelt worden.“
„Schiller erſcheint hier, wie immer, im abſoluten Beſitz ſeiner erhabenen Natur; er iſt ſo groß am Thee¬ tiſch, wie er es im Staatsrath geweſen ſeyn wuͤrde. Nichts geniert ihn, nichts engt ihn ein, nichts zieht den Flug ſeiner Gedanken herab; was in ihm von großen Anſichten lebt, geht immer frey heraus ohne Ruͤckſicht und ohne Bedenken. Das war ein rechter Menſch, und ſo ſollte man auch ſeyn! — Wir Andern dagegen fuͤh¬ len uns immer bedingt; die Perſonen, die Gegenſtaͤnde,
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mit dem Erſuchen, ihn Goethe zu ſeinem Geburtstage
zu ſchicklicher Stunde zu uͤberreichen. Es ſey ein An¬
denken in Bezug auf Schiller, das gewiß Freude
verurſachen werde.
Als nun Goethe heute bey Tiſch von den mannig¬
faltigen Geſchenken erzaͤhlte, die ihm zu ſeinem Geburts¬
tag nach Dornburg geſendet worden, fragte ich ihn,
was das Paket von Abeken enthalten.
„Es war eine merkwuͤrdige Sendung, ſagte Goethe,
die mir viele Freude gemacht hat. Ein liebenswuͤrdiges
Frauenzimmer, bey der Schiller den Thee getrunken, hat
die Artigkeit gehabt, ſeine Aeußerungen niederzuſchreiben.
Sie hat alles ſehr huͤbſch aufgefaßt und treu wiederge¬
geben, und das lieſet ſich nun nach ſo langer Zeit gar
gut, indem man dadurch unmittelbar in einen Zuſtand
verſetzt wird, der mit tauſend anderen bedeutenden vor¬
uͤbergegangen iſt, in dieſem Fall aber gluͤcklicherweiſe in
ſeiner Lebendigkeit auf dem Papiere gefeſſelt worden.“
„Schiller erſcheint hier, wie immer, im abſoluten
Beſitz ſeiner erhabenen Natur; er iſt ſo groß am Thee¬
tiſch, wie er es im Staatsrath geweſen ſeyn wuͤrde.
Nichts geniert ihn, nichts engt ihn ein, nichts zieht den
Flug ſeiner Gedanken herab; was in ihm von großen
Anſichten lebt, geht immer frey heraus ohne Ruͤckſicht
und ohne Bedenken. Das war ein rechter Menſch, und
ſo ſollte man auch ſeyn! — Wir Andern dagegen fuͤh¬
len uns immer bedingt; die Perſonen, die Gegenſtaͤnde,
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/21>, abgerufen am 03.12.2024.
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