und Vegetation. Vorgestern, in Weimar, waren die Bäume noch in Knospen; hier aber fand ich die neuen Triebe der Kastanien schon einen Fuß lang, die der Linden eine Viertel-Elle; das Laub der Birken war schon dunkelgrün, die Eichen waren alle ausgeschlagen. Das Gras sah ich einen Fuß hoch, so daß am Thor mir Mädchen begegneten, die schwere Graskörbe herein¬ trugen.
Ich ging durch die Gärten, um eine freye Ansicht des Taunusgebirges zu gewinnen; es war ein muntrer Wind, die Wolken zogen aus Südwest, und warfen ihre Schatten auf das Gebirge, so wie sie nach Nordost vorbeyzogen. Zwischen den Gärten sah ich einige Störche niedergehen, und sich wieder aufheben, welches in dem Sonnenschein, zwischen den ziehenden weißen Wolken und blauen Himmel, ein schöner Anblick war und den Character der Gegend vollendete. Als ich zurückging, kamen mir vor dem Thore die schönsten Kühe entgegen, braun, weiß, gefleckt und von glänzender Haut.
Die hiesige Luft ist anmuthig und wohlthätig, das Wasser von süßlichem Geschmack. Beefsteaks habe ich seit Hamburg nicht so gute gegessen als hier; auch freue ich mich über das treffliche Weißbrod.
Es ist Messe, und das Getreide und Geleyer und Gedudel auf der Straße geht vom Morgen bis spät in die Nacht. Ein Savoyardenknabe war mir merkwürdig, der eine Leyer drehte, und hinter sich einen Hund zog,
und Vegetation. Vorgeſtern, in Weimar, waren die Baͤume noch in Knospen; hier aber fand ich die neuen Triebe der Kaſtanien ſchon einen Fuß lang, die der Linden eine Viertel-Elle; das Laub der Birken war ſchon dunkelgruͤn, die Eichen waren alle ausgeſchlagen. Das Gras ſah ich einen Fuß hoch, ſo daß am Thor mir Maͤdchen begegneten, die ſchwere Graskoͤrbe herein¬ trugen.
Ich ging durch die Gaͤrten, um eine freye Anſicht des Taunusgebirges zu gewinnen; es war ein muntrer Wind, die Wolken zogen aus Suͤdweſt, und warfen ihre Schatten auf das Gebirge, ſo wie ſie nach Nordoſt vorbeyzogen. Zwiſchen den Gaͤrten ſah ich einige Stoͤrche niedergehen, und ſich wieder aufheben, welches in dem Sonnenſchein, zwiſchen den ziehenden weißen Wolken und blauen Himmel, ein ſchoͤner Anblick war und den Character der Gegend vollendete. Als ich zuruͤckging, kamen mir vor dem Thore die ſchoͤnſten Kuͤhe entgegen, braun, weiß, gefleckt und von glaͤnzender Haut.
Die hieſige Luft iſt anmuthig und wohlthaͤtig, das Waſſer von ſuͤßlichem Geſchmack. Beefſteaks habe ich ſeit Hamburg nicht ſo gute gegeſſen als hier; auch freue ich mich uͤber das treffliche Weißbrod.
Es iſt Meſſe, und das Getreide und Geleyer und Gedudel auf der Straße geht vom Morgen bis ſpaͤt in die Nacht. Ein Savoyardenknabe war mir merkwuͤrdig, der eine Leyer drehte, und hinter ſich einen Hund zog,
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0217"n="207"/>
und Vegetation. Vorgeſtern, in Weimar, waren die<lb/>
Baͤume noch in Knospen; hier aber fand ich die neuen<lb/>
Triebe der Kaſtanien ſchon einen Fuß lang, die der<lb/>
Linden eine Viertel-Elle; das Laub der Birken war<lb/>ſchon dunkelgruͤn, die Eichen waren alle ausgeſchlagen.<lb/>
Das Gras ſah ich einen Fuß hoch, ſo daß am Thor<lb/>
mir Maͤdchen begegneten, die ſchwere Graskoͤrbe herein¬<lb/>
trugen.</p><lb/><p>Ich ging durch die Gaͤrten, um eine freye Anſicht<lb/>
des Taunusgebirges zu gewinnen; es war ein muntrer<lb/>
Wind, die Wolken zogen aus Suͤdweſt, und warfen<lb/>
ihre Schatten auf das Gebirge, ſo wie ſie nach Nordoſt<lb/>
vorbeyzogen. Zwiſchen den Gaͤrten ſah ich einige Stoͤrche<lb/>
niedergehen, und ſich wieder aufheben, welches in dem<lb/>
Sonnenſchein, zwiſchen den ziehenden weißen Wolken<lb/>
und blauen Himmel, ein ſchoͤner Anblick war und den<lb/>
Character der Gegend vollendete. Als ich zuruͤckging,<lb/>
kamen mir vor dem Thore die ſchoͤnſten Kuͤhe entgegen,<lb/>
braun, weiß, gefleckt und von glaͤnzender Haut.</p><lb/><p>Die hieſige Luft iſt anmuthig und wohlthaͤtig, das<lb/>
Waſſer von ſuͤßlichem Geſchmack. Beefſteaks habe ich<lb/>ſeit Hamburg nicht ſo gute gegeſſen als hier; auch freue<lb/>
ich mich uͤber das treffliche Weißbrod.</p><lb/><p>Es iſt Meſſe, und das Getreide und Geleyer und<lb/>
Gedudel auf der Straße geht vom Morgen bis ſpaͤt in<lb/>
die Nacht. Ein Savoyardenknabe war mir merkwuͤrdig,<lb/>
der eine Leyer drehte, und hinter ſich einen Hund zog,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[207/0217]
und Vegetation. Vorgeſtern, in Weimar, waren die
Baͤume noch in Knospen; hier aber fand ich die neuen
Triebe der Kaſtanien ſchon einen Fuß lang, die der
Linden eine Viertel-Elle; das Laub der Birken war
ſchon dunkelgruͤn, die Eichen waren alle ausgeſchlagen.
Das Gras ſah ich einen Fuß hoch, ſo daß am Thor
mir Maͤdchen begegneten, die ſchwere Graskoͤrbe herein¬
trugen.
Ich ging durch die Gaͤrten, um eine freye Anſicht
des Taunusgebirges zu gewinnen; es war ein muntrer
Wind, die Wolken zogen aus Suͤdweſt, und warfen
ihre Schatten auf das Gebirge, ſo wie ſie nach Nordoſt
vorbeyzogen. Zwiſchen den Gaͤrten ſah ich einige Stoͤrche
niedergehen, und ſich wieder aufheben, welches in dem
Sonnenſchein, zwiſchen den ziehenden weißen Wolken
und blauen Himmel, ein ſchoͤner Anblick war und den
Character der Gegend vollendete. Als ich zuruͤckging,
kamen mir vor dem Thore die ſchoͤnſten Kuͤhe entgegen,
braun, weiß, gefleckt und von glaͤnzender Haut.
Die hieſige Luft iſt anmuthig und wohlthaͤtig, das
Waſſer von ſuͤßlichem Geſchmack. Beefſteaks habe ich
ſeit Hamburg nicht ſo gute gegeſſen als hier; auch freue
ich mich uͤber das treffliche Weißbrod.
Es iſt Meſſe, und das Getreide und Geleyer und
Gedudel auf der Straße geht vom Morgen bis ſpaͤt in
die Nacht. Ein Savoyardenknabe war mir merkwuͤrdig,
der eine Leyer drehte, und hinter ſich einen Hund zog,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/217>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.